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Islamkritik Durch die AfD hat die Islamkritik den Einzug in die öffentliche Debatte gefunden, wieder einmal. Doch statt einer fundierten Auseinandersetzung dreht man sich im Kreis

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Wie weit kann die Islamkritik sich von ihren Vorurteilen lösen?
Wie weit kann die Islamkritik sich von ihren Vorurteilen lösen?

Foto: OEL SAGET/AFP/Getty Images

Eigentlich war das Thema schon abgearbeitet. Nach der Kölner Silvesternacht blitzte sie kurz im Januar auf, nach der verherrenden Anschlagwoche letzten Monat auch im März; und jetzt nach den Äußerungen einer Partei, die kurzzeitig aus dem öffentlichen Fokus geraten war, erneut. Es kam zumindest nicht ohne Vorwarnung; geleakte Mails des AfD Parteivorstands kündigten bereits im Vorfeld den neuen Programmschwerpunkt der Partei an, nachdem Asyl verbraucht sei und nichts mehr Neues mehr bringe. Dennoch schaffte es die Parteispitze das Thema, wie gewünscht, mit einem "großen Knall" öffentlich zu machen. Die AfD ist aus der medialen Ruhepause zurückgekehrt und über den Islam wird wieder diskutiert beziehungsweise er wird kritisiert.

Während dadurch zumindest einige überfällige Aspekte auf den Tisch von Entscheidungsträgern gelangen, wie beispielsweise der Umstand, inwiefern einseitige Auslandsfinanzierung von Moscheen auch einseitige Islamvorstellungen nach Deutschland bringt und auch die Trennlinie von konservativen Positionen wie der CDU und denen der AfD gezeigt, aber ein Großteil der Diskussion dreht sich im Kreis. Die meisten Argumente wurden irgendwie schon mal gebracht, die meisten Positionen irgendwo schon mal vertreten, vermeintliche Lösungen für irgendwann schon mal präsentiert.

Dabei wäre eine Islamdebatte wichtig. Vorbehalte gegen den Islam und Muslime sind deutlich präsent in Teilen der Bevölkerung. Gegen diese anzugehen ist eine wichtige Aufgabe, nicht nur zuletzt durch die vielen Flüchtlinge. Die Angst vor dem Fremden vermischt sich auch mit der Angst vor dem Islam; eine Auseinandersetzung mit dem Thema könnte dabei helfen dieser Angst entgegenzuwirken. Doch dafür muss die Debatte anfangen, einige Aspekte zu berücksichtigen.

Islamkritik - Scientifice it!

Es hat natürlich seine Berechtigung, wenn man Journalisten zum Thema Islam befragt und ihre Einschätzung einholen möchte. Wie steht der Islam zum Grundgesetz, zur Stellung der Frau, zum Terrorismus – sind alles Fragen, die in der Form früher oder später in den Diskussionen auftauchen und versucht werden von Journalisten zu beantwortet zu werden. Diese sind jedoch in den seltensten Fällen Islamwissenschaftler oder profunde Kenner des Mittleren Ostens wie Scholl-Latour oder Urlich Kienzle, sondern letztlich auch nur außenstehende Beobachter einer Religion und Region. Das disqualifiziert sie nicht automatisch für wichtige Beiträge, man sollte sich aber fragen, inwiefern es Sinn macht, die theologischen Ursprünge des Jihads oder die koranische Position zum Grundgesetz von Nicht-Experten erklären zu lassen.

Selbst Experten an sich sind nicht unbedingt von Fehlern gefeit. Der persönlich hoch geschätzte Kienzle machte beispielsweise in einem Interview einige nicht ganz richtige Aussagen in seinen Ausführungen; nannte den Wahabismus eine madhab (er ist hingegen Teil der hanbaliyya) oder behauptete, das Martyrium sei im Islam nicht verankert (es ist hingegen bei traditionellen Imamiten Teil des Glaubenkonzeptes). Dennoch sind seine Aussagen zum Jihadismus und des Panislamismus mehr als bemerkenswert, bilden jedoch leider die Ausnahme in der Debatte.

Wenn im Vergleich dazu Alexander Gauland von Muslimen fordert, die sari'a abzulegen, da diese sich mit dem Grundgesetz nicht deckt, wird das überdeutlich. Obwohl es öfters anders dargestellt wird, ist die sari'a alles andere als eindeutig fixiert (und nebenbei eine der kompexesten Themen in der Islamwissenschaft überhaupt).
Der Großgelehrte as-Suyuti hatte zum Thema folgendes zu sagen: "Mit den Schulen in ihrer Verschiedenheit [verhält es sich] so, als wären es mehrere sari'as, die alle in dieser einen sari'a vorgeschrieben sind, und diese eine sari'a ist wie eine Anzahl verschiedener sari'as, mit denen allesamt der Prophet gesandt wurde."

Welche "Göttliche Ordnung" insofern nicht zum Grundgesetz gehören soll, müsste zuerst geklärt werden. Wenn Leute wie Gauland diese bereits erarbeitet und dieser noch ihren Absolutheitsanspruch zugewiesen haben, wäre das eine ziemliche wissenschaftliche Leistung. Da übrigens zur Göttlichen Ordnung ebenfalls das Beten und andere Gottesdienste gehören, ist der Aufruf zum Ablegen dieser gar nicht so einfach für Muslime umzusetzen.

Der frühere Gottesdienst in Form der Kreuzzüge wird auf anderer Seite oft angeführt, um den Islam in Schutz zu nehmen und zu zeigen, dass das Christentum auch seine Fehler hatte. An sich eine edle Geste, jedoch werden die Kreuzzüge viel zu sehr historisch verklärt, als dass sie für diese Form der Argumentation wirklich taugen würden. Da einerseits das Konzept Islam gegen Christentum nicht wirklich galt (die "islamische" Welt war heillos zerstritten und in Bagdad und Isfahan kümmerte man sich relativ wenig um die Geschehnisse in der Levante, auf der anderen Seite versetzten den letztlichen Todesstoß gegen das Byzanztinische Reich die Kreuzritter des 4.Kreuzzuges 1206) und es neben den kriegerischen Auseinandersetzungen um das Heilige Land auch ein reger kultureller Austausch zwischen Europäern und Arabern stattfand, in dessen Folge unter anderem das Konzept des Krankenhauses oder der vorbeugenden Medizin in Europa Einzug erhielten.

Fokussierung der Debatte

Es wäre ein Anfang, die Herangehensweise zu verwissenschaftlichen. Wenn es um die sozialen Auswirkungen oder der Wahrnehmung vom Islam geht, mit Journalisten zu reden, aber theologische Konzepte in all ihrer Komplexität an Experten auszulagern. Christopher Schwennicke mag zwar ein profunder Kenner der politischen Szene sein, aber ihn zum Thema Frauenbild des Islams zu befragen, ist nur bedingt sinnvoll (wie heute im Presseclub geschehen).

Des Weiteren sollte man anfangen die verschiedene Themenbereiche voneinander zu trennen. Anstatt in einem Stück über den Terorrismus im Islam, der Stellung der Frau oder Integrationsproblemen zu sprechen, die einzelnen Aspekte auch wirklich einzeln durchzugehen. Der Terror ist ein Problem, dass absolut diskutiert werden muss, aber wie viel Sinn macht es in dieser Debatte noch das Frauenbild mitzunehmen?

Man sieht das momentan an der Problematik der Auslandsfinanzierung von Moscheen. Es ist insgesamt wichtig, die so nach Deutschland kommenden Glaubensvorstellung zu beobachten, aber ist das eine sinnvolle Maßnahme gegen den Jihadismus? Türkische Gemeinden kam man viel vorwerfen, aber das diese aktive Terrorunterstützung liefern, eher weniger. Der Kritikpunkt dreht sich viel mehr um gesellschaftliche Konzepte, die durch Predigten vermittelt werden; oder sollte sich vielmehr darum drehen. Gewiss wird der Saat des Jihadismus durch Auslandsfinanzierung auch in Deutschland gewässert, aber wohl weniger aus den Kreisen der Türkei, deren Islamkonzept sowieso nicht für Radikalität bekannt ist. Doch wieso werden dann die zwei Aspekte miteinander vermischt?

Übrigens geht das Ganze über reine Finanzierung von Moscheen hinaus. Eine europäische Insitution, die die islamische Jurisprudenz in Europa bündeln und leiten möchte, ist das European Council for Fatwa and Research (ECFR). Sie möchte islamische Geistliche in Europa koordinieren, um ihr eigenes Verständnis von sari'a und fiqh durchzusetzen. Ihr Anspruch ist die Repräsentation europäischer Muslime. So weit, so gut. Problematisch ist jedoch ihr Vorsitzender: Yusuf al-Qaradawi, durchaus bekannt durch seine Sendung bei al-Jazeera, ist eine ziemlich kontroverse Figur. Den Holocaust stritt er nicht, er nannte ihn "berechtigt", Schiiten nannte er Häretiker, Alawiten als "ungläubiger als Christen und Juden". Man sollte nicht zu falschen Schlüssen kommen. Für den alltäglichen Moslem wird das ECFR ein Fremdbegriff sein, den nur wenige kennen, aber in der geistlichen Ebene mag das anders sein.

Es geht gar nicht darum, dem ECFR direkt die Positionen des Vorsitzenden zu unterstellen, aber eine Auseinandersetzung wäre ein erster Schritt. Unter anderem auch, da ihre Partnerorganisation, die Milli Görüs, den größten Dachverband im Islamrat der Bundesrepublik Deutschland stellt. Die Positionen und Ansichten der einzelnen islamischen Verbände, mit ihren Kontakten im Ausland zu durchleuchten, sollte genauso so im Raum stehen wie deren Finanzierung aus dem Ausland. So kratzt man nur an der Oberfläche und verpasst es am wirklich großen Rad zu drehen. Dennoch, und das ist ein wichtiger Punkt, sollte man daraus nicht ableiten, dass die Positionen der Dachverbände auch die der Muslime wiedergeben.

Denn der Alltags-Muslim, der jeden Tag sein Sandwich essen will (frei nach Ben Affleck), ist oftmals gar nicht so sehr an den Dachverbänden, den islamischen Geistlichen oder dem Islamverständnis in den Heimatländern seiner Eltern interessiert. Wenn man ihn auch öfters zu den Debatten über den Islam einladen würde, würde man das auch merken.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Abrahan Garcia

Angehender Orientalist

Abrahan Garcia

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