200 Seiten sollen die Welt retten

Coutdown Es liegt ein erster Maßnahmen-Katalog für den Klima-Gipfel in Kopenhagen Ende des Jahres vor – er ist sehr lang, verwirrend und widersprüchlich

Was Unterhändler aus fast 200 Staaten jetzt als Grobskizze für ein internationales Abkommen zum Klimaschutz veröffentlicht haben, gilt weithin als minimale Chance, den Planeten vor den verheerenden Folgen der Erderwärmung zu bewahren. Das 200 Seiten starke Dokument wird derzeit in Bangkok erstmals diskutiert. Vertreter von 190 UN-Mitgliedsländern versammeln sich dort zum letzten großen Treffen vor dem Klimagipfel in Kopenhagen, der Ende November beginnt.

Auch Kyoto-Verweigerer

Der Entwurf enthält Hunderte von Änderungswünschen, die von den verschiedenen Verhandlungspartnern mit Blick auf die vorangegangene Version gewünscht wurden. Dies ließ das Dokument zeitweise auf nicht zu bewältigende 300 Seiten anschwellen. Noch hat der Text keinen offiziellen Status und muss erst formal bestätigt werden, bevor die Unterhändler daran gehen können, ihn nach und nach zu kürzen. Wir präsentieren hier die wichtigsten Schlüsselpunkte in redigierter Form und versuchen, die Bedeutung des Gesagten zu entschlüsseln.

Zunächst einmal reflektiert der Text die traditionellen Streitfragen, die einen Fortschritt bei den multilateralen Anstrengungen zum Klimaschutz seit Jahrzehnten behindern: Um wie viel sind die reichen Länder bereit, ihren Ausstoß an Treibhausgasen zu reduzieren und bis wann? Sind auch Schwellenländer wie China gewillt, die von ihnen zu verantwortende Verschmutzung zumindest ansatzweise einzudämmen? Wie viel Geld muss von den reichen Staaten an die Entwicklungsländer fließen, um deren Wirtschaft zu fördern und deren Zustimmung zu gewinnen? Wie kann die bereits vorhandene Verschmutzung der Erdatmosphäre kompensiert werden?

Nach den Regeln der UN müssen ausnahmslos alle Länder unterschreiben, bevor ein neuer Vertrag in Kraft treten kann – eine große Herausforderung. Ein neues Abkommen ist als Nachfolge-Dokument des Kyoto-Protokolls entworfen, dessen erste Phase im Jahr 2012 ausläuft. Weil die USA dieses Protokoll aber nicht unterzeichnet haben, müssen die Klimaverhandlungen umständlich zweigleisig geführt werden. Bei den Verhandlungen, an denen die USA nicht teilnehmen, wird darüber verhandelt, wie der Vertrag über 2012 hinaus verlängert werden könnte. Der Text, von dem hier die Rede ist, geht auf die zweite Ebene der Verhandlungen zurück, in die alle Länder einbezogen sind – auch die Kyoto-Verweigerer.

Wirklich beängstigend

Hinter den Kulissen nimmt die Skepsis über die Erfolgsaussichten von Kopenhagen immer mehr zu. Trotz des im Text enthaltenen Ziels einer Emissionsreduzierung der reichen Länder von 25,4 Prozent bis 2020, glauben nur wenige Beobachter, dass es einen Konsens geben wird. Stuart Eizenstat, der für die USA bei den Kyoto-Verhandlungen mit dabei war, meint dazu: „Mit großer Wahrscheinlichkeit wird Kopenhagen nur eine Zwischenstation auf dem Weg hin zu einer endgültigen Vereinbarung sein. Jedes Land sollte tun, was in seiner Macht steht.“ Der Schlüssel zum Erfolg liege darin, in Kopenhagen nicht von allen das Gleiche zu verlangen. Und ein führender EU-Beamter erklärte gegenüber dem Guardian: „Wir sind von der Idee abgekommen, über Ziele verhandeln zu können. Das war naiv. Es geht einfach nicht. Das Beste, was wir erreichen können, besteht darin, dass jedes Land tut, was es kann.“ Wenn man den Handel mit Emissionszertifikaten berücksichtige, sehe das Ergebnis am Ende mit großer Wahrscheinlichkeit so aus, dass die reichen Länder im Jahr 2020 mehr oder weniger genau so viel Kohlendioxid emittieren werden wie 1990. Dies sei wirklich beängstigend.

Übersetzung: Holger Hutt

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Geschrieben von

David Adam, The Guardian | The Guardian

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