NRW hat die Qual der Wahl

Gähn, gähn: Selten habe ich einen Wahlkampf als so langweilig erlebt, wie jenen in NRW 2017.

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Ich frage mich, wer sich durch den Wahlkampf angesprochen fühlen soll. Rentner? Familien? Langeweile kennzeichnete bereits die Regierungszeit von Hannelore Kraft, einzige Höhepunkte waren die Skandale in der Innenpolitik, von Sylvester 2015/2016 über den Berliner Terroranschlag im Dezember 2016 und dem Polizeigewerkschafter Wendt. Frau Kraft scheint mir viel abgetaucht zu sein, geräuschlos wie sie war.

Hauptaufreger im Wahlkampf sind die schlechten Wachstumszahlen. Ich gehe davon aus, dass sie einhergehen mit einer Austerität, wie sie von CDU und FDP lange gefordert wurde. Doch der Slogan „Schuldenkönigin“ wird in diesem Wahlkampf nicht mehr verwendet, nun richtet sich die Opposition vielmehr gegen das schwache Wachstum, was der Regierung Kraft angelastet wird. Erstaunlich, dass die CDU/FDP denkt, ich würde da die Zusammenhänge nicht erkennen, aber wahrscheinlich werden sie mit ihrer Propaganda für die Unzufriedenen Erfolg haben.

Aufregung gab es kurz, als Merkel laut WDR meinte, dass NRW sein Infrastrukturbudget des Bundes nicht komplett abrufen würde. Kraft erwiderte: die Kanzlerin verbreite Fake-News, seit 2012 würden alle Mittel abgerufen, zum Teil auch darüber hinaus. Danach: Funkstille. Gähn! Verbreitet die Kanzlerin nun Fake-News und ist das ihr einziger Beitrag zum Thema Infrastruktur oder was? Den Unterhalt der Infrastruktur und das Abarbeiten des Sanierungsstaus als Wahlkampfknüller - nochmals gähn. Wenn sie wenigstens sagen würden, dass es mehr Mittel, mehr Beschäftigte geben wird, dass man die Anstrengungen erhöht, um schneller nachzuarbeiten, aber nein, es bleibt ja offensichtlich beim Status-quo, egal was gewählt wird. Kann Wahlkampf noch verblödender sein?

Die maroden Schienen- und Straßennetze sind vermutlich ein wahlentscheidendes Thema in NRW. Doch gibt es dazu keine Debatte. Letztens habe ich gelesen, dass es zu wenig Ingenieure und weitere Fachkräfte in Deutschland gäbe, um den Sanierungsrückstau mittelfristig zu lösen. Seltsam, ich dachte immer wir leben in einem EU-Binnenmarkt? Warum werden nicht mehr europäische Firmen für den Bau herangezogen? Vor allem, weil – zumindest in Köln – der deutschen Bauwirtschaft nicht mehr viel zugetraut wird, nachdem sie die Stadt durch dilettantischen Tiefbau zerstört haben. Keiner erklärt mir, wie bei den vielen Baumaßnahmen solche Katastrophen in Zukunft verhindert werden sollen. Das verunsichert die Leute, was zu Widerständen führt, die die Baumaßnahmen zurecht verzögern werden. Im Übrigen fällt mir in dieser Republik auf, dass in Bayern die Infrastruktur ziemlich gut ist, ähnlich auch im Osten, dass aber Schleswig-Hostein, Niedersachsen und NRW (und andere) abfallen. Ich denke schon, dass diese Ungerechtigkeit daran liegt, dass Bayern fast als Abo den Bundesverkehrsminister stellt. Bayern sitzt halt näher an den Fleischtöpfen und generiert sich darüber sein Wachstum einfach selbst. Deutscher Filz-Föderalismus halt, der in NRW als Wahlkampfmunition taugt. Gähn...

SPD/CDU/GRÜNE/FDP propagieren ein „weiter so“, mit geringen Nuancen. Es wird keine Perspektive geboten, wie es denn mit dem Strukturwandel in NRW weitergehen, wie die zunehmende Armut in NRW gestoppt werden soll. Es geht nur darum, welche Partei sich am ehesten zum Wohlfühlen eignet. Kann man das als Ausdruck einer Gesellschaft analysieren, die immer älter wird, was meint, dass Zukunft mehr Gegenwart und Vergangenheit bedeutet als wirklich Zukunft?

Der Wahlkampf der Parteien ist also eine Frechheit. Als Konsequenz werde ich vermutlich eine Splitterpartei wählen.

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Geschrieben von

4711_please

Seit jeher verfolge ich kritisch die Politik und kommentiere meine Analysen seit Jahren in diversen Medien online.

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