Des beiden Schuld, der anderen Leid

Russland und USA Russland und die USA vertreten beide ähnlichen Positionen in zwei brutalen Konflikten im Mittleren Osten. Zeit, darüber zu reden.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Es begann in beiden Fällen mit Protesten. In beiden Hauptstädten gingen Menschen auf die Straße, um gegen ihre Regierung zu demonstrieren, Missstände anzuprangern und mehr Rechte zu verlangen. Beide Fälle wurden inspiriert vom Arabischen Frühling, beide Fälle letzten Endes katastrophal enttäuscht. In beiden Ländern scheiterte die Revolution, die eine direkt, die andere nach und nach. In einem Land eskalierte die Lage sofort, nachdem Demonstrationen gewaltsam unterdrückt wurden, im anderen als die neu gewählte Regierung sich als unfähig erwies. Seitdem stehen beide Länder als Synonym für Leid, Tot und das Versagen der Weltgemeinschaft. Und werfen zudem ein schlechtes Bild auf die zwei Weltmächte unserer Zeit, die in beiden Fällen umstrittene Positionen einnehmen.

Die Rede ist von Syrien und Jemen. In Syrien starben nach neuesten UN Angaben bereits 400.000 Menschen, im Jemen mehrere Tausend, konkrete Zahlen werden nicht genannt. In beiden Fällen wird die jeweilige Regierung für die meisten Opferzahlen verantwortlich gemacht, beziehungsweise die pro-Regierungskoalitionen. Es kam in beiden Fällen durch Luftangriffe zu groben, zumindest potenziellen Verstößen gegen Internationales Recht. Angriffe auf Krankenhäuser, Schulen, Wohngegenden sowie massenhaft Infrastruktur sind zusammen mit vorgeworfenen Blockaden ganzer Städte beziehungsweise Regionen Teil der erhobenen Vorwürfe. In beiden Fällen.

Während in Syrien die russisch-syrische Regierungskoalition durch Luftangriffe ganze Stadtteile, teilweise mit international geächteten Bomben, mit Zivilisten in Beschuss genommen hat, wurde die von Saudi-Arabien geführte Koalition für Bombardierungen auf Häfen, Brücken und Versammlungen verantwortlich gemacht. Die humanitäre Lage in beiden Ländern ist katastrophal schlecht, besonders im Jemen findet allen Anschein eine fatale Tragödie statt. Was ganz Syrien an Toten hinnehmen musste, büßt das ärmste Land in der arabischen Welt an Hungersnöten und Medikamentenmangel ein.

Die Statistiken der UN machen in beiden Ländern klar, dass das menschliche Leid, das sich abspielt, in Zahlen gar nicht ausdrückbar ist. Beide Staaten befinden sich in Agonie, ohne Anzeichen auf Besserung in naher Zukunft. Jemen und Syrien wurden beide nach den Revolutionen zerrissen und sind in den Strudel internationaler Politik geraten. Russland und die USA nahmen jeweils die Position der Regierungsseite ein und unterstützten diese im Kampf gegen die Revolten. Wenn auch die US-Amerikaner passiver als die Russen, die nach anfänglichen Zögern vollends in den Konflikt einstiegen und als aktive Kriegspartei agieren. Die USA ordneten sich zumindest faktisch unter der Schirmherrschaft der Saudis unter, die den Einsatz im Jemen orchestrieren, stellen aber Waffen, Militärberater und logistische Unterstützung für die Koalition bereit, ohne jedoch aktiv selber beteiligt zu sein.

Meldungen über fatale Bombardements lesen sich fast gleich in beiden Ländern, ob Märkte oder Krankenhäuser, ob der Einsatz von Streubomben oder Phosphorbomben, ob Hunger als Kriegswaffe. Berichte über den Jemen und Syrien sind eine endlose Kakophonie des Leids.

Jedoch keine gleichmäßige. Während Syrien viel präsenter in den deutschen Medien behandelt wird, ist die Nachrichtenlage über Jemen deutlich überschaubarer. Es gibt für beide Konflikte Berichte, aber allein durch die vielen syrischen Flüchtlinge scheint der Fokus klar zu sein. Ähnlich ist es mit der Rollenverteilung der beiden Unterstützer der Regierungen. Russland ist deutlicher im Kreuzfeuer der Medien, während die USA für ihre Rolle weniger Kritik hinnehmen müssen. Das mag vielleicht daran liegen, dass sie passiver agieren, aber ändert nichts an der Tatsache, dass die US-Amerikaner, genau wie die Russen, an Kriegsverbrechen beteiligt sein können.

US-Regierungsdokumente, die Reuters zugespielt wurden, belegen die Befürchtungen von Beamten, dass die USA als Unterstützer der Regierungskoalition im Jemen für die Rechtsverstöße ebenjener mit verantwortlich gemacht werden können. Vorwürfe, dass ohne die USA der Luftkrieg im Jemen gar nicht möglich wäre, nähren die Schuldanschuldigungen. Übrigens trifft das genauso auf die britische Regierung, die die Saudis mit Waffen und Ausbildern versorgen, zu, denen sogar anders als den US-Amerikanern als Unterzeichner des Römischen Statuts und Mitglied des Internationales Strafgerichtshof strafrechtliche Verfolgung drohen kann. Russlands Beteiligung am Luftkrieg der syrischen Regierung und der direkte Einsatz von russischen Jets, rücken die Russen in die Verantwortung für jegliche Verbrechen in Syrien, ob von Moskau ausgehend oder Damaskus.

Es ist an der Zeit diese Tatsache deutlicher zu benennen und beide Länder für ihre Rolle gründlicher zu beleuchten. Die Agonie in Syrien und Jemen wird das nicht beenden, aber zumindest die Möglichkeit eröffnen, diese direkter zu verurteilen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Abrahan Garcia

Angehender Orientalist

Abrahan Garcia

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden