Finanzindustrie betrügt deutschen Staat

Ex und Hopp Über Jahrzehnte plündert die Finanzindustrie das Bundesfinanzministerium und erbeutet zig Milliarden. Union und SPD sehen darin keinen politischen Skandal.

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Vor zwei Jahren war die Empörung hinsichtlich Griechenland auf dem Höhepunkt. Der bisher größte Shitstorm gegen einen anderen Staat der EU rollte. Tenor: die faulen Griechen schmarotzen auf unsere Kosten. Keine Solidarität mit failed states. Unser Geld gehört uns.

Gut zwei Jahre später offenbahrt der CUM-CUM-Ex-Skandal, dass diese Republik in ihrer Schludrigkeit im Umgang mit Steuergeld dem griechischen Staat von vor 2008 in nichts nachsteht. Um zig Milliarden Euros wurden jahrzehntelang der deutsche Fiskus betrogen. Erstaunlich, dass nun kein Aufschrei erfolgt. Dem „Michel“, wie sich die Kommentatoren gerne bezeichneten, ist es offensichtlich egal, wenn die Michelpolitiker Geld veruntreuen. Nur wenn andere Staaten schludrig sind und ihre Rettung Geld kostet schlägt die Empörung hoch, die eigene Schludrigkeit spielt keine Rolle.

Offensichtlich zeigt sich hier der Charakter des deutschen Nationalismus: es geht ihm weniger darum, dass die gezahlten Steuern der Nation gehören und in der Republik sorgsam investiert gehören. Denn sonst müsste ja CUM-EX eine genauso hohe Empörung entgegengebracht werden, denn der Kern des Grundes, weshalb man sich empört, ist im Fall CUM-EX und Griechenland doch eigentlich derselbe. Der deutsche Nationalismus ist also weniger patriotisch, sondern viel eher aggressiv ausgrenzend und völkisch orientiert. Sobald es nicht mehr um eine Nation geht, sondern um die international agierende Finanzindustrie, ist der Verlust von Staatsvermögen nicht empörenswert, obwohl Griechenland es nie auf einen Raub und Betrug der europäischen Steuerzahler angelegt hatte, die Finanzindustrie aber wohl. Juristisch wiegt ein Vorsatz sehr viel schwerer, beim deutschen Nationalismus - oder soll ich sagen beim sogenannten „gesunden“ Volksempfinden - wiegt ein völkisches Bewußtsein vor, welches Verluste aufgrund von Fehlstrukturen eines anderen Staates sehr viel höher wertet als die Fehlstrukturen des eigenen Staates, auch wenn beides zum gleichen Ergebnis führen.

Für mich ist der Diebstahl der Finanzindustrie eine schwere Verletzung meines Patriotismus, eine sehr viel größere, als die gefragte Solidarität mit einem EU-Staat, der aufgrund komplexer Zusammenhänge, eben auch internationaler, in die Krise geraten ist. Der größte Unterschied besteht darin, dass die realtiv übersichtlichen Schulden eines Staates auch teilweise weggedruckt werden können, vor allem in Zeiten zu niedriger Inflation, der Diebstahl von Steueraufkommen jedoch nicht.

Nun hat der parlamentarische Untersuchungsausschuß mit Mehrheit von schwarz-rot festgestellt, dass der CUM-Skandal keine Ursache hat im Versagen staatlicher Organe. Nun, von der Union habe ich auch nichts anderes erwartet, denn der Loser Schäuble („Mir war die Angelegenheit zu komplex“) ist ja für sie eine Ikone, die geschützt werden muss. Die Union hat ja auch keine Probleme damit, Steuerfahnder in die Psychiatrie einzuweisen. Doch warum versteigt sich die SPD in einer Angelegenheit, die so offensichtlich ein Staats- und Aufsichtsversagen beinhaltet, zu der Auffassung, dass Ministerium und Aufsicht keine Verantwortung tragen an zig Milliarden Verlust?

Die Parteien fragen sich, wie sie dem Rechtsextremismus Einhalt gebieten können. Der Untersuchungsausschuss zum CUM-Skandal gibt daraufhin eine Antwort, die verstört: wir sind selbst extremistische Mitte! Während Griechenland drangsaliert wird, Reformen durchzuführen, die Verluste des Staates einhegen sollen, steht Union und SPD für einen korrupten Staat, dessen Strukturen dem alten griechischen ähnlich sind. Während Griechenland jedoch Reformwillen an den Tag legt, bleibt es in dieser Republik bei der Verweigerung. Frankreich hatte die Schnauze voll von der alten korrupten Elite und wählte mit Macron einen Neustart der Republik. Und Deutschland versinkt in einem Schluderstaat, in dem Steuerhinterziehung und der Betrug am Steueraufkommen eine Bagatelle ist. Oder wird irgendein Anwalt, eine Bank zur Rechenschaft gezogen? Eher kommen Steuerfander in die Psychiatrie, das ist ja in dieser Republik üblich.

Der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses zum CUM-Skandal belegt, dass weder die CDU, noch die SPD eine geeignete Regierungspartei ist. Wenn die Grünen wieder in die Regierungsverantwortung kommen möchten, werden sie sich an der Korruption und den Gescheiterter-Staat-Strukturen beteiligen? Werden sie die Forderungen von Transparency international durchsetzen? Mir fehlen da sehr viel mehr rote Linien und der Biss, diese Republik zu erneuern. Und wie glaubt Schulz die SPD zu irgendwelchen Erfolgen führen zu können, wenn sie nicht einsehen, dass mangelnde Aufsichtsstrukturen einen enormen Schaden anrichten. Ist also der geschworene Eid der SPD genauso ein Meineid, wie jener der Union und FDP? Dieser Eindruck bleibt nach dem Abschlussbericht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu den CUM-Skandal.

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Geschrieben von

4711_please

Seit jeher verfolge ich kritisch die Politik und kommentiere meine Analysen seit Jahren in diversen Medien online.

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