Manchmal hat man den Eindruck, es ist einfacher, einen Bauplan für ein neues Atomkraftwerk zu entwerfen als einen zufriedenstellenden Ausstiegsplan aus der Kernkraftnutzung. Tausende Wirtschaftslobbyisten wollen mitreden, Umweltorganisationen möchten gehört werden, die Anti-Atomkraft-Bewegung mobilisiert, in der Regierung fühlen sich Umwelt- und Wirtschaftsminister gleichzeitig zuständig. Hinzu kommen die Landesregierungen, die über den Bundesrat mitentscheiden, die Regierungsparteien und deren Fraktionen, eventuell soll auch noch die Opposition ins Boot geholt werden. All das kennt die Bundeskanzlerin.
Aber es gibt ein weiteres Problem: Wie lässt sich der Atomausstieg plausibel begründen, wie muss ein Gesetz aussehen, damit es vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand hat? Ansonsten droht die Regierung sich zu blamieren – und die ganze Diskussion beginnt von vorne.
Die unsichersten AKW zuerst vom Netz
Bei so kniffligen Fragestellungen wie dem Atomausstieg lässt sich die Regierung beraten – von der Reaktorsicherheits-Kommission und der Ethik-Kommission. Letztere hat diese Woche ihren Abschlussbericht vorgelegt. Darin heißt es: „In welcher Reihenfolge Atomkraftwerke vom Netz genommen werden, sollte sich nach ihrem verbleibenden Risiko und ihrer Bedeutung im regionalen Stromnetz richten“.
Ähnliches schlägt auch die Umweltorganisation Greenpeace vor. Sie hat den Bericht der Reaktorsicherheits-Kommission ausgewertet (den sie selbst als mangelhaft bezeichnet), eine Rangliste der gefährlichsten Kraftwerke erstellt und fordert, die Anlagen bis 2015 dieser Reihenfolge nach abzuschalten. Klingt logisch, oder?
Doch die Deutsche Umwelthilfe meldet Bedenken an: Wenn die AKW-Betreiber gegen ein solches Ausstiegsgesetz klagen, wird es gekippt, glauben die Umweltschützer. „Der Gesetzgeber darf in das Eigentum eingreifen, aber er muss schlüssig handeln“, sagt Geschäftsführer Rainer Baake, der unter Jürgen Trittin Staatssekretär im Umweltministerium war.
In der Tat dürfte sich die Sicherheit eines AKW wohl schwer gerichtsfest bestimmen lassen. Wenn dann auch noch die „Bedeutung für das regionale Stromnetz“ bewertet werden soll, ist ein Gezanke zwischen Bundesregierung und den einzelnen AKW-Betreibern vorprogrammiert.
Gleiche Laufzeit für alle
Der Vorschlag der Umwelthilfe: Ein Ausstieg nach Kalenderjahren. Jedes AKW darf 28 Jahre laufen, dann ist Schluss. Dieser Vorschlag ist nicht nur praktikabel, er ist auch logisch. Denn ginge es um die Risiken, müssten alle AKW sofort vom Netz. Keines ist nur annähernd ausreichend haftpflichtversichert. In Wirklichkeit richtet sich der Ausstieg nach wirtschaftlichen Erwägungen: Die Betreiber sollen ihre Investitionen wiedererhalten, samt „angemessenem“ Gewinn. Die Angst vor Klagen war auch der Grund, warum SPD und Grüne zu Regierungszeiten auf einen Konsens mit den Betreibern gesetzt haben und nicht schneller aussteigen wollten.
Nun wäre es für Schwarz-Gelb leicht, zu diesem Ausstiegsbeschluss zurückzukehren, schließlich hatten die Energiekonzerne dem bereits zugestimmt. Trotzdem sollte sich Merkel nicht darauf einlassen: Nach Fukushima darf nicht vor Fukushima sein. Und das Modell mit den Reststrommengen hat sich auch als großer Flop und riesiges Schlupfloch herausgestellt: Die Laufzeiten werden hin- und hergeschoben, manche Reaktoren fahren mit geringer Leistung – nur damit die ältesten AKW bis zur nächsten Bundestagswahl am Netz bleiben.
Das zeigt einen weitere wichtigen Punkt: Bei der Diskussion über eine „Revisionsklausel“ wird schnell vergessen, dass ein neues Parlament alle Entscheidungen problemlos rückgängig machen kann. Dagegen hilft nur: Vorher alle AKW abschalten.
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