Zu den deutschen Handelsüberschüssen

Sie waren Weltmeister: Ist das deutsche Wirtschaftsmodell noch haltbar? Oder geht Trump und der Brexit der Deutschland AG an den Kragen?

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Die Situation ist schon absurd. Deutschland generierte im letzten Jahr einen Handelsüberschuss von 311 Mrd. €. Mal wieder feiert die deutsche Regierung und Wirtschaftselite sich selbst als „Exportweltmeister“. Ganz offensichtlich verbirgt sich hinter der Exportmaschinierie ein Nationalbegriff.

Deutschland ist Exportweltmeister. Das klingt wie: Deutschland ist Fußballweltmeister. Simple Analogien in der Propaganda der Regierung. Bedient wird ein nationalistisches „Wir sind wieder wer!“ und ein „Wir sind Weltmeister!“. So sollen selbst die Abgehängten noch am falschen Pathos des Wir-Nationalismus teilhaben. Das ist in mehrfacher Hinsicht gefährlich, dumm und nicht nachhaltig.

Globaler Handel ist ein Spiel, was sich grundsätzlich von Sport unterscheidet. Die Regeln sind sehr einfach: wirklichen Wert haben nur die Waren und Vermögensgegenstände, die Zahlen in irgendwelchen Hochleistungsrechnern können von heute auf morgen kollabieren. Geld ist ein Mittel, keine Ware, und wenn man sie zu einer macht, dann ist sie verderblich. Das Kapital, oder das Ersparte, muss in einer Wirtschaftskrise als erstes dran glauben. Das gilt im Außenhandel ganz besonders, deshalb ja die Bürgschaften. Und da Exporte und Importe im globalen Modell ausgeglichen sein müssten, um Ungleichgewichte zu vermeiden, die eine Pleite wahrscheinlicher machen, beinhalten die Maastricht Kriterien auch eine ausgeglichene Handelsbilanz, zumindest im Binnenmarkt.

Schäuble/Merkel/Gabriel verstoßen also permanent gegen jene Kriterien, die sie bei anderen Ländern so hoch halten, dass sie zur Knute werden. Erstaunlich, dass Frankreich das mitmacht. Wahrscheinlich ein Deal, weil sie ja die 3% Verschuldungsgrenze reißen.

Mal ganz davon abgesehen, dass es den europäischen Binnenmarkt sprengen wird, wenn diese Ungleichgewichte dauerhaft etabliert werden, es schadet auch dieser Republik, wenn das Ersparte, also das Kapital en gros, global geparkt wird. Es gibt Probleme der Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus? Anstatt das Problem anzugehen und Strukturen zu entwickeln, die Erspartes sinnvoll anzulegen wissen, freut sich die Regierung und die Elite über den Kapitalexport. Für Konservative müsste das doch eigentlich eine Schande sein, schließlich gehörte der Wohnungsbau vor 100 Jahren in den Aufgabenbereich der Unternehmen? Warum heute nicht Pensionsfonds, Pfandbriefe-Emittenten etc.? Eine Schande, wie sich der schlanke Staat aus seiner Verantwortung entzieht.

Das Modell der Handelsüberschüsse ist überhaupt nicht nachhaltig. Mein Eindruck ist, dass da ein paar Egozentriker in der wirtschaftlichen und politischen Elite nur auf den gegenwärtigen Flow zocken und nach ihnen die Sintflut. Denn selbstverständlich werden die globalen Ungleichgewichte sich irgendwann rächen, in dem ein überschuldeter Staat nicht mehr bedienen kann. Ist ja nichts Neues, dass so was regelmäßig vorkommt in der Welt und dass Export-/Import-Ungleichgewichte Pleiten eben wahrscheinlicher macht.

Nun weht aber globalpolitisch Gegenwind. Trump will die Überschüsse reduzieren, weil seiner Meinung nach zu wenig in den USA investiert wird. Er will das Kapital dazu bringen, zu investieren. Der Brexit bedeutet generell eine Unsicherheit über zukünftigen Handel zwischen der EU und GB. Was macht die deutsche Regierung? Hält unbeirrt am Plan „Exportweltmeisterschaft“ fest. Dabei wäre es jetzt Zeit für eine Neubesinnung, um Strukturen schaffen, die Investitionen möglich machen. Für mich als Beobachter ist dieser Hurra-Patriotismus abstoßendes 19. Jahrhundert.

Es ergibt sich aus den Erkenntnissen über die Problematik der Handelsüberschüsse die Forderung, selber mehr zu investieren. Ich bin zudem für eine europäische Schuldenkonferenz, um zusammen mit den anderen Euroländern die selbstverschuldeten Defizite der Bankenrettung zu streichen oder wegzudrucken. Eine halbe Billionen Schulden nur in Deutschland an die nächsten Generationen weiterzugeben, dabei aber gleichzeitig die Ersparnisse über Rekordtief-Zinsen zugunsten der öffentlichen Haushalte umschichten, warum nicht gleich einen gerechten Ausgleich der Unwuchten der Finanzkrise über eine gemäßigte und zeitlich befristete Inflation bei Anstieg der Zinsen? GB hatte es 2008 vorgemacht und noch vor kurzem hat Merkel den Briten sogar eine gute Finanzpolitik bestätigt. Geht es eigentlich noch schizophrener als die deutsche Finanz- und Wirtschaftspolitik? Und noch seniler im Umgang mit neuen globalen Herausforderungen?

http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/deutscher-aussenhandelsueberschuss-ist-kapitalexport-und-schadet-d-a-1111265.html

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4711_please

Seit jeher verfolge ich kritisch die Politik und kommentiere meine Analysen seit Jahren in diversen Medien online.

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