Sympathie für die Putztruppe

Gewerkschaften Die Gebäudereiniger haben mit ihrem Streik ein wichtiges Ergebnis erzielt – auch politisch: Endlich melden sich die Niedriglöhner auf der tarifpolitischen Bühne

Fabriken liefern nicht mehr, Bahnhöfe und Flughäfen stehen still, Kranke werden nicht mehr gesund. Wenn Lokführer, Piloten und Ärzte streiken, merkt es das ganze Land. Die meisten von ihnen sind in einer schlagkräftigen Gewerkschaft, die wegen ihrer Geschlossenheit in den vergangenen Jahren sowohl Boulevardpresse als auch Bundesregierungen derart erfolgreich trotzen konnten, dass nun die bloße Bitte nach mehr Lohn ausreicht: Erst kürzlich hat das landeseigene Berliner Universitätsklinikum Charité der leise fragenden Ärztegewerkschaft Marburger Bund 7,5 Prozent mehr Geld zugesagt, obwohl die Hauptstadt hoch verschuldet ist.

Nun die Überraschung: Erstmals seit Jahren hat sich nicht nur eine der Spezialistengewerkschaften weitestgehend durchgesetzt. Nach ihrem Streik bekommen auch die vielen Putzfrauen und wenigen Putzmänner hierzulande mehr Geld – und zwar mehr als den im Niedriglohnsektor üblichen Inflationsausgleich. Überraschend haben sich die Gewerkschaft und die Arbeitgeber der Reinigungsbranche auf Tariferhöhungen zwischen 4,9 Prozent im Westen und 6,3 Prozent im Osten geeinigt: Künftig sollen Putzleute mindestens 8,55 Euro pro Stunde im Westen und sieben Euro im Osten erhalten. Ebenfalls vereinbart wurde eine betriebliche Altersvorsorge. Ursprünglich hatte die IG Bau zwar 8,7 Prozent gefordert, der Innungsverbandes des Gebäudereiniger-Handwerks aber nicht mal drei Prozent geboten. Außerdem fehlte den Gebäudereinigern zunächst alles, was für einen erfolgreichen Arbeitskampf nötig ist.

Weder bedienen Putzfrauen millionenschweres Gerät noch stehen Waren- oder Personenverkehr still, wenn Staubsauger und Wischmob mal liegen bleiben. Wichtiger noch: Nur knapp 60.000 der rund 500.000 Gebäudereiniger sind gewerkschaftlich organisiert – und wirklich gestreikt haben dann nicht mal 10.000 von ihnen. Doch die Reinigungskräfte hatten sie sich das erste Mal in der bundesdeutschen Geschichte überhaupt erhoben. Und die erschrockene Öffentlichkeit bemerkte, dass deren Job bisher kaum jemandem aufgefallen war. Hunderttausende Frauen und Männer wischten und saugten jede Nacht still und klaglos. Selbst nach Tarif blieben den meisten dafür nur fünf Euro netto die Stunde.

Die Streikenden standen stellvertretend für die fast sieben Millionen Niedriglöhner unserer Tage. Da rührte sich bei vielen das schlechte Gewissen. Und so hatte sich die Putztruppe Sympathie erkämpft. Da standen Studenten der Technischen Universität Berlin um 4 Uhr morgens auf, um den örtlichen Streikposten zu unterstützen. Da kamen Solidaritätsadressen von den konservativen Stammtischen der Polizei- und Chemiegewerkschaften. Da wünschten ausgerechnet die Grünen – die Arbeiter für gewöhnlich zur Mäßigung aufrufen – den Streikenden den Sieg im Tarifkampf. Anders als bei den Lokführern zeigte sogar die Boulevardpresse plötzlich Verständnis. Es lässt sich eben nur schwer vermitteln, einer Putzfrau gerade mal den bisherigen Osttarif von 6,58 Euro brutto zu gönnen.

Sicher, der Streik war wenig spektakulär, das Lohnplus ist es auch nicht: sieben Euro im Osten. Aber ein Arbeitskampf ist eben nicht nur ein Disput um Geld, sondern kann das politische Bewusstsein auch Unbeteiligter mindestens reizen: Wie sollen die ärmsten Schweine hierzulande, diejenigen mit den widrigsten Arbeitsbedingungen, künftig leben? Der Ausstand war ein politischer Erfolg. Zahlreiche Putzfrauen – oft Teilzeitarbeiterinnen nichtdeutscher Herkunft – galten bisher nicht einmal als klassische Klientel der Arbeitnehmerverbände. Sie haben nicht nur in der Gewerkschaft einen Platz erobert, sondern ihr Anliegen in die Fußgängerzonen getragen, vor die Universitäten und Kinos. Dieser Streik wurde nicht nur in Betrieben gewonnen, sondern auch in den Stadien und Kneipen.

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