Ende Gelände

Dresden In Dresden gingen am Wochenende Tausende gegen eine Nazi-Demo auf die Straße, die nicht stattfand. Der einst größte Nazi-Aufmarsch Europas dürfte damit Geschichte sein

Am Samstag demonstrierten in Dresden laut Angaben des Veranstalters 10.000 Menschen gegen einen Naziaufmarsch, den es nicht gegeben hat. Bereits Ende vergangener Woche hatten die Kameraden ihren Aufmarsch in der Elbstadt abgesagt. Verständlich, denn aufgrund massiver Blockaden am 13. Februar hatten die Ordnungskräfte die Route ihres Trauermarschs anlässlich der Bombardierung Dresdens 1945 auf 1.200 Meter verkürzt.

Das bundesweite Bündnis Dresden Nazifrei hatte jedoch angekündigt, an den geplanten Aktionen am 18. Februar festzuhalten, um gegen das Demokratieverständnis der sächsischen Landesregierung und die Kriminalisierung von Antifaschismus zu demonstrieren. RednerInnen warfen der Landesregierung vor, nur geringes Interesse an der Aufklärung der Taten der rechtsextremistischen NSU zu zeigen und kritisierten die Kriminalisierung der Proteste in der Vergangenheit.

Nach der Repressionswelle

Dem Bündnis Dresden Nazifrei war es bereits in den beiden letzten Jahren durch Streckenblockaden gelungen, den Naziaufmarsch zu verhindern. Was in weiten Teilen der Öffentlichkeit als Erfolg der Zivilgesellschaft gefeiert wurde, war den sächsischen Sicherheitsbehörden ein Dorn im Auge. Sie reagierten im vergangenen Jahr mit einer bisher beispiellosen bundesweiten Repressionswelle gegen DemonstrantInnen und Initiatoren der Proteste, die in der so genannten Handydatenaffäre ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte. Das Bündnis hatte auf einer Pressekonferenz Anfang des Jahres kritisiert, Nazi-Gegner seien in Sachsen einem “politisch motivierten Verurteilungswillen” ausgesetzt. Blockierer wurden zu Geldstrafen verurteilt und die Staatsanwaltschaft Dresden beantragte bei fünf Abgeordneten der Linkspartei die Aufhebung der parlamentarischen Immunität, um wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz ermittlen zu können.

Dennoch, die Ereignisse in diesem Jahr haben gezeigt, die Stadt Dresden hat dazu gelernt. Zum ersten Mal seit knapp zehn Jahren haben die verantwortlichen Behörden nicht auf Biegen und Brechen versucht das Versammlungsrecht der Nazis durchzusetzen und haben damit auf Zusammenstöße von Gegendemonstranten und Polizei weitgehend verzichtet. Die NazigegnerInnen „konnten an den Orten demonstrieren, die für die vielfältigen Verletzungen ihrer Grundrechte stehen“, resümiert das Grundrechtekomitte in seiner Presseerklärung.

Über Jahre hinweg hatten sich Politik und Öffentlichkeit in Dresden nicht an dem Trauermarsch der Nazis gestört, die genau wie sie, an die Opfer des “Bombenterrors” der Alliierten erinnerten. Gestört haben immer die Anderen. Diejenigen, die sich gegen den Naziaufmarsch, gegen die geschichtsvergessene Klage über die deutschen Opfer, gegen die Abwesenheit von Mitgefühl für die Opfer des Nationalsozialismus und gegen das Ressentiment richteten, das die Alliierten als „Kriegsverbrecher“ anklagt. Gegen ein Gedenken, das den Mythos nicht ruhen lassen kann, wonach Dresden ein sinnloses Opfer gewesen sei, ohne militärische und industrielle Bedeutung im Zweiten Weltkrieg.

Den Aufmarschort madig gemacht

Mit den Ereignissen dieses Jahres dürfte der einst größte Nazi-Aufmarsch Europas endgültig Geschichte sein. Dies ist vor allem das Verdienst des Bündnisses Dresden Nazifrei, dem es seit Jahren gelingt, mehr als 50 Busladungen aus dem gesamten Bundesgebiet nach Dresden zu mobilisieren – ein Lehrstück. Denn sie haben nicht nur den Nazis einen beliebten Aufmarschort madig gemacht, sondern haben auch den Dresdnerinnen gezeigt: Wer über den Nazi-Aufmarsch nicht reden will, sollte zu Demokratie und Toleranz schweigen.

Währenddessen waren "Freie Kräfte", "Autonome Nationalisten" und Kameradschaften auch bei alternativen „dezentralen Aktionen“ wenig erfolgreich. Nach Angaben der Polizei beteiligten sich in Gera etwa 125 Rechte an einem "Trauermarsch". Laut Indymedia fanden in vergleichbarer Größenordnung auch spontane Ausweichdemonstrationen der Nazis in Worms, Fürth und Minden statt.

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