Im Kiewer Fegefeuer

Ukraine Ein blockiertes Parlament, eine schwache Regierung, ein machtloser Präsident: Die ukrainische Politik bestätigt derzeit nahezu alle im Westen vorhandenen Klischees

Die berühmten Kiewer Kastanien stehen in voller Blüte. Doch bei vielen Ukrainern halten sich Frühlingsgefühle in Grenzen. „Das Land ist krank”, sagt der Schriftsteller Juri Andruchowytsch. Der 49-Jährige zählt seit Jahren zu den kritischen Beobachtern der Kiewer Politszene. Tatsächlich kommt die Ukraine nicht aus den Negativschlagzeilen. Zuletzt sorgte Innenminister Juri Luzenko für Wirbel, als er auf dem Frankfurter Flughafen randalierte. Zurück in der Heimat, musste er angesichts der öffentlichen Empörung seinen Rücktritt einreichen. Doch Regierungschefin Julia Timoschenko lehnte ab. Seither blockiert die Opposition das Parlament. Und über allem schwebt die Finanzkrise: Die Ukraine taumelt noch immer am Rand des Staatsbankrotts.

Der Streit um den prügelnden Innenminister ist bezeichnend, denn der parlamentarische Protest richtet sich nur vordergründig gegen die Person Luzenko. Es handelt sich um einen weiteren Akt des an Intrigen reichen Dramas unter dem Titel „Machtkampf”. Dabei geht es schon längst nicht mehr um den Konflikt zwischen pro-europäischen „orangenen” Westukrainern und den Kreml treuen „Blauen” aus dem Osten. Über Timoschenko etwa, die Heldin der Orangenen Revolution von 2004, urteilt der Schriftsteller Andruchowytsch: „Sie hat keinerlei politische Position. Für sie zählt nur der persönliche Erfolg.”




„Jaceniuk verkörpert unsere Zukunft”, sagt Juri Andruchowytsch. Darin ist sich der Schriftsteller mit den meisten Beobachtern einig. „Die einfachen Menschen da unten haben die Intrigen da oben satt”, betont der Publizist Wolodymir Pawlow. Eine Gefahr sehen die Experten in der Nähe des Hoffnungsträgers zum verhassten Amtsinhaber. Andererseits hat Jaceniuk den Gesprächsfaden zu Timoschenko und Janukowitsch nie abreißen lassen. Andruchowytsch fürchtet dennoch, dass die anstehende Parlamentswahl für Jaceniuk zu früh kommen könnte. „Diesmal werden Timoschenko und Janukowitsch das Rennen wohl noch unter sich ausmachen. Doch egal, wer gewinnt: Ändern wird sich in der ukrainischen Politik wenig. Und das wird Jaceniuks Chance sein.“

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