Ökologisch nachhaltig? Reine Definitionssache

Nachhaltige Geldanlagen Die Debatte um Nachhaltigkeitsaspekte in der Finanzwirtschaft nimmt an Fahrt auf. »Sustainable Finance« soll Übergang zu einer umweltfreundlicheren Ökonomie finanzieren.

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Die Devise für nachhaltige Devisen lautet: Sustainable Finance. Das bedeutet, »dass Nachhaltigkeitsaspekte bei Entscheidungen von Finanzmarktakteuren berücksichtigt werden«, in den Worten der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die Strategie, die demnach verfolgt werde, sei die Finanzierung des Übergangs zu einer nachhaltigeren Wirtschaft. Konkret könnten laut BaFin anhand dieser Kriterien »Marktteilnehmer mit Zukunftschancen in einer umwelt- und klimafreundlicheren Wirtschaft« identifiziert werden.

Ein einheitlicher Definitionsrahmen für nachhaltige Geldanlagen

Die Einführung einer solchen Systematik hatte die Europäische Kommission bereits am 24. Mai 2018 vorgeschlagen: »Ein einheitliches EU-Klassifizierungssystem (Taxonomie): Der Vorschlag legt harmonisierte Kriterien fest, anhand derer festgestellt werden kann, ob eine Wirtschaftstätigkeit umweltverträglich ist.« Im Dezember 2019 einigten sich die Verhandlungsführer des Europäischen Parlaments (EP) und der Europäische Rat über neue Kriterien für die Definition von nachhaltigen wirtschaftlichen Aktivitäten (Kompromisstext vom 14. Dezember 2019). Am 28. Mai 2020 unterstützten die EP-Ausschüsse für Wirtschaft und Umwelt die bisherige Einigung über die definierten Kriterien. Wie auf der Website des Parlaments nachzulesen ist, kann eine Wirtschaftsaktivität »laut Verordnung als ökologisch nachhaltig bezeichnet werden, wenn sie einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung eines festgelegten Umweltziels beiträgt, ohne andere Ziele erheblich zu beeinträchtigen«. Anders gesagt: ohne die Gefahr, einen »signifikanten Schaden« zu verursachen (Grundsatz: »Do No Significant Harm«, DNSH). Schließlich wurde die EU-Taxonomie-Verordnung am 22. Juni 2020 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und trat am 12. Juli 2020 in Kraft. Das erste Umweltziel ist Klimaschutz in Artikel 2 beschrieben als »Vorgehensweise, den Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2 °C zu halten und Anstrengungen zu seiner Begrenzung auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu unternehmen, wie im Übereinkommen von Paris festgelegt«. Die anderen fünf in Artikel 9 definierten Umweltziele sind: Anpassung an den Klimawandel »den tatsächlichen und den erwarteten Klimawandel und dessen Auswirkungen« (Artikel 2) , die nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung sowie der Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme.

Ob ein einheitlicher Definitionsrahmen für taxonomiekonforme Geldanlagen nachhaltig ist?

2020 hat die Europäische Kommission einen Prozess eingeleitet, »um zu bewerten, ob die Atomenergie in die EU-Taxonomie umweltverträglicher Aktivitäten einbezogen werden soll oder nicht«. Am 29 März hat die Gemeinsame Forschungsstelle der EU (Joint Research Centre, JRC), das Ergebnis ihrer Bewertung in einem 387-seitigen Gutachten veröffentlicht (»Technical assessment of nuclear energy with respect to the ‘do no significant harm’ criteria of Regulation (EU) 2020/852 (‘Taxonomy Regulation’)«. In diesem bezeichnet das JRC die Auswirkungen der Atomkraft als vergleichbar mit denen der Offshore-Windenergie (»the total impact on human health of both the radiological and non-radiological emissions from the nuclear energy chain are comparable with the human health impact from offshore wind energy«). Nun hat die Kommission zwei Gremien damit beauftragt, diesen die Hochrisiko-Technologie Atomkraft als förderwürdig einstufenden JRC-Bericht innerhalb von drei Monaten zu überprüfen. Diese zwei sind eine Expertengruppe, die sich mit Strahlenschutz und Abfallmanagement gemäß Artikel 31 des Euratom-Vertrags befasst, und der Wissenschaftliche Ausschuss für Gesundheit, Umwelt- und neu aufkommende Risiken (Scientific Committee on Health, Environmental and Emerging Risks on environmental impacts, SCHEER).

Generell könnten aktuelle Medienberichte den Eindruck erwecken, dass die Atomlobby und deren Befürworter in der Politik langsam nervös werden, was die Finanzierung und Realisierung neuer Kraftwerke angeht. Denn sieben europäische Staats- und Regierungschefs Frankreich, Ungarn, Tschechische Republik, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien hatten einen Brief an Ursula von der Leyen, Frans Timmermans, Mairead McGuinness und Kadri Simson geschrieben und sie zu einer aktiven Unterstützung der Atomkraft aufgefordert. Sie beziehen sich dabei auf die Taxonomie für nachhaltige Investments, in der bisher Atomenergie eindeutig als grüne Investition ausgeschlossen war (entsprechend des »Do No Significant Harm«-Prinzips).

WEITERLESEN (Weiterleitung zum Gesamtartikel, der in den DGS News erschienen ist)

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Tatiana Abarzua

Umweltingenieurin & Journalistin. Energiewendebewegt & Fotografiebegeistert.

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