Hühnerhaufenkampagne

Zu den Panzerlieferungen Die Union weiß nicht, ob sie möchte, dass die Ukraine auf die Krim verzichtet, aber sie fordert eine kopflose Bewaffnung

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Die Debatte über Panzerlieferungen nimmt kein Ende. Dabei handelt es sich weitgehend um eine Fake-Debatte und um eine Debatte, die vom Thema Klimawandel und EE total ablenkt.

Gestern habe ich eine Debatte mit Röttgen und Politik-Prof. Merkel auf Phönix gesehen. Da kritisiert Röttgen eine Führungslosigkeit von Scholz und stellt die Frage der Panzerlieferung so dar, als würde die Regierung nichts liefern. Er unterstellt Scholz, nicht offen und transparent zu sein, weil er glaubt, dass die abgegebenen Erklärungen nicht zutreffend wären. Er sagt, Scholz handele nur aus Angst, ein Motiv, das bei Putin nicht ziehe. Auf die Erwiderung, es gehe um Verantwortung, nicht um Angst, beteuert Röttgen, dass er Scholz die Motivation Verantwortung nicht absprechen wolle. Am Ende beschreibt er sein eigenes Kriegsziel: Rückeroberung des Donbass, Verzicht auf die Krim.

Das passt alles von hinten und vorne nicht zusammen. Denn selbstverständlich liefert die Regierung Waffen, sorgt für Ausbildung daran, gibt Geld. Die Frage ist konkret, ob deutsche Panzer im Alleingang geliefert werden sollen. Röttgen befürwortet Alleingänge und gibt das als deutsche Führung in Europa aus. Nur zur Erinnerung: der Alleingang Deutschlands Kroation anzuerkennen hat mit dazu beigetragen, dass die jugoslawischen Separationskriege samt ethnischer Verfolgung in Folge der einsamen Entscheidung Kohls derart undiplomatisch ausbrachen. Obwohl die Ukraine Erfolge auch dank deutscher Waffenlieferungen zeitigt, stellt Röttgen das dar, als gäbe es gar keine Lieferungen. Und dass die Ukraine nicht aktuell mindestens 50 Panzer erobert hätte und 40 griechische Ringtauschpanzer erhält. Röttgen will die Ukraine offensichtlich mit Panzern fluten.

So wie Röttgen gebe ich zu, keine genauen Militärkenntnisse zu haben, weder was die Ukraine, noch was die Verbündeten, noch was die Bundeswehr betrifft. Außer der Regierung und den aktiven Generälen wird wohl kaum jemand genau wissen, was abgeht. Wenn Röttgen nun das Kriegsziel hat, dass die Ukraine auf die Krim verzichtet, während die Ukraine das erklärte Kriegsziel hat, die Krim rückzuerobern, dann fällt auf, dass die Union überhaupt keinen Plan hat, wie sie diese Kriegszieldifferenz politisch bewertet. Der Ukraine endlos Waffen zu liefern, gleichzeitig aber eine Beschränkung des Krieges befürworten, das nenne ich vollkommene Konfusion. Dabei gibt Röttgen zu, dass über die Kriegsziele in der Union nicht gesprochen wird. Also ein Hühnerhaufen.

Die Konfusion nenne ich auch Verlogenheit. Die Union hat beschlossen, ihre Oppositionsrolle krawallig zu gestalten. Mit der schrägen Debatte um Waffenlieferungen, die in allen anderen Ländern der Verbündeten eine Geheimsache sind, die die Generäle und Diplomaten miteinander aushandeln, weil ja für konkrete Urteile, wer welche Art von Waffen und wieviele liefern könnte oder sollte, schon ein äußerst detailliertes Verständnis der diplomatisch-militärischen Lage erforderich wäre, was eigentlich nur diese beiden Gruppen haben. Die Union, die die Bürger mit ihrem Krawall anheizt, um zu punkten und die Regierung unter Druck zu setzen, hat kein militärisch-diplomatisches Detailverständnis, Details sind auch eher störend bei Oppositionskampagnen mit militaristisch-populistischen Anstrich. Herr Röttgen betont sein Verantwortungsbewusstsein, das offensichtlich überhaupt nicht vorhanden ist. Die Verlogenheit äußert sich darin, dass ihm selbst seine Widersprüche offenbar nicht bewusst sind und dass er dabei für eine Krawallopposition steht, die einen Krawall-Hühnerhaufen darstellt. Das macht er in tiefer frommer Überzeugung, gerecht, aufrecht und und verantwortungsvoll zu sein. Au weia!

Mir wäre es lieber, D würde da so sein, wie die anderen Verbündeten: zurückhaltender in der Debatte, die eigentlich eine militaristisch-populistische Scheindebatte ist. Dieser Diskurs verdrängt die wichtige Debatte um Klimawandel und Energietransformation. Die Union fällt da auf mit ihrem Krawall, der ihre Wankelmütigket dokumentiert. Sie will auf Atomenergie setzen. Zu den EE sagt sie gar nichts. Dabei wäre genau das ein Punkt, wo die Regierung unter Druck gesetzt werden müsste. Zur Ampel gibt es keine Opposition in Sachen Ausbau der EE. Dieses Demokratiedefizit ist schon fatal.

Liebe Journalistinnen und Journalisten: ich interessiere mich für Details der Energiewende und möchte gerne erfahre:

Haben die Parteien selbst schon begonnen, die Gebäudeflächen, auf die sie direkt Zugriff haben, mit Solarzellen zu bestücken?

Was ist mit Gebäuden und Flächen der öffentlichen Hand?

Wurde schon geprüft, inwiefern die Autobahnen als Standort für die Installation von Solaranlagen geprüft?

Wie denken die Politikerinnen, den Ausbau der EE rasch voranzubringen?

Das ist ja nur mal eine Auswahl an Fragen, die wichtiger sind als militaristisch-populistische Detailfragen-Kampagnen der Hühnerhaufen-Opposition.

'Don't look up', anders kann ich das nicht mehr einordnen.

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Geschrieben von

4711_please

Seit jeher verfolge ich kritisch die Politik und kommentiere meine Analysen seit Jahren in diversen Medien online.

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