Die Planlosigkeit Europas

Kampf den Symptomen Getrieben von Krise zu Krise, scheinen die Machthaber mehr zu reagieren, als wirklich zu agieren. Ohne langfristigen Plan. Es droht ein Teufelskreis.

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Der Gipfel in Brüssel scheint noch keinen Durchbruch hervorgebracht zu haben. Ein ungefährer Fahrplan steht jetzt zwar, aber noch sind viele Fragen ungeklärt. Die EU will alle festsitzenden Menschen in Griechenland in die Türkei abschieben, dafür im Gegenzug Flüchtlinge aus türkischen Lagern aufnehmen und die finanzielle Unterstützung für humanitäre Projekte hochfahren. Ein erster Streitpunkt: Wie die Gelder – man spricht von bisher drei Milliarden – letztlich verteilt sollen, ob anwendungsbezogen oder direkt dem türkischen Staat überwiesen. Für die türkische Seite alles andere als eine Kleinlichkeit, man sei schließlich kein „afrikanischer Drittweltstaat“, der sich nicht selbstständig koordinieren kann. Es scheint auch um das Prestige in den Verhandlungen gehen; niemand möchte sich unter Wert verkauft fühlen.

Eine schwierige Ausgangslage bei den vielen beteiligten Akteuren. Das lässt den Druck auf die Verhandlungen steigen, von der einen Seite. Von der anderen Seite drücken Umfragen und anstehende Wahlen. Es ist klar, dass man sich nicht ewig Zeit lassen darf, bis man einen Kompromiss findet. Auch die Zeit drückt; oder eher: das Klima. In einigen Monaten wird es das Wetter besser, das könnte die Zahl der Flüchtenden nochmals in die Höhe treiben. Die Situation ist angespannt; die Not, ganz egal wie man diese definiert, der Syrer und Afghanen, scheint auch die Not der Entscheidungsträger geworden zu sein.

Man könnte daraus schlussfolgern, dass die europäische Politik nun gelernt hat, gegenüber globalen Konflikten keine passive Haltung einzunehmen. Allein aus pragmatischen Gründen: Das Leid der Menschen dort, könnte auch irgendwann einen selbst betreffen. Deswegen müsse man agieren, mit diplomatischer Deeskalation bei kriegerischen Konflikten, mit wirtschaftlicher Kollaboration bei ökonomischen, mit technischer Hilfe bei klimatischen. Das Leid der anderen, wird auch unter Umständen das Meine. Es solle kein humanitärer Einsatz getrieben vom ideologisierten Idealismus sein, sondern aus einem rein pragmatischen Ansatz. Um sich selber vor Problemen, in wohlweiser Voraussicht, zu schützen.

Doch dem ist nicht so. Schon wieder musste das UNHCR unterfinanziert in das neue Jahr starten, trotz der medial groß aufgezogenen Syrien-Geberkonferenz in London letzten Monat. Von den über neun Milliarden Euro, die versprochen wurden, wurde bis jetzt noch nichts auch tatsächlich überwiesen.* Ähnlich schleppend verlief die Geberkonferenz im März letzten Jahres. Gefordert waren vom UNHCR 8.4 Milliarden USD, versprochen von den Geberländern 3.8, letztlich überwiesen wurden etwas mehr als drei Milliarden. Doch allein diese Zahlen sind widersprüchlich, anderswo werden andere Geldbeträge genannt. Auch zur aktuellen Geberkonferenz liegen laut Finanzchef des UNHCR, Axel Bisschop, keine genauen Listen vor, wer wie viel wann spenden will. Das erschwert die Koordinierung der humanitären Hilfen enorm.

Dabei stellen diese, ganz abgesehen von einer humanistischen Perspektive, einen wichtigen Beitrag für die Bewältigung der Flüchtlingskrise dar. „Not schafft Terroristen“, sagte ein Offizier der Bundeswehr in Afghanistan. Durch Engpässe in der Versorgung werden die Menschen stärker den Taliban zugetrieben; und die profitieren davon mehrfach. Spätestens wenn Bauern ihr produziertes Weizen nicht mehr der internationalen Hilfsorganisation verkaufen können, weil denen das Geld fehlt, wenden sie sich der Produktion von Schlafmohn zu, was die Taliban mit Freude abkaufen und damit ihren Terror gegen das Land finanzieren. Allein deswegen habe auch die Bundeswehr ein Interesse an einer humanitär stabilen Lage im Land. Sie ist einer der Bausteine für eine letztliche Lösung. Sowohl für Afghanistan und den Menschen dort, als auch für Europa.

Doch stattdessen beschränken sich die EU-Länder auf Hilfen für die Türkei, Schließen der Grenzen und der Verschärfung von Gesetzen für Asylsuchende. Alles per se keine nicht sinnvollen Maßnahmen. Nur keine wirklichen Lösungen. Wer um die Flucht von Menschen zu stoppen, nicht ihre Fluchtgründe bekämpft, bekämpft letztlich die Flüchtlinge.

*Aussage von Melinda Crane, im Chat von Maybrit Illner

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Abrahan Garcia

Angehender Orientalist

Abrahan Garcia

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