Die neuerlichen Sparmaßnahmen, die Spaniens neue konservative Regierung Ende der Woche verkünden will, könnten ihr gewaltig um die Ohren fliegen. Selbst Premier Mariano Rajoy spricht von einem „sehr, sehr ausgedünnten Haushalt“, der helfen soll, das Defizit zurückzuführen. Laut der Zeitung El País verlangt die EU von den Spaniern weitreichendere Kürzungen als von Griechen, Iren oder Portugiesen: „In der gesamten Geschichte unseres Landes findet sich keine vergleichbare Anpassung“, schreibt das Blatt. Als Reaktion hierauf sowie auf jüngste Veränderungen im Arbeitsrecht rufen die beiden größten Gewerkschaften nur vier Monate nach Antritt der neuen konservativen Regierung am 29. März zum Generalstreik auf
alstreik auf.Zusätzlich zu den bereits im Dezember angekündigten Kürzungen in Höhe von 15 Milliarden Euro wird Rajoy Schätzungen zufolge Einsparungen in Höhe von weiteren 40 Milliarden ankündigen. Viele erwarten drastische Kürzungen bei Gesundheit und Bildung. Nicht zuletzt die Finanzmärkte warten gespannt, ob der Premier vor dem Hintergrund bereits vorhandener Kürzungen im sozialen Bereich, dem Einfrieren der Löhne für den öffentlichen Dienst, der Privatisierungen und der 40 Zwangsräumungen pro Tag in ganz Spanien das liefert, was sie wollen.Bereits im Februar demonstrierten Hunderttausende gegen die Veränderungen im Arbeitsrecht, die von den Gewerkschaften als die „regressivsten in der Geschichte der spanischen Demokratie“ bezeichnet werden. Der jetzige Generalstreik wird darüber noch hinaus gehen: Hunderte Flugzeuge bleiben am Boden bleiben, der Nahverkehr wird zu Erliegen kommen, die Produktion wird de facto zum still stehen, und selbst die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln wie frischem Brot dürfte knapp werden.Welle der Solidarität Umfragen zufolge wollen 30 Prozent aller Lohnabhängigen sich an dem Streik beteiligen. Diese Zahl täuscht freilich über das wahre Ausmaß dessen hinweg, was die Indignados den „unsichtbaren“ Streik nennen. Mit der höchsten Arbeitslosenrate unter den westlichen Industriegesellschaften – 23 Prozent haben keinen Arbeitsplatz, bei den unter 30-Jährigen sind es mittlerweile 49, 9 Prozent – ist das Prekariat an Studenten, Zeitarbeitern, Unbezahlten, Einwandern und Alten enorm. Sie alle suchen noch Möglichkeiten, sich auf sinnvolle Weise am Generalstreik zu beteiligen und den Spielraum für die Bewegung der Indignados zu erweitern, die im Vorjahr mit ihren Zeltstädten und öffentlichen Versammlungen die weltweite Occupy-Bewegung ins Rollen brachten.Der Widerstand gegen die Sparmaßnahmen ist vielfältig. Die Iaiaflautas zum Beispiel sind Rentner und Großeltern, die aus Protest gegen Rettungspakete für Banken die Lobbies der Finanzhäuser, aus Protest gegen Preiserhöhungen im öffentlichen Nahverkehr Busse und aus Protest gegen Kürzungen im Gesundheitswesen Gesundheitsämter besetzen. Ihr Name spielt auf das spanische Wort für linkes Pack oder Gesindel - perroflautas an (wörtlich: „die mit Hund und Flöte“) und soll deutlich machen, dass man die Demonstranten nicht als die üblichen Verdächtigen etwa linke Aktivisten diskreditieren kann – iaia ist das katalanische Wort für Großmutter.Unterdessen haben in Valencia – einer der am stärksten betroffenen Gegenden - Studenten und Schüler gegen Kürzungen demonstriert, die dazu führten, dass Schulen und Universitäten nicht mehr ausreichend beheizt werden konnten, so dass viele in Decken gehüllt in den Seminarräumen saßen. Die Demonstrationen dagegen wurden brutal niedergeschlagen. Die Bilder von Schulkindern, die von der Polizei verhaftet werden, empörte die Menschen im ganzen Land und sorgte für eine Welle der Solidarität.Eine Art Kreativ-LaborAber das sind nur die sichtbarsten Aktionen. Im ganzen Land finden tagtäglich Widerstandsaktionen statt: Man denke nur an Dorfbewohner, die Autobahnen besetzen, weil das Unfallkrankenhaus für ihr Einzugsgebiet dichtgemacht wird. In diesem Zusammenhang wird der Generalstreik für die Indignados zu einer Art Kreativ-Labor, um neue Formen gesellschaftlichen Drucks zu erproben. Sie bewahren sich ihre Unabhängigkeit von den traditionellen Gewerkschaften, rufen die Menschen aber dennoch auf, sich an diesem „Streik für die 99 Prozent“ zu beteiligen. Viele Aktionen werden mit Meetings zur Verteidigung von der von einer Zwangsräumung bedrohten Mieter beginnen.Nur wenige können sich vorstellen, dass die Gewerkschaften unmittelbar Konzessionen erreichen, denn es sind höhere Mächte am Werk. Im April wird die EU Vertreter schicken, die sicherstellen sollen, dass Premier Rajoy nicht zurückrudert. Die Indignados bereiten sich unterdessen auf neue Mobilisierungen im Mai, den weltweiten Tag der Occupy-Bewegung und die weiteren Kämpfe des Jahres vor. Denn „ein defensiver Streik ist nicht genug“, wie auf dem Indignado-Blog Madrilonia zu lesen ist: Letzten Endes geht es bei diesen Kämpfen um einen neuen Gesellschaftsvertrag für die 99 Prozent.