„Guttenberg wischt sich Schweiß von der Stirn"

Medientagebuch Copy/Paste kann jeder. Anführungszeichen weglassen auch: Die Reaktionen auf Guttenbergs Doktorarbeit in "FAZ", "Welt" und "Bild" - munter hintereinander wegkompiliert

Einführung

Der Verfasser übt sich heute in der jungen kryptowissenschaftlichen Form performativer Medienwahrnehmung. Gegenstand der Arbeit sind Reaktionen auf die Plagiatsvorwürfe die Promotion von Verteidigungsminister Guttenberg betreffend in den ihm weltanschaulich oder sonstwie nahe stehenden Medien. Folgender Aufbau wird vorgeschlagen. Zuerst sollen in drei Kapiteln jeweils die Reaktionen aus der FAZ/FAS (Politikressort), der Welt/Welt am Sonntag und von Bild/Bild am Sonntag der letzten Tage kompiliert werden. Ohne Anführungszeichen. Abschließend folgt ein Fazit.

1. Kompilation FAZ/FAS

Der junge Held wurde – nur zum Teil mit eigenem Zutun – so hochgeschrieben, dass ein Absturz kommen musste. Bei Deutschlands auflagenstärkster Zeitung vergeht kaum eine Ausgabe ohne den Messias. Guttenberg sagt, er habe stets versucht, er selbst zu bleiben. Er war froh, wenn die Schule aus war, wenn er reiten oder musizieren konnte. Guttenberg sei ein sehr guter Praktikant gewesen, aber als Autor sei er nicht aufgefallen. Ein Doktortyp ist Karl-Theoder zu Guttenberg eigentlich nicht. Ein Nachweis der Urheberschaft wäre unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten in vielen Fällen – etwa in der Einleitung – absurd gewesen. Kann es sein, dass man Texte – unter Zeitdruck, über einen langen Zeitraum hinweg – „schreibt“ oder komponiert, ohne zu erkennen, dass sie nicht von einem selbst stammen?

Zit. n.: R. Müller: Durchatmen; B. Kohler: An zwei Fronten; C. Hoffmann: Die Bretter dieser Republik; M. Wehner/E. Lohse: Die Studierstube ist seine Bühne nicht; J. v. Altenbockum: Wie ist es möglich?

2. Kompilation Welt/WamS

Wenige Außenpolitiker haben sich derart intensiv und leidenschaftlich in die Grundlagen des wichtigsten weltpolitischen Partners der Bundesrepublik eingearbeitet wie er. Es erscheint vage vorstellbar, dass Guttenberg zu Beginn seiner Vorarbeiten ein Rohkonzept erstellt hat, das aus eigenen Notizen und Fremdtexten bestand, die ihm inhaltlich gefielen. Es erscheint vage vor­stellbar, dass er, der über Jahre nur sporadisch am Text arbeitete, völlig vergessen hatte, dass dieses sich schön lesende Konzept auch aus mehreren Fremdquellen bestand. Was immer früher war, Guttenberg hat sich in kritischer Lage bewährt. Doch ein Rücktritt wäre falsch. Aber was macht das schon im Karneval, dieser Hochzeit des Plagiats und der Kopie, in der alle das sein dürfen, was sie nicht sind.

Zit. n.: T. Krauel: Eine Frage der Ehre für KTG; ders.: Doktor nur im Geiste, vorerst; M. Stürmer: Der Krieg in Afghanistan ist keine Fußnote; J.-E. Peters: Liebe Leserinnen, liebe Leser!; K. Frigelj: Guttenberg glänzt im Karneval trotz Abwesenheit

3. Kompilation Bild/BamS

Ich habe keine Ahnung von Doktorarbeiten. Gut! DIE SITUATION IST DA! Unglückliches Timing. 57 Prozent der Deutschen halten Guttenberg nach einer Emnid-Umfrage für Bild am Sonntag nicht für einen Schwindler. Das sind die Probleme, um die es wirklich geht. Dem konnte, zumal Schluss war, keiner mehr widersprechen. Frenetischer Beifall, Bravorufe, Guttenberg wischt sich Schweiß von der Stirn.

Zit. n.: F. J. Wagner: Lieber Dr. zu Guttenberg; N.N.: Gut! Guttenberg bleibt!; E. Koch: Sind Guttenbergs Kanzler-Träume jetzt geplatzt?, ah/betz/mb/msl: Für Deutsche ist Guttenberg kein Schwindler; S. Jungholt: Darum geht es wirklich; A. Thewalt: Wilde Guttenberg- Spekulationen im TV; N.N.: Guttenberg gibt den Doktor ab

4. Fazit

E Pluribus Unum (aus vielen eins).



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Geschrieben von

Matthias Dell

Filmverantwortlicher

Matthias Dell

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