Sie schenken das Land kaputt

Steuerpläne Statt schöner Bescherung sagt unsere Kolumnistin: Liebe Regierung, deine Geschenke will ich nicht! So eine Krisenpolitik ist gefährlich!

Ab Januar bekommt meine Familie mehr Geld: Mit zwei Kindern sind das 40 Euro Plus pro Monat. Anstatt mich aber höflich und artig zu freuen und zu bedanken, möchte ich am liebsten fragen, wohin ich das Geld zurück überweisen kann – ich will es nicht. Es klebt vielleicht kein Blut daran, wohl aber übergroße Dummheit und die verbauten Zukunftschancen vieler Kinder in diesem Land. Dabei klingt es ja zunächst nett, lieb und für manche vielleicht sogar logisch: Wir wollen den Familien mehr Geld geben, denn Familien sind uns wichtig - so die Botschaft der neuen Regierung. Und: Wir wollen die Leistungsträger dieser Gesellschaft entlasten – natürlich steuerlich. Es klingt so beschaulich schön, vor allem in Krisentagen. Sollte uns nicht warm ums Herz werden bei diesen Segnungen?

Mir wird es eher kalt. All diese Geldgeschenke sind reinste Eliten-Förderungs-Politik. Es wird denen nützen, denen es in der Krise noch immer recht gut geht. Von Steuerersparnissen hat nur etwas, wer überhaupt Steuern zahlt. Vom Mehr an Kindergeld hat die Hartz-IV-Familie überhaupt nichts. Der Ansatz, in Krisenzeiten zu investieren und in „Guten Zeiten“ zu sparen, ist sicherlich ein breiter Konsens. Doch die Frage, worin man in Krisenzeiten investieren sollte, ist stark umstritten. Eine liberale Finanzpolitik investiert am liebsten in die eigene Klientel. Die bürgerliche Mitte freut’s. Die Gegenseite möchte das Geld in den Institutionen des Staates sehen, vor allem denen der Bildung. Auf dieser Seite stehe auch ich.

Geld für Kitas, bitte!

Ich würde gerne das Mehr an Kindergeld zurückgeben, damit es in den Ausbau von Kinderbetreuungsmöglichen investiert wird. Denn dort liegt die Zukunft wirklich. Und ich meine nicht nur den quantitativen Ausbau: Auch die Qualität ist vielerorts verbesserungsbedürftig. Ein Betreuungsschlüssel von 4:1, wie er in finnischen Kindertagesstätten normal ist, ist ja sogar rein wirtschaftlich gesehen eine extrem gute Investition in die Zukunft. Jeder investierte Euro kommt um ein Vielfaches zurück in die Staatskassen. Sozialpolitisch ist es aber noch wichtiger. Projekte der sogenannten"kompensatorischen Erziehung", die es weltweit gibt, zeigen, dass vor allem die Förderung von sozial schwachen Familien und Kindern sich hinterher besonders auszahlt: Die Risiken sozial abgehängt zu werden verringern sich deutlich – was wiederum gut für die gesamte Gesellschaft ist.

In Deutschland machen wir gerade das Gegenteil. Nicht nur, dass wir an Hartz-IV-Empfänger eine Moral anlegen, die stark in Richtung Arbeitszwang tendiert und sie mit Negativerwartungen überfrachtet (Stichwort „Florida-Rolf“). Von all den Geschenken, die uns von der neuen Regierung beschert werden, kriegen sie nichts. Um hier einen vermeintlichen Ausgleich zu schaffen, wurde eine ganz besonders absurde Diskussion vom Zaun gebrochen: Die „Betreuungsgeld versus Gutscheinmodell“-Diskussion. Man solle doch den Eltern, die ihre Kinder zu Hause betreuen (ob nun freiwillig oder aus Mangel an Kindertagesstätten ist ja egal) auch Anerkennung gewähren, sagt die eine Seite. Anerkennung natürlich in Form von Geld. Davon haben wir ja gerade sehr viel übrig – so muss es scheinen. Nein nein! Schimpft die Gegenseite, ohne in Frage zu stellen, dass Geld verschenkt werden sollte: Das Geld muss in Form von Gutscheinen in die Familien, damit die Kinder auch wirklich direkt davon etwas haben (die Eltern sollen es ja nicht für Alkohol verprassen)! Andere fänden es am besten, Hartz-IV-Familien Gutscheine und dem Rest das Betreuungsgeld zu schenken. Einer Bewertung dieses Vorschlags enthalte ich mich lieber gänzlich, denn dafür fehlen mir einfach die Worte.

Eine absurde Geldgeschenk-Debatte jagt also die nächste. Dass nun sogar der Bundesrechnungshof die Verschuldung in scharfen Worten anmahnte; dass die Sozialforschung mit erhobenem Zeigefinger mittels Studien mahnt, dass Nachhaltigkeit wirklich völlig anders aussehen muss und gerade bei jenen ansetzen muss, die in der Gefahr sind, sozial abgehängt zu werden; dass viele Länder jetzt schon Probleme haben, ihre Schulen qualitativ zu erhalten – geschweige denn abzubauen – und nach den Steuergeschenken noch weniger Geld dafür haben werden – all das scheint weder Schwarz noch Gelb zu interessieren. Die Institutionen werden mehr und mehr kaputt gespart und diese Politik dann euphemistisch „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ genannt.

Katrin Rönicke, geboren 1982 in Wittenberg, studiert Erziehungswissenschaften und Sozialwissenschaften in Berlin und ist Mutter eines zweijährigen Jungen. Seit April ist sie Stipendiatin der Heinrich-Böll-Stiftung. Mit ihrer zweiwöchentlichen Kolumne über Gender- und Bildungsthemen im Freitag wird sie in den kommenden Monaten pausieren, da sie ihr zweites Kind erwartet. Zuletzt erschien von ihr auf freitag.de der Beitrag: "Gemeinsam oder gegeneinander?

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Katrin Rönicke

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