Schon lange stecken Irland, Portugal und Griechenland in der Rezession. Jetzt hat es auch noch Spanien, England, Holland, Belgien und Italien erwischt. Nur ein Land boomt – noch: Die einstige Konjunkturlokomotive Deutschland, die längst in der EU zum Bremsklotz geworden ist. Ein konjunkturelles Zwischenhoch macht den wirtschaftspolitischen Stümper scheinbar zum Star.
Der Arbeitsmarkt brummt. Gerade ist die Arbeitslosenzahl wieder unter die Drei-Millionen-Marke gesunken. Es gibt 531.000 mehr Stellen und 182.000 weniger Arbeitslose als im Vorjahr. Deutsche Ware ist gefragt – aber nur im Ausland. Die eigene Nachfrage hat sich Deutschland mit Lohnzurückhaltung, Agenda 2010 und Hartz IV gründlich ausgetrieben. Im Februar 2011 lagen sowohl der Absatz des Einzelhandels als auch die Reallöhne in etwa auf dem Niveau von 1994.
Die Unternehmen konnten deshalb im Inland praktisch keine, im Ausland aber umso höhere Umsatzsteigerungen erzielen. Die Nahrungsmittelindustrie etwa hat von 2000 und 2008 den Inlandsumsatz um sieben, den Export aber um 72 Prozent gesteigert. Wachsende Löhne in den Absatzländern haben dies ermöglicht. Umgekehrt haben diese den Export erschwert. Italien etwa schreibt seit 2004 Außenhandelsdefizite – auch und vor allem im Handel mit Deutschland.
Abwertung ade
Gegen chronische Handelsdefizite half einst eine Abwertung. Doch dieser Ausweg wurde durch den Euro versperrt. Nicht ohne Grund, denn Abwertungen wurden von einzelnen Ländern dazu missbraucht, sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Allerdings kann man denselben Zweck auch erreichen, indem man die Löhne drückt und sich so beim Export einen Preisvorteil verschafft.
Der große Fehler des Euro liegt darin, dass solche versteckten Abwertungen nicht unterbunden werden. Dazu bräuchte es ein für alle Länder verbindliches Inflationsziel und eine koordinierte Lohnpolitik. Stattdessen hat man eine Obergrenze für die Staatsverschuldung eingeführt, was nur die Symptome bekämpft: Anhaltende Exportdefizite führen zu einer steigenden Außenschuld, die am Schluss zwangsläufig vom Staat geschultert werden muss.
Die hohen Staatsschulden der Südländer sind deshalb bloß das buchhalterische Gegenstückt zu den 1.200 Milliarden Leistungsbilanzüberschüsse, die Deutschland seit 2002 angehäuft hat. 2012 und 2013 sollen laut Frühjahrsgutachten weitere 295 Milliarden Euro Überschüsse dazukommen. Die Folgen sind katastrophal.
Panische Angst
Erstens haben die chronischen Überschüsse Deutschlands die globalen Kapitalmärkte nachhaltig zerrüttet. Tausende von Milliarden Euro Guthaben sind faktisch wertlos geworden. Um sie einzutreiben, müsste Deutschland Importüberschüsse anstreben. Doch nichts liegt dem Exportweltmeister ferner. Die Kapitalmärkte haben allen Grund, verunsichert zu sein. Ein Finanzkollaps bleibt jederzeit möglich und das lähmt die Wirtschaft.
Zweitens: Die Fixierung auf die Staatsschulden und die panische Angst vor den Kapitalmärkten haben zu einer sturen Sparpolitik geführt, die Europa lähmt. Die Wahlen in Frankreich sowie die Regierungskrisen in Holland und Tschechien zeigen nun aber, dass die politische Unterstützung für diese Politik schwindet. Deutschland erlebt zurzeit noch einen kleinen Boom – doch der Bumerang ist schon unterwegs.
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