Eine Perspektive für die Flüchtenden

Naher Osten Merkel fehlt die „Innere Führung“, die eine wertegebundene Verantwortung braucht und ihr fehlt die Phantasie, wie es möglich wäre, Syrien zu befrieden.

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Grundsätzlich bedeutet der politische Ansatz, den Menschen eine Perspektive zu geben hinsichtlich einer kongruenten Asyl- und Außenpolitik die Ursachen für die Flucht anzugehen. Insofern stimme ich den Forderungen des Bundespräsidenten zu, für die Republik mehr außenpolitische Verantwortung zu übernehmen.

Gauck hinterfragt jedoch weder die Bedingungen, unter denen diese Verantwortung realisiert werden soll, noch spricht er über die schlechten Erfahrungen, die mit westlichen Militäreinsätzen verbunden sind. Mir scheint, als ob Gauck bloß als Sprachrohr des Apparates diese Forderung aussprach und nicht als oberster, unabhängiger Hüter der Verfassung, als den ich ihn gerne sähe.

Die Erfahrungen sind nämlich folgende: die Politik der Bundesregierung ordnet ihre Interessen dem westlichen Bündnis unter. Beim Irakkrieg der „Koalition der Wiligen“ gab es zwar ein deutsch-französisches Kontra. Doch dieses ist heute nicht mehr erkennbar. Dieser Krieg dauert 12 Jahre später im destabilen Irak an und ist eine Ursache für den Erfolg des „IS“, also Teil des Problems in Syrien und Irak heute. Der Einsatz in Afganistan war ein Desaster und hat das Land kaum stabilisiert.

Nun gibt es eine Reihe von Beispielen, an denen offensichtlich wird, dass die Interessen dieser Republik den US-Interessen untergeordnet werden. Das ist im Fall Snowden so, genauso wie bei der totalen Ausspitzelung. Obwohl die umfassende Spionage durch andere Staaten eine ungeheure Schändung der Souveränität eines Staates bedeutet, juristisch höchst strafbar, reagiert die Bundesregierung auf die Affaire wie auf ein Kavaliersdelikt. Dabei ist die Rolle der Geheimdienste von USA und GB beim NSU-Terror absoluter Hochverrat, weil es unglaubwürdig ist, dass die britischen und US-Geheimdienste als besondere Schutzmächte mit weitreichenden Spionagemitteln keine Ahnung hatten, wer in Deutschland ein Nagelbombenattentat verübte. Mal abgesehen davon, dass die Nagelbombe ein typisches faschistisch-terroristisches Mittel ist (z.B. London Ende der 90er Jahre), erinnere ich daran, dass es Bilder in bester Qualität der Gesichter und Gestalten sowohl beim Anschlag in der Keupstraße, als auch in einer Polizeiakte unter der Rubrik Bombenbauer gab.

Unter diesem Blickwinkel sind die außenpolitischen Bedingungen für Deutschland die eines Vasalls der USA. Mal wird man terroristisch unterwandert, mal politisch, mal ökonomisch. Deutschland muss sich in außenpolitischen Dingen den Interessen der USA auch dann unterordnen, wenn sie den eigenen widersprechen. Im Fall Snowden scheinen die Drohungen sehr massiv. Wie weit wirken sie sich insgesamt auf die Bewegungsfreiheit der Republik aus? Nun hätte Merkel 2012 im Sinne Gaucks eine außenpolitische Rolle als Vermittlerin in Syrien einnehmen können, wozu Assad sie einlud. Zu diesem Zeitpunkt gab es keinen Krimkonflikt, es gab die Interessen Russlands und der USA, so wie innersyrische Interessen. Durch die Festlegung, dass Assad unter allen Umständen zurücktreten und bei Wahlen weder er noch seine Partei mehr antreten darf, wurde ein Bürgerkrieg losgetreten, der einer lokalen Apokalypse gleichkommt. Hier hat weder Deutschland noch sonst ein europäisches Land einen Konsenz gesucht, der den Status-quo eines Baschad-Regimes hätte verändern können. Wenn Merkel sich eine UN-kontrollierte Wahl nicht als fair vorstellen kann, warum kritisiert sie die Unfähigkeit der UN nicht? Baschad war ja stets Minderheit in Syrien, eine Minderheit, die ebenfalls fürchtet, massakriert und vertrieben zu werden. Soll das eine Politik im Interesse Deutschlands und Europas sein? Deutschland macht eine Politik, die mehr Interesse an einer Ausgrenzung der Interessen Russlands hat, als ein deutsch-europäisches Interesse: ein friedlicher Übergang in Syrien. So wurde eine Eskalation des Bürgerkriegs kriegstreiberisch Vorschub geleistet. Es sind die Interessen des militärisch-industriellen Komplexes eines Staates, welcher in den arabischen Ländern einen verdinglichten Rachefeldzug nach dem anderen führt, zugleich einen kalten Krieg fortsetzt, in dem die Interessen des Gegners prinzipiell widersprochen werden.Merkel und Europa machen sich die Interessen der USA zu eigen, obwohl sie ihren Interessen widersprechen.

So bleibt Gaucks Forderung nach mehr außenpolitischer Verantwortung im Sinne eines stärkeren militärischen Engagements in der Welt perspektivlos. Eine Wahrnehmung der Verantwortung impliziert die Wahrnehmung der eigenen Interessen, und da müsste es bei der Spionageabwehr und Edward Snowden anfangen. In Syrien bedeutet es in erster Linie eine Vermittlerrolle, die die USA in die Schranken weist. Schließlich provoziert Europa ja auch nicht in Mexiko Bürgerkriege, aus denen Millionen Vertriebene Richtung USA fliehen. Sinnvoll wäre die Einrichtung einer sicheren Flüchtlingszone in Syrien, doch nach den Erfahrungen in Srebreniza ist eine solche Idee ziemlich korrumpiert. Um den Vertriebenen eine Rückkehrperspektive zu geben, wäre das Zuarbeiten auf eine friedliche Lösung in Syrien, z.B. in Form von gezielter Weiterbildung, nötig. Doch die Erfahrung zeigt, dass die Merkelära geprägt ist von einer Verantwortungslosigkeit, die Teil der Perspektivlosigkeit ist. Ich halte diese Bundesregierung nicht für vertrauenswürdig. Aus der Forderung nach einer Rückkehrperspektive wird sie eine Zwangsrückkehr unter allen Bedingungen machen. Und ich bezweifel ernsthaft, ob sie den Vorschlag Truppen aus Fremdenlegionären zu bilden, nicht zum kriegsüblichen Menschen zu Kanonenfutter macht. Denn Merkel und ihre Männer sind zutiefst autoritär, wie Griechenland gezeigt hat. Ihnen fehlt die „Innere Führung“, die eine wertegebundene Verantwortung braucht und ihnen fehlt die Phantasie, wie es möglich wäre, Syrien so zu befrieden, dass dort wieder Menschen leben können. Insofern ist das Flüchtlingsdrama ein Ausdruck des Desasters der Politik von Merkel.

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Geschrieben von

4711_please

Seit jeher verfolge ich kritisch die Politik und kommentiere meine Analysen seit Jahren in diversen Medien online.

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