Das letzte Mal, als ich Michael Jackson in Wembley sah, war er ein winziges Fünftel der Jackson Five, süß und frühreif. Am Donnerstag kehrte er als Superheld zurück, überlebensgroß und außerirdisch seltsam wirkend, mit einer Show, wie ich sie in meinem Leben wohl nie wieder zu sehen bekommen werde.
Die Abendzeitung schrieb, auf dem Schwarzmarkt würden Tickets für das Jackson-Konzert für 150 Pfund das Stück verkauft. Die entmutigten scouser (Liverpooler), mit denen ich draußen sprach, hatten eine ganz andere Geschichte zu erzählen. Sie standen, so erfuhr ich, vor dem Ruin. Ich unterdrückte den Drang, ihnen ein paar Kupfermünzen zu geben und setzte meinen Marsch von jenseits der ausgeweiteten Auto-Abschlepp-Zone i
to-Abschlepp-Zone in Richtung Stadion fort. Den Flitzer hatte ich auf einem Gelände gelassen, das noch vor ungefähr einem Jahr wahrscheinlich aus Waldlichtungen und plätschernden, von Karpfen bevölkerten Bächen bestanden hatte.Nachdem ich mit dem Fünf-Pfund-Tourneeprogramm und einer Packung einfacher Chips meinen Platz in Abschnitt 80 eingenommen hatte, lehnte ich mich entspannt zurück und wartete darauf, dass der Spaß losging. Überall um mich herum starrten die Leute durch Papp-Operngläser mit dem Bad-Logo auf die leere Bühne, während andere Bad-Logos an ihre Kleidung hefteten. Unter uns jubelten die zusammengepferchten Massen jedes Mal, wenn die Michael-Jackson-Pepsi-Werbung auf den Leinwänden seitlich der Bühne erschien.Plötzlich stand da Michael JacksonUm 18 Uhr johlten wir, als die Techniker sich auf ihre Plätze begaben. Fünf Minuten später gab es die erste von wenigen La-Ola-Wellen zu bejubeln. Eine Stunde später erschien der Radio 1-Moderator Gary Davies um uns zu fragen, ob wir „ready to boogie“ seien und dann um ein großes Wembley-Willkommen für Kim Wilde zu bitten.Kim tat mir ein bisschen leid. Ähnlich dem Brötchen, mit dem wir geistesabwesend herumspielen, während wir auf unser Essen warten, musste sie es, wie die Boulevardblätter mit der üblichen leisen Insistenz immer wieder betonten, mit Michael Jackson aufnehmen. Und da stand sie auch schon, schwang ihren roten Schal und beugte sich möglichst oft nach vorn, damit die Kameras ihren Ausschnitt in Bild nehmen konnten. „Es ist toll hier zu sein,“ sagte sie. Nach ein oder zwei Songs entwickelte sich in unserer Reihe eine Diskussion über die Catering-Leute, die Lager-Bier und Cold Dogs austeilten und anscheinend die Farben des schottischen Fußballvereins Motherwell trugen. Sie blieb weitgehend ergebnislos.In der Pause amüsierten wir uns, indem wir ab und zu aufsprangen, um Promis zu begaffen, die in dem glasverkleideten Banketsaal ankamen. Frank Bruno gefiel uns am besten. Dann ertönte plötzlich donnernde Musik von der Bühne, eine Batterie von Lichtern flammte über dem Publikum auf, und – kaum zu fassen – plötzlich stand da Michael Jackson.„How ya doin’“, fragte er nach ein paar Hits. Nun, mir ging es so gut, wie es einem nur gehen kann, wenn man mit schmerzenden Füßen in einem kalten, feuchten Fußballstadion steht – aber wie ging es Michael? Die auf beide Leinwände projizierten Nahaufnahmen ließen nichts Gutes vermuten. Das berühmte ummodellierte Gesicht schimmerte etwas unmenschlich unter zu viel Rouge, und seine Performance war auf eigenartige Weise wenig mitreißend, obwohl wir sie aus so vielen Videos bis ins Letzte kannten.Doch Michael brauchte offensichtlich ein paar Minuten um in Fahrt zu kommen. Es folgte ein Kostümwechsel auf den nächsten, die Lichteffekte wurden immer stürmischer und dann übernahm er mit einer Performance von beispielloser Virtuosität die Kontrolle. Mit viel Bühnenfertigkeit, für die er mit Sicherheit von James Brown gelernt hat – besonders unter Zuhilfenahme jenes Kunstgriffes, bei dem der Sänger den Song scheinbar beendet und gleichsam in einem Zustand emotionaler Krise wie eingefroren dasteht und nur die Lippen bewegt wie zum Gebet, bevor er noch einmal loslegt – führte Jackson seine allesamt furchterregend gedrillten und unverschämt gut aussehenden Tänzer, Sänger und Musiker durch etwas, das weniger eine Folge von Songs, als eine Folge von Szenen war. Das Ganze ähnelte einer futuristischen, technologischen Pantomine, in der Michael die Quintessenz aller jungen Helden spielte, einige der bekanntesten Lieder der Welt sang und mit einem derartigen Maß an Autorität, Timing und Energie tanzte, dass gern man die eine oder andere Wiederholung in Kauf genommen hätte.Ich wünsche mir bloß, meine Kinder wären hier gewesen, um diese umwerfende Aufführung zu sehen. Sie hätten sie bestimmt niemals vergessen.