Der Ayatollah spuckt Feuer

Iran Im März stehen im Iran Parlamentswahlen an. USA und EU sollten nun einen kühlen Kopf bewahren - sonst könnten sie unfreiwillig zu Wahlhelfern der Hardliner werden

Die folgenden drei Aussagen sind Tatsachen: Im März stehen im Iran Wahlen an, die für die Führung des Landes zu den entscheidendsten in der eigenen Geschichte zählen; diese Abstimmung findet in einer nicht nur außen-, sondern auch innenpolitisch brisanten Atmosphäre statt: Die Revolutionsgarden kontrollieren die Ölindustrie des Landes, die wichtigsten Wirtschaftsangelegenheiten, das Nuklearprogramm sowie die Öl- und Gasinfrastruktur. Je militarisierter dieses Votum wird, desto mehr profitieren die Hardliner um den Obersten Führer Ayatollah Ali Chamenei. Der hat den Urnengang eigens eine "potentielle Sicherheitsbedrohung" genannt. Warum verhängen die USA und die EU unter diesen Umständen Ölsanktionen, die – auch wenn sie nicht soweit gehen, dass man sie wie der US-Politiker Ron Paul als einen „Kriegsakt“ bezeichnen könnte – die Quelle von 60 Prozent der Einnahmen des Regimes drosseln?

Ali Chamenei spuckt – als Antwort auf diese Sanktionen – Feuer. Zu Wochenbeginn verkündete er, sein Land würde trotz allem nicht wanken. Bekräftigend teilte die Regierung mit, man habe in der Atomanlage Fordo, in einem bei der Stadt Qom 90 Meter tief in Felsgestein geschlagenen Bunker mit der Anreicherung von Uran begonnen. Und falls das Säbelrasseln an der Straße von Hormuz nicht ausreichend gewesen sein sollte, wurde die Nachricht mit dem Zusatz ergänzt, man beabsichtige in Fordo Uran auf 20 Prozent anzureichern. Dieser Anreicherungsgrad gilt als technische Schwelle für bombenfähiges Material. Der Ayatollah und die Revolutionsgarden scheinen alles zu tun, um eine Reaktion des Westens zu provozieren.

Kühlen Kopf bewahren

Die „Moderaten“ (eine bestenfalls relative Bezeichnung) bei diesen Wahlen sind Präsident Ahmadinedschad, sein Stabschef Rahim Mashai und die Gruppe von „Abweichlern“ um sie herum. Ob diese Männer im Kreise der Elite tatsächlich das Reformbanner in die Hand genommen haben, ist fraglich. Außerhalb davon sind die Oppositionsführer Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karroubi, denen es zu verdanken war, dass die letzte Wahl Mitte 2009 zu heftigen innenpolitischen Eruptionen führte, durch Hausarrest geschwächt. Auch eine Kampagne zum Boykott der Wahlen wird das Regime ohne weiteres ignorieren können. Der Wächterrat, ein konservatives Gremium von Klerikern und Rechtsgelehrten, wird noch in dieser Woche die Namen der vom Regime zugelassenen Kandidaten veröffentlichen. Angesichts der klaren Überlegenheit der Revolutionsgarden hat Ahmadinedschad drei Karten zur Hand: Er ist unberechenbar, er behauptet, über kompromittierendes Material über seine politischen Gegner zu verfügen. Er weiß, das dieser Urnengang vom Innenministerium organisiert wird.

Bei dem, was auf dem Spiel steht, wären die USA wie auch die EU dieser Tage gut beraten, die freundliche Einladung des Ayatollahs Chamenei abzulehnen, sich als Helfer für eine Wiederwahl der Hardliner zur Verfügung zu stellen. Denn Fordo bleibt unter Aufsicht der Internationalen Atomenergiebehörde. Kein Tanker wird am Durchqueren der Straße von Hormuz gehindert. Eine neue Runde von Nukleargesprächen mit dem Iran könnte in Sicht sein. Jetzt heißt es: Kühlen Kopf bewahren.

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Übersetzung: Zilla Hofman
Geschrieben von

Editorial | The Guardian

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