Es ist wirklich erstaunlich, dass Spanien erst jetzt aufwacht und ein Aufruhr der Ausgegrenzten auf Ausdauer bedacht ist. Das Land durchlebt seit vier Jahren eine Wirtschafts- und Finanzkrise, in der einer sozialistischen Regierung nicht mehr einfällt als: Masshalten, Abwarten und in die Rezession sparen. Es grassiert eine Jugendarbeitslosigkeit (sie erfasst die bis 25-Jährigen) von sagenhaften 41 Prozent – es gibt 1,4 Millionen Familien, in denen niemand mehr einer Arbeit nachgehen und mit einem Verdienst rechnen kann. Das Staat alimentiert die derart Gestraften nach einem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld noch ganze sechs Monate mit einem Zuschuss von 400 Euro – dann ist Schluss und die Solidarität der Großfamilie ein letztes Refugium, bevor Kriminalität, Schwarzarbeit und Betteln zum Überlebenselixier taugen.
Spanien hat sich seit den späten neunziger Jahren mit seinem Immobilien- und Bau-Boom mindestens ebenso verhoben wie die USA und Irland. Als die Blase geplatzt war, taten die Banken als Gläubiger dieses Übermutes genau das, was in der Eurozone üblich ist, wenn sich in den Portefeuilles faule Anleihen und Kredite häufen – sie warteten auf Rettung durch den Staat, der prompt Systempflicht vor Sozialverantwortung zu setzen wusste. Zunächst einmal waren es Bürgschaften von 20 Milliarden Euro, die freilich bei derzeit kaum oder gar nicht abzulösenden Immobilienkrediten im Wert von 440 Milliarden Euro in den Depots der Banker nur temporäre Linderung brachten. Auch deshalb, weil auf absehbare Zeit in Spanien etwa eine Million Wohnungen und Häuser leer stehen und nicht verkauft werden können, es sei denn bei Preisnachlässen von 60 bis 80 Prozent. Was den Finanzinstituten als den Eigentümern irreparable Verluste bescheren würde – schließlich sind spanische Banken auch im gerade nicht über Gebühr satisfaktionsfähigen Portugal mit etwa 100 Milliarden Euro engagiert.
Im Augenblick kann der spanische Staat einfach nicht mehr tun, als ihm ein argwöhnischer Finanzmarkt erlaubt. Sollte sich Premier Zapatero zu weiteren Interventionen im privaten Banken- und Finanzsektor entschließen oder gar über staatliche Arbeitsbeschaffung nachdenken, träfe ihn mit Sicherheit ein Bannstrahl der Rating-Agenturen. Welche Konsequenzen das für den ökonomischen Leumund eines Landes hat, das genau genommen hoffnungsloser dran ist als Portugal, liegt auf der Hand. Man denke an die Zinsschübe, die Griechenland, Irland und zuletzt Portugal erfuhren, als sie mit Staatspapieren auf den Finanzmärkten hausieren gingen, um fällige Kredite bedienen zu können. Wenn Spanien gleichfalls unter den Euro-Rettungsschirm muss, wäre Souveränitätsverlust programmiert und auf die Bevölkerung bezogen schmerzhafter als in den anderen Schuldner-Staaten. Egal, wer dann das Land regiert – es würde sich um eine politische Führung mit begrenztem Mandat und von begrenzter Macht handeln. Die Demonstranten von Madrid bis Bilbao dürfen von einer solchen Regierung fordern, was sie wollen – sie wird ihnen nichts bis gar nichts mehr geben können. Der Aufstand kommt zu spät – der irrationale Immobilien-Boom und ein kreditfinanzierter Konsum über Jahre hinweg hätten aufgehalten werden müssen.
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