Die Bank gewinnt immer

Goldman & Sachs Eine Bank lenkt die Welt - was steckt hinter der US-Großbank? Der Versuch einer Analyse.

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11.September 2001: Ganz New York City ist im Aufruhr, nachdem zwei Flugzeuge in die WTC Towers gerast sind. Überall in der Stadt bricht das Chaos aus und während sich der Himmel langsam grau färbt von den aufsteigenden Rauchschwaden der zerstörten Twin Tower und heulende Einsatzsirenen von Polizei, Feuerwehr und Krankenwagen sich mit dem Geschrei tausender entsetzter Menschen abwechseln, sitzen im 4.Stock eines Hochhaus im Stadtteil Manhatten die Goldman Sachs Arbeiter der Öl und Benzin Abteilung und gehen fieberhaft ihrer Arbeit nach. Kurz zuvor gab ihr Abteilungsleiter Gary Cohn nach dem Einschlag des ersten Flugzeuges seinen Tradern den Befehl weiterzumachen, weil er wusste, dass er an diesem Tag viel Geld umsetzen könnte. Er wusste zwar nicht, dass es sich um einen Terroranschlag handelte, aber dass Flugzeuge bei den Geschehnissen involviert waren, etwas womit seine Abteilung beschäftigte. Sein Engagement hat sich ausgezahlt, heute ist Cohn Präsident von Goldman Sachs und kann sich über einen Jahressalär von 15,803,900 USD (im Jahr 2011) freuen. Diese Art von Einsatz wird bei der Großbank gerne gesehen und auch fürstlich entlohnt, da sie genau der Unternehmensphilosophie entspricht:

Maximize the Profit
Wenn man in Battery Park City im New Yorker Stadtteil Lower Manhatten am Firmensitz von Goldman Sachs vorbeifährt, könnte man meinen, es sei ein ganz normaler Hochhauskomplex, die es in New York massenhaft gibt. Während andere Unternehmen groß auf die Repräsentation ihrer Marke setzen, ganz nach den Leitlinien des Marketings, ist die Großbank diskreter. Sie arbeiten ohne Firmenschilder, ohne Zweigstellen und ohne Gesicht. Die GSGebäude liegen wie Geister über den Städten, ein unsichtbarer Spuk, der unkontrollierbar die Finanzwelt beherrscht. Unantastbar für Regierungen und Justiz weltweit haben sich Goldmänner in viele bedeutende Position der Politik und Wirtschaft eingenistet und so ein umfassendes Netzwerk des Einflusses gesichert. Das sagen zumindest die Kritiker, über die Großbank ranken sich viele Mythen und Theorien, die damit enden, dass für alles Schlechte der Welt Goldman Sachs verantwortlich gemacht wird. Sei es die imperialistische Außenpolitik der USA, der ausufernde Kapitalismus oder die Finanzkrisen. Es ist neben der US-Notenbank FED der Inbegriff der Systemkritik, die Gegner der Welt sitzen hinter Hochhaus-Fenstern in den Bankenbezirken und tragen ein GS Logo. Im Folgenden soll versucht werden, die Großbank zu analysieren, um herauszufinden, wie viel Macht tatsächlich hinter den Goldmännern steht und was lediglich Fiktion ist.
Nicht erst seit Erwin Pelzig’s beeindruckenden Clipboard-Auftritt im ZDF weiß auch die breite Öffentlichkeit, dass Goldman Sachs mehr ist als eine schlichte Bank, die ein Sparbuch und ein Girokonto mit Tagesgeld an der Straßenecke seinen Kunden anbietet. Ein Hauptbestandteil ihres Geschäftsmodelles ist, dass nur handverlesene Großunternehmen wie Ford sowie Staaten und Länder zu ihrem Kundenstamm zählen. Seit neuestem bieten sie ihren Service auch Privatkunden an, allerdings nur den “High Net Worth Individuals”, also Menschen mit einem Vermögen von mindestens einer Millionen USD. Offiziell ist Goldman Sachs Group, Inc. eine Investmentbank und ein Wertpapierhandelsunternehmen, das heißt sie sind für ihre Kunden als unterstützender Berater zuständig und spekulieren zudem an der Börse. Neben der Hilfe bei der Suche nach Investoren für Projekte und der Vermögensverwaltung ihrer Klienten gehört zu ihren Tätigkeitsgebiet auch der Handel mit standartisierten Gütern wie Devisen und Wertpapieren. Laut dem US-Trennbanksystem, das 2007 nach der Finanzkrise aufgehoben wurde, stellen Investmentbanken das Pendant zu den Geschäftsbanken dar, die die Geldeinlagen ihrer Kunden verwalten und auch Kredite verteilen. Dadurch hatten Investmentbanken einen Sonderstatus gegenüber der FED, da sie so unter keinen Restriktionen standen, während Geschäftsbanken strengen Auflagen unterlagen. Das ist einer der Gründe, weswegen Goldman Sachs viele umstrittene Finanzmanöver durchführen konnte ohne dafür belangt zu werden, zumindest in erster Hinsicht. Die Fülle der Kontroversen und Kritiken an der Bank ist zahllos, sodass die Aufzählung aller den Rahmen des Artikels sprengen würde. Eine kleine Übersicht bietet der englische Wikipedia Artikel, der unter der Rubrik “Controversies” 17 Fälle aufzählt.2 Dennoch sollen zwei Ereignisse genauer erläutert werden, die die Finanzkrise in Europa deutlich verschärft haben und zeigen, wie die Banker arbeiten und woran die staatliche Kontrolle scheitert.
Die griechische Tragödie
Vom Beitritt in die EU hat sich Griechenland sehr viel erhofft. Ihre Wirtschaft stagnierte und ihr Haushaltsdefizit war relativ hoch, zu hoch um die Kriterien für einen Beitritt in die Europäische Gemeinschaft zu erfüllen. Doch die griechische Führung erwartete einen Wirtschaftsaufschwung, wenn ihr Land denn erstmal Teil der EU sei. Darum wandten sie sich an Goldman Sachs, die ihnen halfen ihre Bilanzen zu kaschieren, um so doch die Kriterien für einen Beitritt zu erfüllen zu können. Die Banker von Goldman Sachs vollzogen hierfür einen so genannten Cross-Currency-Swap, ein komplexes Finanzinstrument, das damals relativ unbekannt war.
Es funktionierte im Grunde wie in einer Wechselstube, in der die Griechen ihre in Dollar und Yen aufgenommenen Staatsschulden bei Goldman gegen Euro tauschten und nach einer bestimmten Laufzeit wieder zurück. Nur wurde anders als bei herkömmlichen Devisen-Swaps mit fiktiven Wechselkursen gearbeitet, so dass Griechenland mehr Geld zurück bekam als sie eigentlich wechselten. Mit diesem Überschuss konnten sie ihre Bilanzen beschönigen und schließlich trotz extrem schwacher Wirtschaft in die EU beitreten. Experten sprechen von einer Zeitbombe, die in den Euro Raum deponiert wurde. Aber Goldman Sachs hat den Griechen den Mehrwert nicht einfach geschenkt, sondern zu ihrem maximalen Profit ausgelegt. Denn sie bestanden auf eine Geheimhaltungspflicht seitens der Griechen, so dass diese sich nicht auf dem Kapitalmarkt erkundigen konnten, welche Art von Geschäft sie mit Goldman abgeschlossen hatten. Und so nahm die griechische Tragödie ihren Lauf. Am Ende schafften es Goldman Sachs den ursprünglichen 2,8 Milliarden Kredit auf das Doppelte anzuheben. Bis heute hat sich Griechenlands Wirtschaft nicht von dem Geschäft mit der Bank erholt.
Chef der ganzen Aktion war übrigens Lloyd Blankfein, der heutige CEO von der Bank, dazu spielte Mario Draghi als Leiter der Abteilung europäisches Risiko-Management der Bank eine ebenso übergeordnete Rolle, seit 2011 ist Draghi übrigens Chef der EZB.
Abacus 2007-AC1
Aktenzeichen ACABUS 2007-AC1 war eine synthetische CDO (Collaterilzed Dept Obligation), die mehrere Hypotheken und Kredite bündelte und an Investoren verkauft wurde. Laut der SEC, der US-Börsenaufsicht, wurden dabei unlautere Mittel verwendet, sodass in Folge des Zusammenbruches der Papiere mehrere Anleger Millionen von Dollar verloren haben, während die Goldman Sachs und seine Kunden hohe Gewinne verzeichnen konnte.
Im Grunde genommen ein relativ simpler Trick:
Goldman Sachs hat im Auftrag von einem großen Hedgefonds, Paulson&Co, die CDO erstellt. Dabei haben sie bewusst besonders faule und riskante Hypotheken ausgesucht. Trotzdem wurde diesen durch die hauseigenen Ratingagenturen eine sehr gute Bonität zugeschrieben, so dass diese den Kunden als besonders sichere Anlagen präsentiert wurden. GS verkaufte schließlich sein Produkt an mehrere Großbanken, darunter die IKB und die Deutsche Bank. Paulson&Co wettete hingegen auf den Fall der Wertpapiere und nahm eine Gegenposition zu den Anlegern ein. Wie es kommen musste, verloren die Papiere zuerst 88% ihres Wertes, danach 99% und die Anleger insgesamt 1 Milliarde Dollar, nach nicht einmal neun Monaten. Im Gegenzug gewann Paulson durch die gewonnene Wette fast die gleiche Summe. Die IKB ging pleite und der deutsche Staat musste einspringen und die Bank mit insgesamt 8 Milliarden Euro an Steuergeldern retten. Die US-Börsenaufsicht SEC stellte in ihren Untersuchungen fest, dass es der Chef des Hedgefonds John Paulson selbst war, der höchstpersönlich die Hypotheken aussuchte, auf deren Fall er dann wettete. Mit dem Fall der IKB begann auch in Deutschland die Finanzkrise.
Während die SEC 2010 in den darauffolgenden Prozessen GS verklagte und zu Schadensersatzzahlungen verpflichtete, ca. 550 Millionen USD, wurde Paulson nicht von der Justiz belangt. Erwähnenswert ist dabei, dass der Hedgefonds im Krisenjahr 2007 15 Milliarden USD verdiente und GS im ersten Quartal 2010 3,5 Milliarden USD.
Eine Bank lenkt die Welt
Doch windige Finanzgeschäfte zeichnen viele Banken aus, der umstrittenen Terminhandel beispielsweise, an denen Güter wie Baumwolle in fiktiven Mengen gehandelt werden und oft mit unlauteren Mitteln manipuliert werden, finden auch ohne die Goldmänner tagtäglich statt. Auch hat die Deutsche Bank fragwürdige Finanzprodukte in ihrem Portfolio, wie die “dB Kompass Life 3″. In diesem Fond konnte man auf der Basis von Gesundheitsdaten alter Menschen auf ihren Tod wetten. Insgesamt flossen 700 Millionen Euro in das Projekt.5 Man sieht, dass Moral und Ethik nicht nur bei Goldman Sachs speziell fehlen, sondern allgemein im Bankenwesen und auf dem Kapitalmarkt. Insofern ist GS eher die kränklichste und hässlichste Erscheinungsform der Krankheit, aber nicht der Auslöser.
Dennoch unterscheiden sich die Goldmänner wesentlich von anderen Banken. Obwohl viele eine rege Lobbyarbeit betreiben und Kontakte zu Regierungen und deren Institutionen haben, ist das Kontaktnetz von der amerikanischen Großbank sehr viel dichter gesponnen. Goldman Sachs gilt als Paradebeispiel für sogenannte Seitenwechsler, viele ihrer früheren Mitarbeiter bekleiden politische Ämter und auf der Gegenseitige wechseln ehemalige Regierungsträger zu den Goldmännern.
Bemerkenswert sind dabei die Namen der ehemaligen GS Arbeiter und ihre jetzigen Positionen:
Henry M. Paulson, unter George W. Bush zweiter Amtszeit Finanzminister der US, ehemaliger CEO von Goldman Sachs. Als der GS Konkurrent Lehman Brothers 2008 pleite ging, war es Paulson, der entschied, dass der Staat die verschuldete Bank nicht auffängt. Heute Mitglied der “Council on Foreign Relations”.
Philip D. Murphy, 25 Jahre lang Investment Banker bei Goldman Sachs, von 2009 bis 2012 amerikanischer Botschafter in Deutschland. Heute Mitglied der “Atlantik-Brücke e.V”.
Mario Draghi, ehemals Vizepräsident von Goldman Sachs International in London, heute Chef der Europäischen Zentralbank. Mitglied der “Group of Thirty”.
Alexander Dibelius, Chef von Goldman Sachs in Deutschland, Russland, Zentral– und Osteuropa, hoher Berater der Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Ottmar Issing, Berater bei Goldman Sachs seit 2007, Chef der Expertengruppe “Neue Finanzarchitektur”, benannt von Merkel.
Man kann diese Liste noch lange weiterführen, die englische Wikipedia-Seite hat dem Thema gar eine eigene Rubrik zugeordnet. Dabei ist Goldman Sachs neben dem Einfluss durch einzelne Personen, noch in einer stärkeren Art und Weise in der Politik tätig. Ihr außerordentliches Netzwerk wird durch die vielen Kommissionen und Think Tanks, denen ehemalige Mitarbeiter angehören oder anführen, erst vollständig. Das Council on Foreign Relations zum Beispiel ist eine Expertengruppe mit in New York, die sich mit der amerikanischen Außenpolitik beschäftigen. Es zählt zu den bedeutendsten und einflussreichsten Think Tanks weltweit, in der zahlreiche Politiker und Ökonome sitzen. Mitglieder des Councils sind unter anderen: Janet Yellen, Chefin der FED, Bill Clinton und George W. Bush, ehemalige US-Präsidenten, Stephan A. McChrystal, Kommandeur der ISAF in Afghanistan und Irak und George Clooney.
Neben dem jetzigen CEO von Goldman Sachs, Lloyd Blankein, sitzt ihr ehemaliger CEO, Stephen Friedman, im “Board of Directors” des Councils, zusammen mit unter anderem Colin Powell, US-Verteidigungsminister im Irak Krieg. Oder die Group of Thirty, ein internationales Gremium, das sich mit Finanzfragen beschäftigt. Dort sitzt neben Mario Draghi auch unter anderem Goldmans ehemaliger Generaldirektor Gerald Corrigan.
Außerdem ist Goldman Sachs ein großer US-Wahlkampf Finanzier, sie haben 2012 mit 1,033,204 USD an Spenden für den Republikaner Mitt Romney einen neuen Rekord aufgestellt, auch wenn dieser sich am Ende Obama trotzdem geschlagen geben musste. Ihr Wirken auf der politischen Ebene ist auch deswegen höchst kontrovers. Die vielen Verbindungen zu bedeutenden Think Tanks, die Position ehemaliger Goldmänner in wichtigen Institutionen und die Berater-Stellung der Bank bei der EU und Regierungen wie Deutschland erregt sehr viel Kritik. Wie sehr diese berechtigt ist, lässt sich kaum sagen ohne allzu sehr in die Spekulation zu geraten. Deshalb sei das Schlusswort einer internationalen Kontrollorganisation überlassen, die sich aus NGO’s weltweit zusammensetzt.
Sie sind weltweit exzellent vernetzt und verfügen über einen uneinschätzbaren Einfluss auf der politischen und wirtschaftlichen Ebene. Letztes Jahr erhielt die Bank zusammen mit “Shell” den Negativpreis “Public Eye Award” und wurde damit zum “übelsten Unternehmen des Jahres” gekürt. Die Jury der Preisverleihung begründete die Auszeichnung folgend:
“[GS bezahle] die Profite von wenigen mit explodierender Ungleichheit und der Verarmung breiter Schichten.”
Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Abrahan Garcia

Angehender Orientalist

Abrahan Garcia

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