Brüggemann-Interview

Welchen Krieg haben wir? Im Interview "Gedanklich haben wir Krieg" werden einige bizarre Behauptungen / Einschätzungen geäussert. Nicht nur von Brüggemann, auch von den Interviewer:innen.

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Das umfänglich ausgebreitete Thema Beifall von der falschen Seite oder "Rechte Netzwerke" ist mittlerweile völlig uninteressant - ein verspätestes Scheingefecht.

Brüggemann reklamiert für sich "Fundamentalopposition zur Corona-Politik". Seine Aktion und die der anderen Künstler hätte sich vielleicht mal dazu äussern sollen, warum die Amazon-Beschäftigten keine medizinischen Masken tragen durften, weil sie dadurch das Recht auf zusätzlich Pausen bekommen hätten. Warum ist hier die Politik durch die Gewerbeaufsicht nicht eingeschritten? Das Beispiel verweist auf den blinden Fleck der "Kontaktbeschränkung", nämlich die Betriebe. Dass die Epidemiologen das nicht thematisiert haben scheint daran zu liegen, weil in dieser Zunft eine fundierte Kapitalismus-Kritik nicht eben ihre Heimat hat. Klare Vorgaben an die Dividenden-Daimler etc., die von Kurzarbeitergeld über Wasser gehalten wurden, hätte einiges gebracht.

Ein ganzes Jahr lang war klar, daß weniger Home-Office stattfand als möglich gewesen wäre. Hätte man die Betriebe und Büros genauso in den Blick genommen wie die Kultur und den privaten Bereich wären Millionen Kontakte unterbunden worden und die Kultur hätte durch sinkende Inzidenz sehr viel früher mehr Freiraum bekommen. Dieser Zusammenhang wurde von Herrn Altmeier erfolgreich aus der Schußlinie genommen.

Häufig finden sich Kulturschaffende sehr progressiv in der Pose ein proletarisches Milieu abzubilden. Die Entrechteten sind immer gut als Drehbuchstoff. Wenn es aber um das reale Leben geht, dann scheint Herr Brüggemann eher einem zynischen Relativismus zu frönen: Er meint zur Doku von der Intensivstation "wenn es da wirklich so hoch hergeht, dann steht ein Kamerateam einfach nur im Weg rum." Also liebe Intensiv-Pfleger: Stellt euch nicht so an, bisschen Streß kommt schon mal vor. Ihr klaut uns, der Kultur, die nötige Aufmerksamkeit.

Aus meiner Sicht wurde noch viel zu wenig über die Situation in den Krankenhäusern berichtet. Als fundamental würde ich demgegenüber eine Opposition bezeichnen, die versucht eine solidarische Antwort zur offiziellen Politik zu formulieren. Stattdessen hackt der Preisträger des Silbernen Bären der Berlinale auf anderen herum. Er bemüht den wirren Vergleich des Schützengrabens zur Intensivstation und schlußfolgert "hier zu Hause […] halten wir diesen Kampf für garnicht so richtig sinnvoll" und imaginiert "Wehrkraftzersetzung" durch seine Fundamental-Opposition. Wenn das mal keine "Heroisierung" seiner selbst ist, die er anderen vorwirft.

An dieser Stelle läuft das Interview dann vollends aus dem Ruder und die hippe Drehbuch-Konstruktion verliert sich im Schwadronieren übers Beliebige.

Ich ahne Schlimmes, wenn ich an künftige Debatten über den Klimawandel denke, die an existentieller Dramatik noch viel tiefer gehen werden.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

a-kunkel

Ich betreibe: ,,RÖSTER-das kritische Kaffee-Portal". Seit über 20 Jahren Fair-Handels-Aktivist und mittlerweile Kaffee-Experte / Kaffee-Workshops.

a-kunkel

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