Genauso irre wie Trump

Kommentar Rezo hat es wirklich geschafft, die Union komplett zu entblößen

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Viel retten lässt sich da nicht
Viel retten lässt sich da nicht

Foto: Sean Gallup/AFP/Getty Images

Ich bin neulich in die Verlegenheit gekommen, einem 10-jährigen politische Grundfragen zu beantworten. Ist die CDU gut oder schlecht? Leider war es schon fast Schlafenszeit für den Kleinen und für eine politische Grundaufklärung hätte ich Tage gebraucht, eine Zeitspanne, die ich nicht mit dem Jungen verbringen konnte, ich war ja bloß zu Besuch. So habe ich ihm geraten, sich das Video von Rezo anzuschauen, da könne er sich informieren wie seine Generation über die CDU denke. Ein wenig Zeit blieb noch, um ein bisschen über die Reform des Urheberrechts zu sprechen, dann ging es ins Bett.

Danach hatte ich mir Gedanken gemacht, wie ich das didaktisiert hätte, was ich dem Jungen sagen würde. Ich würde mit der Weltpolitik anfangen, aslo mit Trump und Bolsonaro, und dann auf die deutsche Politik übergehen. Denn im Grunde sind die Politiker der Union ähnlich irre wie die Politiker jenseits des Atlantiks. Ich denke dabei an den langen Kampf um die Einführung des Mindestlohns. Was haben da die Neoliberalen gezertert: das würde die Arbeit verteuern, es gäbe mehr Arbeitslosigkeit, mehr Unternehmenspleiten und es würde die Wirtschaft schwächen, weil die Konkurrenzfähigkeit sinken würde. Ganz vorne dabei Schäuble, Altmeier, Kauder, aber auch Lindner, Weidmann und der BdI, sowie die ganze Riege der deutschen Nationalökonomen. Nachdem dann die Republik als letzte in der EU und in der OECD den Mindestlohn eingeführt hatten, gab es einen Aufschwung: das Bruttoinlandsprodukt stieg, die Arbeitslosigkeit sank und Betriebspleiten wegen des Mindestlohns gab es nicht. Von Einbüßen der Konkurrenzfähigkeit gab es keine Spur. Alle Argumente dagegen, sie haben sich als vollkommen irrelevant, als Fake entpuppt. Warum waren also die Neoliberalen dermaßen realitätsfern und warum waren die Widerstände so groß etwas international so selbstverständliches wie den Mindestlohn einzuführen? Ich weiß nicht, was ich dem Jungen an diesem Beispiel hätte erklären sollen. Sind diese Leute einfach nur Arschlöcher, die selbst den untersten Lohngruppen die Butter auf dem Brot nicht gönnen? Sind es ideologisch Verblendete, die einer Lehre folgen, die sich als Irrtum entblößte? Leben diese Leute in einer Blase und haben den Kontakt zur Realität verloren? Ich weiß es nicht.

Ein anderes Beispiel ist die Anerkennung von Hebammen. International hat diese Berufsgruppe einen guten Ruf, meist handelt es sich um Akademikerinnen mit international einem akzeptablen Einkommen. Nicht so in Deutschland. Jahrzehntelang kämpften die Frauen um Anerkennung und einen akademischen Grad. Erst vor wenigen Wochen hat Jens Spahn die Berufsbedingungen verbessert. Nicht, weil die deutsche Politik den Forderungen der Hebammengewerkschaft nachgegeben hätte, sondern weil es ein EU-Gestez gab, das die Republik zu einer Verbesserung der Arbeitssituation zwang. Weil diese jedoch jahrzehntelang miserabel war, gibt es bereits seit Jahren eine Geburtsklinikkrise. Warum hat die Politik diese Krise so eskalieren lassen und nicht viel früher internationale Standards in der Geburtshilfe durchgesetzt? Weil die Verantwortlichen Arschlöcher sind und den Hebammen die Butter auf dem Brot nicht gönnen? Weil sie ideologisch verblendet sind und deshalb die Notwendigkeit einer Reform der Berufsausbildung und der Bezahlung nicht in die Wege leiteten? Oder weil diese Leute in einer Blase leben und mit der Realität und der Wichtigkeit eines funktionierenden Geburtsmanagements entkoppelt sind? Dies sind bloß zwei Beispiele von vielen ähnlichen, bei denen ich die Gründe für die Bräsigkeit der neoliberalen Unions-Politik nicht erklären kann.

Diese beiden Beispiele illustrieren die aktuelle Politik. Seit langem wissen wir, dass der Klimawandel real ist und durch von Menschen produzierten CO2-Ausstoß verursacht wird. Wissenschaftler warnen inzwischen, dass nur noch ein kurzes Zeitfenster um zu handeln geöffnet ist, die junge Generation protestiert und fordert ein Handeln ein, um die Zukunft zu sichern. Die Politik setzt sich seit Jahrzehnten Ziele, jedoch passiert nichts, die Union blockiert die Gesetzesvorhaben, die Ziele werden verfehlt. Zugleich werden die Demonstranten nicht ernst genommen, es wird von einer Klimahysterie gesprochen, von Kompromissen, die nötig seien. Es wiederholt sich, was sich am Beispiel des Mindestlohns und der Hebammen abspielte: statt zu handeln, nur Blockade, Verschieben, Beschwichtigen. Das Versagen der Union hat System.

Ähnlich verhält es sich beim Thema soziale Gerechtigkeit. Die Kaufkraft der unteren Schichten ist real seit den 70ern gesunken, während das Vermögen sich weiter bei nur einem kleinen Teil der Bevölkerung sich monopolisiert. Ich weiß nicht, ob ich dem Jungen sagen soll, dass der Begriff Volkspartei für die Union nur Propaganda ist. Denn eine Volkspartei hat ja den Anspruch für das Gesamtinteresse einer Bevölkerung zu handeln, nicht für ein Partikularinteresse. Beim Thema Schere der Einkommensverteilung, eine der wesentlichen Punkte für das Gesamtinteresse, verfolgt die Union jedoch mit ihrer Politik ein Partikularinteresse, eben jenes der wenigen, die immer reicher werden, während die mittleren und unteren Einkommen hinsichtlich der Steigerung des BIP nur wenig steigen, stagnieren oder sogar im langfristigen Vergleich sogar zurückfallen. Die goldenen Jahre der unteren Einkommen waren die 70er Jahre, seit Kohl die Regierung übernommen hat, sinken diese. CDU-Politik halt.

Die Antwort auf die kindliche Frage, ob die CDU gut oder schlecht sei, wäre also abschließend, dass die Union eine unfähige, ideologisch verbohrte, unpragmatische und verlogene Partei ist, bei der man nicht genau weiß, wie sehr sie durch die Lobby korrumpiert ist, und ob die Politiker nicht im Grunde Arschlöcher sind, denen es Spass macht, Leute auszubeuten. Was meint ihr, kann ich dem Kind das so sagen? Oder sollte ich ihm Politik anders erklären?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

4711_please

Seit jeher verfolge ich kritisch die Politik und kommentiere meine Analysen seit Jahren in diversen Medien online.

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