Sensation statt Subversion

Medientagebuch „Art and Press“ im Martin-Gropius-Bau thematisiert die Medienmacht mit aufklärerischem Anspruch - präsentiert vom Medienpartner "Bild"-Zeitung

Kunst braucht Kasse. Im Fall der aktuellen Art-and-Press-Aus­stellung im Berliner Martin-Gro­pius-Bau wollten Veranstalter und Kuratoren anscheinend auf Nummer supersicher gehen, einen Blockbuster zu landen. Die 56 beteiligten Künstler – darunter Gerhard Richter, Anselm Kiefer, Ai Weiwei oder Andreas Gursky – könnten illustrer kaum sein. Die Bild-Zeitung liefert als Medienpartner die Schlagzeilen dazu und hebt vier Wochen lang täglich „die sensationelle Kunstausstellung“ und ihre „Kunst-­Titanen“, „Ikonen“ und „Kult-Künstler“ ins Blatt.

Was für Bild ein Coup in Sachen Imagepflege, ist für das Konzept der Kunstschau fragwürdig bis peinlich. Wer der Kunst. Wahrheit. Wirklichkeit, so der Untertitel der Ausstellung, auf die Schliche kommen will, und zwar ­anhand von Werken, die mit den ­Medien und vor allem der Zeitung ­umgehen, der sollte die Diskussion des Themas nicht der größten deutschen Boulevardzeitung als Spielwiese ­überlassen.

Dass zwischen aufklärerischem Anspruch der Schau und Unterhaltungsdiktat des Medienpartners ein Widerspruch bestehen könnte, wurde in den Reden von Kulturstaatsminister Bernd Neumann oder künstlerischem Leiter Walter Smerling von der Bonner Stiftung Kunst und Kultur am Eröffnungsabend allerdings gar nicht erst thematisiert. Dass die Bild-Zeitung laut Chef­redakteur Kai Diekmann die mediale Begleitung der Ausstellung vor allem als Bildungsauftrag verstehe, blieb so auch unangezweifelt.

Wenig aufwühlend

Die Ausstellung selbst kommt satt und wenig aufwühlend daher. Das liegt zum einen an der nach Aufmerksamkeit heischenden Darstellung insgesamt: Wer da nicht alles dabei ist und extra für diesen Anlass Werke geschaffen oder ausgewählt hat! Zum anderen an der zum Teil fantasielosen Auswahl der Arbeiten, die die Sprengkraft des Themas rund um Wirklichkeit und damit auch um Manipulation in Kunst und Medien überdeckt.

Die großformatigen Fotografien von Andreas Gursky von einem Boxenstop oder von Korbflechtern in einer Fabrik in Vietnam sind bekanntermaßen nicht nur Dokument, sondern auch künstlich verdichtet. Einen neuen Raum für den Wirklichkeitsdiskurs über Kunst und Medien eröffnen die Kuratoren damit nicht. Der ausgestopfte röhrende Hirsch von Gloria Friedmann auf einem Stapel zerschredderter Zeitungen kündet vom Geltungsanspruch der Medien und macht den Papierverbrauch als einen Faktor für die Zerstörung von Wäldern als Lebensraum aus – und ist eher plakatives Statement als subtile Wahrheitsfindung.

Das immerhin schafft die Installation aus LED-Schriftbändern von Jenny Holzer mit Ausschnitten aus US-Verhörprotokollen von Terrorverdächtigen, die Vorverurteilungen und menschenverachtende Praktiken der Interviewer verdeutlichen. Was in den Zeitungen zu wenig Beachtung findet, bekommt im Museum als blinkende Botschaft die notwendige Aufmerksamkeit. Gregor Schneider beschwert sich in einem Interview, das in der Ausstellung zu sehen ist, über die Dramatisierung von Stoffen in den Medien in Bezug auf seine der Kaaba als zentralem Heiligtum des Islam nachempfundenen „Cube“-Installation – die hätten aus seiner Beschreibung des „Cube“ als „Zeichen der Toleranz“ ein „Mahnmal der Toleranz“ gemacht und die Diskussion über dessen Realisierung damit noch verschärft. Die Wahrheit ist ein sensibles Gut. Doch bleiben Feinheiten wie diese in der Ausstellung die Ausnahme. Sensation vor Subversion – ganz im Sinne der Bild-Zeitung.

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Geschrieben von

Cara Wuchold

Kulturjournalistin

Cara Wuchold

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