Ein Appell an unsere Menschlichkeit

Dokumentarfilm Im Film »National Bird« von Regisseurin Sonia Kennebeck sprechen drei Veteranen der Air Force über emotionale Wunden, die das Drohnenprogramm hinterlässt.

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Sonia Kennebeck bringt Licht in das komplexe Thema der Drohnenmorde in Afghanistan, direkt und schonungslos. In ihrem Dokumentarfilm wird nicht für oder gegen den Drohnenkrieg argumentiert. Stattdessen zeigt der Film, dass es unterschiedliche Betroffene gibt. Heather, eine junge Frau, erzählt von ihren Erfahrungen als Datenanalystin für die US-Army. Zu Beginn Ihrer Tätigkeit beim US-Militär war sie erst 18 Jahre alt und überzeugt, das Richtige zu tun. Sie wollte helfen, terroristische Anschläge zu verhindern. »Ich dachte, ich war dabei die Welt zu retten«, erzählt sie. Heather wertete Aufnahmen vom Drohnenprogramm aus. Während die bewaffneten unbemannten Flugzeuge afghanische Gebiete filmten, musste sie entscheiden, ob die Live-Videos Frauen oder Kinder zeigten. Entsprechend beurteilte Heather als Erste, ob Männer über 16 Jahre erkennbar waren, also im sogenannten »wehrfähigem Alter«. Sie traf auch die Entscheidung, ob es sich bei einem Gegenstand in einer Hand um eine Waffe handeln könnte. Anschließend führten Kollegen die gezielte Tötung von »Zielpersonen« aus, und Luft-Boden-Raketen flogen auf die Opfer. Die Worte, die Heather in die Kamera spricht, sind ein Geständnis: »Ich war an der Tötung von Menschen beteiligt«.

Aufarbeitung und Suche nach Vergebung

Als Heather das erzählt, arbeitet sie nicht mehr für die Air Force. Die Kamera filmt sie während sie einen Klienten massiert. Heathers Stimme ist im Off zu hören: »Indem ich lerne, andere Menschen zu heilen, hoffe ich mich selbst heilen zu können«. Im Dokumentarfilm sind Werbeclips der Air Force zu sehen. Hochauflösende Bilder und immer wieder der Slogan »It's not Science Fiction«. Der Film zeigt emotionale Wunden, die das Drohnenprogramm bei Mitarbeitern hinterlässt, die nicht direkt im Kriegsgebiet sind, sondern am Bildschirm arbeiten. Neben Heather begleitet die Kamera zwei weitere ehemalige Angestellte der US Army, die Missstände öffentlich machen.

Die Zuschauer spüren, dass die Whistleblower über den zurückliegenden Lebensabschnitt viel nachgedacht haben. Sie wägen ihre Worte ab. Daniel erzählt, dass die Air Force ihn aufgenommen hatte, als er verzweifelt und obdachlos war. Lisa beschreibt das »dezentrale Bodensystem« als ein welt- und datenumspannendes Netz. Es sei so, als würden Grenzen keine Bedeutung mehr haben. Die Kameraperspektive wechselt zwischen Porträtaufnahme und Draufsicht: Eine Ästhetik ähnlich wie bei Google Maps. Später verringert sich die gefühlte Flughöhe, denn die Filmkamera ist offenbar an einem Quadrokopter montiert, eine Drohne. Im Hintergrund läuft der für den Film komponierte Song »National Bird«.

Im letztem Teil des Filmes erfahren die Zuschauer mehr über die unmittelbaren Erfahrungen und den Blickwinkel der Menschen in Afghanistan. Kinder, Frauen und Männer erzählen, wie sie ihre Angehörigen verloren haben. Sehr viele Menschen, die überlebt haben, verloren ein Bein oder beide Beine bei einem Angriff. Sie müssen das seelische Leid ertragen und mit dem Einsatz von Prothesen zurecht kommen. Dieser sehenswerte und mutige Film wurde für mehrere Preise nominiert, wie den »Amnesty International Film Prize« beim Berlin International Film Festival. Produzenten des Films sind Wim Wenders (bekannt für »Pina«, »Das Salz der Erde«), und Errol Morris (»Eine kurze Geschichte der Zeit«, »The Fog of War«).

Der Film wurde 2017 in wenigen Kinos in Deutschland gezeigt.

Ergänzung: Kurzzeitig war der Film unter dem Titel »Amerikas Drohnenkrieger« in der ARD Mediathek abrufbar (Anfang April).

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Geschrieben von

Tatiana Abarzua

Umweltingenieurin & Journalistin. Energiewendebewegt & Fotografiebegeistert.

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