Claus Peymann schlägt zurück

Preiskampf Der berüchtigtste Puncher des deutschen Literaturtheaters setzt sich beim von 3sat veranstalteten Preisverteilungsspektakel durch: Fazit des Theatertreffens

Ein neuer Superstar wurde gerade gefunden, das nächste Topmodel zeichnet sich am Horizont schon ab. Und ausgerechnet am Abend des Eurovision Song Contest suchte nun das Berliner Theatertreffen das grelle Rampenlicht der Bestenkür. Der Rahmen war allerdings ungleich kleiner, nämlich so groß wie der Boxring, der im Festspielhaus aufgebaut war. In dieser sportiven Kulisse trafen sich zwei junge Damen und zwei ältere Herren, um in einem einstündigen Wortgefecht den Träger des 3sat-Preises für „herausragende Leistungen“ zu ermitteln.

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Das Theatertreffen, zu der alljährlich zehn „bemerkenswerte“ Inszenierungen nach Berlin geladen sind, ist im Grunde kein Festival, sondern ein Fest ohne Siegerehrung. Drumherum gibt es jedoch einige Wettbewerbe, zu denen seit 13 Jahren der 3sat-Preis gehört. Bislang wurde er im stillen Kämmerlein vergeben, doch im Zuge des allgemeinen Buhlens um Aufmerksamkeit fand die Kür dieses Mal als öffentlicher Preiskampf statt, der live im Fernsehen gesendet wurde: Vier Juroren brachten jeweils einen Vorschlag ein, den sie mit guten Argumenten durchboxen sollten.

Der erste Vorschlag, Christoph Schlingensief für seine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir, kam von Eva Behrendt, Kritikerin und Jurymitglied des Theatertreffens. Schon im ersten Satz sprach sie die Krebserkrankung des Regisseurs an. Claus Peymann, Regisseur und Intendant, griff die Vorlage dankbar auf und wetterte gegen die unkünstlerischen Motive für die Einladung der Inszenierung nach Berlin. Er selbst schlug das dreiköpfige Ensemble der Wiener Inszenierung Der Weibsteufel vor. Plausibel wird das vor allem dank der ausdrücklichen Beschränkung auf die Schauspieler, weil Regie und Bühnenbild eher altbacken als „innovativ“ gerieten, wie es die Ausschreibung verlangt.

Die Autorin Jenny Erpenbeck hatte eher Bedenken gegen die allzu vorhersehbare Dramaturgie des Stücks. Nahezu seherisch geriet ihr eigener Vorschlag, die Schauspielerin Marion Breckwoldt, denn das Gastspiel der Hamburger Inszenierung von Marat/Sade stand zu diesem Zeitpunkt noch bevor. Gute Gründe für ihre Wahl zu nennen fiel Erpenbeck schwer, Peymann fiel es entsprechend leicht, dagegen zu protestieren, eine verkorkste Aufführung durch die Ehrung einer Mitwirkenden aufzuwerten.

Der Kritiker und Publizist C. Bernd Sucher bemühte sich, die Wogen zu glätten, seinen eigenen Vorschlag vertrat er dann aber vehement. Der war jedoch schon im Ansatz problematisch, weil Sucher aus einem achtköpfigen Ensemble, das durch Kostüme, Maske und Spiel vorsätzlich verwechselbar gemacht ist, mit Annette Paulmann eine einzelne Akteurin herausgriff. Dass die Vervielfachung des Josef K. nicht künstlerischen Notwendigkeiten, sondern den Textmassen von Kafkas Der Prozess geschuldet ist und deshalb als Effekt verpuffte, blieb leider undiskutiert.

Immerhin geriet das Gespräch kurz auf den wichtigen Abweg, dass sich die Funktion des zeitgenössischen Theaters nicht im Zeitvertreib erschöpfen darf. Leider war die Auswahl des Theatertreffens 2009 in weiten Teilen kaum mehr als das – und im Falle der fünfstündigen Lesung Alle Toten fliegen hoch von Joachim Meyerhoff sogar weniger. Insofern hatte Peymanns Vorschlag, Werner Wölbern, Nicholas Ofczarek und Birgit Minichmayr auszuzeichnen, durchaus Hand und Fuß. Dass er sich damit durchsetzte, konnte ohnehin niemanden wundern: Das wäre ihm auch mit jedem anderen Vorschlag gelungen. So gehen „Preiskämpfe“ eben aus, wenn ein rhetorischer Puncher gegen argumentative Leichtgewichte antritt.

Dieses Missverhältnis ließe sich durch eine andere Besetzung sicherlich beheben. Unberührt bliebe davon ein anderes Problem: Es gibt Überlegungen, auch die Diskussion der Jury, die die Auswahl für das Theatertreffen trifft, öffentlich zu machen. Doch statt das grelle Rampenlicht zu suchen, sollten die Verantwortlichen der Berliner Festspiele sich lieber ins stille Kämmerlein begeben und ergründen, warum zum wichtigsten Fest des deutschsprachigen Theaters so viel unwichtiges Theater eingeladen wird.

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