Brückentechnologie Verbrennungsmotor?

Diesel-Skandal: Der Wahlkampf bezieht sich vor allem auf das Auto. In der emotionalisierten Debatte werden seltsamerweise mehrere wichtige Aspekte nicht erwähnt.

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Da wird fabuliert, es gäbe eine Hexenjagd auf die deutsche Autoindustrie. Merkel, Schulz, Lindner bekennen sich zur Brückentechnologie Verbrennungsmotor und schlagen eine Bresche für den Diesel. Die WELT geifert schon seit Wochen wegen des goldenen Kalbs, das sie selbst als deutsch-nationale Identität erhöht, 2017 grüßt 1910.

Gerne wird dabei unterschlagen, dass Politik und Industrie gemeinsam Lösungen des Abgasproblems verhindert haben. Es nützt nichts, wenn die WELT darauf hinweisen, dass die Schadstoffemissionen seit 1990 gesunken sind und zugleich ihre Schädlichkeit für die Gesundheit anzuzweifeln. Das sind Nachrichten, die weder rational, noch dem Skandal angemessen sind.

Ich habe mich als Interessierter schlau gemacht, welche Möglichkeiten es gibt, um Verbrennungsmotoren sauberer zu machen. Und ich habe den Gas-Dieselmotor gefunden, generell um angeblich ca. 20% sauberer, bei NOX und CO2, Feinstaub fällt nicht an, wenn ich das richtig verstanden habe, Leistung entspricht heutigen Motoren. Die Lösung ist ein Dieselmotor mit Gastank. Gas ist der sauberste Brennstoff und der Dieselmotor scheint als Verbrennungsmotor für Gas sehr viel besser geeignet als der Ottomotor, wegen des höheren Drucks und der höheren Temperaturen, was Studien gezeigt haben. Ein solcher Motor sei im Grunde ein ganz normaler Diesel mit zwei Tanks: einen fürs Gas und einen für den Diesel. Ein spezielles Steuerungsteil modifiziert, wann wieviel von welchem Treibstoff in den Verbrennungsraum gelangt. Diese Motoren sind vom Verbrauch ähnlich sparsam wie ein Diesel, doch der Dieseltreibstoff wird nur für die Zündung gebraucht, ansonsten treibt Gas den Motor an.

https://www.heise.de/autos/artikel/Selbstfremdzuender-1956348.html

Die Entwicklungsphase hat ein solcher Motor bereits 2013, also vor 4 Jahren durchlaufen, ich nehme auch mal an, dass die Autoindustrie um die Möglichkeit weiß. Ein Fahrzeug mit einem solchen Antrieb dürfte serienmäßig nicht viel mehr kosten als ein normaler Diesel. Statt einem großen zwei kleine Tanks und dieses Steuerungselement. Bei so einem fetten SUV ab 40.000€ aufwärts dürfte sich das preislich kaum bemerkbar machen. Die Frage ist jetzt: warum taucht das in der Debatte nicht auf? Wenn der Verbrennungsmotor eine Brückentechnologie sein soll, warum wird Gas nicht als sauberster Treibstoff propagiert? Hat das strategische Neuer-Kalter-Krieg Gründe? Oder passt der Autoindustrie etwas nicht an der Perspektive? Kann man den Leuten nicht zumuten, zwei Zapfsäulen beim Tanken anzufahren? Wäre dieses Argument nicht sehr schwach hinsichtlich dem Mehr an Lebensqualität für alle, die ein solcher Motor verspricht, sowie der Erfüllung von rechtlichen Rahmen, die doch eigentlich selbstverständlich sein sollten?

Unglaublich, dass die Union und der rechte Diskurs eine emotionale Debatte anführen, die darauf abziehlt: sie nehmen uns unsere Autos weg. Wahlkampf auf niedrigstem Niveau und nach der Wahl wird alles wieder ausgesessen und der Beschiss am Kunden und Bürger geht ganz normal weiter.

Dabei geht ja auch niemand davon aus, dass binnen 13 Jahren alle Verbrennungsmotoren ersetzt werden können. Insofern hat der Verbrennungsmotor prinzipiell eine mittelfristige Perspektive. Die Forderung nach einem generellen Umstieg auf Elektroantrieb bis 2030, wie sie die Grünen propagieren, würden ja nicht bedeuten, dass bis dahin nicht schadstoffärmere Motoren als Brücke gebraucht werden. Theoretisch könnte die Industrie doch schon bald mit dem Bau und Verkauf dieser Autos beginnen. Warum tut sie das nicht, sondern riskiert rechtliche Konsequenzen für sich und alle Beteiligten? Und warum dringt die Politik nicht auf diese Motoren? Sehr seltsam...

Allerdings muss ich zugeben, dass ich skeptisch bin, wenn die automobile Zukunft rein elektrisch sein soll. Ich bekomme nicht das Argument aus dem Kopf, dass dafür die 2-3-fache Menge an Stromerzeugung erforderlich sei, was unmöglich mit Hilfe von Erneuerbaren in Europa gestemmt werden könne. Vielleicht ist es eine Option, wenn Europa Wüstenstromprojekte z.B. in den wackligen Magrebstaaten, verwirklichen würde? So eine untergegangene Utopie... auch hier: keine Perspektive.

Ich bedaure sehr die Verflachung des Wahlkampfes. Nicht nur auf dieser Ebene. Ich habe die These, dass Demokratien mit flachen Wahlkämpfen keine wirkliche Demokratiekultur verinnerlicht haben, sondern eher noch im Kaiserreich dümpeln, wie das Beispiel Verbrennungsmotor zeigt. Die Würde- und Respektlosigkeit von Politik und Medien wird meine Wahlentscheidung beeinflussen.

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Geschrieben von

4711_please

Seit jeher verfolge ich kritisch die Politik und kommentiere meine Analysen seit Jahren in diversen Medien online.

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