Denkmalberuhigte Zone

PLANWERK INNENSTADT Baugeschichte ist nur dann verbindlich, wenn sie sich gewinnbringend vermarkten lässt - wie das Berliner Beispiel »Ahornblatt« zeigt

Ein paar Leute mit Kameras suchen nach dem günstigsten Winkel, um die noch unversehrt aufragenden Blätter des Ahorns auf den Film zu kriegen, andere laufen um das Areal herum, schütteln den Kopf oder murren die Abrissarbeiter an. Die lassen unbeeindruckt vom Bagger die Trümmer des eingerissenen Versorgungstrakts zusammenschieben. »Wir machen, wofür wir bezahlt werden«, sagen sie. »Denkmal geschützt? Ist nicht unser Bier, gehen' sie rüber zum Senat.« Kaum dreihundert Meter Luftlinie entfernt. Der aber zeigt sich unbeeindruckt von den Protesten der unterschiedlichen Initiativen und den Vorwürfen des Architektur-Frevels aus spekulativem und politischem Kalkül. Senator Peter Strieder (SPD): Es gibt schon jetzt eine »übermäßige Anzahl von unpopulären Denkmälern in der Stadt«. Vor eineinhalb Wochen hat die Objekt Marketing Gesellschaft (OMG) aus Donaueschingen mit dem Abriss begonnen. Nur, von unpopulär kann keine Rede sein.

Bürgerinitiativen, Vereine, die Gesellschaft Historisches Berlin, der Bund kritischer Architekten, die Architektenkammer, Denkmalschützer, Anwohner, Unterschriften aus dem In- und Ausland versuchen, einen Bau zu retten, dessen Zerstörung einstimmig als »Verlust für die deutsch-deutsche Baugeschichte« bewertet wird. Das »Planwerk Innenstadt«, auf das sich Investor und Senat berufen, fußt auf einem historisierenden Grundriss, den es in dieser Form für die Berliner Fischerinsel nie gegeben hat. Offenbar ist Denkmalschutz nur dann verbindlich, wenn er sich gewinnbringend vermarkten lässt.

Das Ahornblatt an der Gertraudenstraße in Berlin-Mitte soll einer »nutzungsgemischten Straßenrandbebauung« weichen, die im Ergebnis, so die Senatsplanung, eine beruhigte, innerstädtische attraktive Wohnadresse mit Hotels, Büros und Läden möglich macht - das Übliche eben.

Und: das Ahornblatt ist ein Bau, der wie kein anderer ostdeutsche Moderne repräsentiert. Der parteilose Architekt Ulrich Müther, der das »Ahornblatt« baute, verband Einfallsreichtum, Formenfreude und gediegene ingenieurtechnische Kenntnisse, um die gleichförmige Industriebauweise aufzubrechen. Leichtigkeit, fast Schwerelosigkeit und Unangepasstheit setzte er bewusst gegen den DDR-typischen Architektur-Einheitsbrei. Darf es das wirklich gegeben haben?

Wer die Dachkonstruktion des Sony-Centers am Potsdamer Platzes bewundert, dürfte eigentlich einem östlichen Adepten freischwingender Bauweise die steinerne Anerkennung nicht versagen ... Aber die architekturgeschichtliche Seite des Konflikts ist nur ein Teil, der andere die Unterstellung, bei den um den Erhalt des in seiner Art einzigartigen Bauwerks Kämpfenden handele es sich mal wieder um Ostalgiker und weltvergessene Denkmalfreaks, die das aufstrebende Berlin auf eine Museumsinsel verkürzen wollten, mit dem auch Bewohner nicht viel anfangen könnten.

Die aber hatten protestiert und blieben ungehört. Es war zu spät, heißt es. Sie hatten auf die Wirkung der Gesetze des Denkmalschutzes vertraut. Das Rennen machten die, die ihr Kapital in fein abgezirkelten Großstadt-Arealen arbeiten sehen wollen, deren einziges Rezept für Urbanität Dichte zu sein scheint, deren Hochverwertungswahn dabei ist, die Berliner aus der Stadt zu treiben. »Solange die Betonspitzen des Ahornblattes in den Himmel ragen, kämpfen wir um den Erhalt des Gebäudes«, hält der Sprecher des Bundes kritischer Architekten dagegen.

siehe auch: Restauration oder Restaurierung

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