He was the greatest

Muhammad Ali The greatest of all time ist gestorben. Er war mehr als nur ein Boxer; er war auch politisch eine Ikone. Und damit leider eine Ausnahme in der Welt des Sports

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Der junge Muhammad Ali 1963 in London. Nun ist er 74-jährig verstorben
Der junge Muhammad Ali 1963 in London. Nun ist er 74-jährig verstorben

Foto: Len Trievnor/AFP/Getty Images

Es war 1996, die Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele in den USA. Die olympische Fackel war nach einer langen Reise fast am Ziel angekommen und sollte nun im Stadion von Atlanta die olympische Flamme anzünden. Janet Evans, Mitglied der Schwimm-Staffel der USA, läuft mit der Fackel in der Hand die letzten Meter Richtung Bühne, bleibt stehen, dreht sich um und hebt stolz ein letztes Mal die Fackel in die Luft. Unter dem Jubel von 85.000 Zuschauer im Stadion und über drei Milliarden vor den Fernsehschirmen weltweit. Doch es wird nicht Evans sein, die die Olympischen Spiele einleitet: Plötzlich, fast unauffällig, tritt ein älterer Mann am rechten Rand der Bühne hervor und bewegt sich langsam zu Evans. In der einen Hand hält er eine Fackel, die andere zuckt unkontrolliert. Sein Auftritt war nicht angekündigt, so gut wie niemand wusste davon. Es geht zuerst ein Raunen durch das Stadion, danach kollektiver, frenetischer Jubel, als er sich seine Fackel anstecken lässt und in den Nachthimmel von Atlanta streckt. Er ist von seiner Parkinson Krankheit schwer gezeichnet, sein Körper zittert unaufhörlich, dennoch grinst er in seiner eigenen Art breit in die Kameras. Viele auf der Tribüne fangen an zu weinen, auch US-Präsident Bill Clinton. Auf den Monitoren des Stadions blinkt in goldener Schrift: Muhammad Ali, Gold Medalist, Boxing, 1960.

Es ist auch bis heute eine der berührendsten Momente von Olympia. Muhammad Ali war zu diesem Zeitpunkt in Vergessenheit geraten. Seine so gigantische Karriere nahm ein unrühmliches Ende. 1980 stieg er gegen Larry Holmes in den Ring, obwohl er damals alles andere als gesund war. Eigentlich hatte Ali seine Karriere schon längst beendet, war körperlich am Ende. Drei Jahre zuvor hatte sein langjähriger Doktor den Dienst quittiert, er fürchtete, Alis Nieren würden sich auflösen und forderte vom Boxchampion um seiner kritischen Gesundheit Willen in den Ruhestand zu gehen. Doch Ali weigerte sich, ignorierte alle Warnungen; und wurde von Holmes im Ring auseinandergenommen. Silvester Stalone, der den Kampf live verfolgte, sagte später, Ali gegen Holmes sei wie eine Autopsie an einem Lebenden gewesen. Und dass obwohl Holmes, der früher noch als Sparringpartner für den Champion arbeitete, sich deutlich zurücknahm. Er wollte sein Idol, Muhammad Ali, nicht zerstören.

Bei den Olympischen Spielen in Los Angeles 1984 wurde Ali nicht einmal eingeladen, im selben Jahr, in dem bei ihm Parkinson diagnostiziert wurde. In der Zeit vor Atlanta zog sich der Boxer zurück, schien verbittert, krank, sogar Gerüchte machten die Runde, er verweigere die Einnahme seiner Medikamente. Die Legende war tief gefallen, vergessen von der Welt. Doch wie aus dem Nichts erhob sich Ali plötzlich, der vergessene Champion präsentierte sich und seine Krankheit der Öffentlichkeit, stolz und mit Würde, bei der größten Sportveranstaltung der Welt. Ein magischer Moment.

Olympia war auch für Ali besonders: Dort gewann er als 18 Jähriger seinen ersten großen Titel. Später, so lautet ein hartnäckiges Gerücht, habe er aus Frust, nachdem ihm aufgrund seiner Hautfarbe der Eintritt in ein Restaurant verweigert wurde, seine Goldmedaille in den Ohio River geschmissen. Auch das ist Muhammad Ali gewesen, eine politische Stimme, eine moralische Instanz. Neben seinen sportlichen Erfolgen ist es das, was am lautesten nachhallen wird. Er war ein mutiger Mann, nicht nur als Boxer, sondern insbesondere als Mensch, als schwarzer Bürger in den USA der 60er und 70er Jahre.

Das Boxen habe Muhammad Ali aus Wut angefangen, nachdem ein weißer Junge einen Schwarzen aus seinem Viertel tötete und dafür ungestraft davon kam. Den Namen seines Vaters, Cassius Clay, seinen „Sklavennamen“, wie er sagte, legte er mit Anfang 20 ab. In dieser Phase seines Lebens konvertierte Ali zum Islam und trat der umstrittenen „Nation Of Islam“ bei. Er wurde zunächst ein glühender Anhänger von Malcom X, bis er mit diesem jeglichen Kontakt abbrach. Dennoch bestritten beide, getrennt voneinander, den gleichen Weg der Mäßigung und legten ihre anfängliche Radikalität ab. Ali sprach dennoch nie wieder mit seinem früheren Mentor. Dessen Ermordung 1965 traf ihn schwer.

Später avancierte Muhammad Ali zu einer Ikone der Bürgerrechtsbewegung. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere als der Vietnam-Krieg tobte, verweigerte er seinen Militärdienst und wurde dafür verurteilt. Er verlor alle Titel und seine Boxlizenz; damit viel Geld und drei gute Jahre. Sogar eine Gefängnisstrafe wurde ihm angedroht, dennoch blieb Ali standhaft. Er wollte keinem Land dienen, dass ihn nicht als vollwertigen Bürger akzeptiert.

Muhammad Ali wurde Zeit seines Lebens getrieben von der alltäglichen Ungleichheit in seiner Heimat, vielleicht kam daher sein politischer Sendungswille und Bewusstsein gegenüber Ungerechtigkeit. Das macht ihn bis heute zu einem Ausnahmesportler, zu jemanden, der mehr ist als nur ein Sportler: Ali ist Symbolfigur und Autorität. Er besuchte Flüchtlingslager im Libanon und später weltweit, traf 1990 Iraks Diktator Saddam Hussein und veranlasste die Freilassung von 15 Gefangenen, kurz nach dem 11. September predigte er von religiöser Toleranz vor den Ruinen des World Trade Centers, sagte, Flüsse, Meere und Seen tragen verschiedene Namen, aber in allen sei Wasser. So sei es auch mit Religionen, die alle die einzige Wahrheit enthalten. Nach den Anschlägen von Paris veröffentlichte Ali ein Statement und forderte die Muslime auf, sich gegen radikale Fanatiker zu erheben, die den Islam ausnutzen. Trotz seiner fortschreitenden Krankheit blieb er eine aktive Figur. Zahlreiche Preise zeugen von Alis Engagement. 2012 erhielt er den Liberty Award, als erster Sportler überhaupt.

Von heutigen Sportlern, die von der Ausbeutung der Arbeiter im Zuge der WM-Vorbereitungen in Katar über die Skandale der FIFA alles beflissentlich ignorieren, hebt sich Muhammad Ali deutlich ab. Er zeigte, dass Sportler nicht automatisch politisch quietistisch sein müssen, dass sie eine eigene Meinung haben dürfen, streitbar sein können, laut sein können. Deswegen, auch deswegen, wurde und wird er als der Größte, the greatest, genannt. Ein Boxer, der mehr war als ein Boxer. Ein Symbol, eine Ikone, eine Institution.

Alis Biograf und enger Freund Thomas Hauser veröffentlichte einen Nachruf im Guardian. Dort erzählt er folgende Geschichte: 1991 war Hauser mit Ali in England bei einem PR-Event. Es war ein anstrengender Tag für den Champion, sein Parkinson machte sich stärker bemerkbar als sonst. Seine Stimme flackerte, sein Gesicht verkrampfte. Dennoch empfing er Anhänger und Fans, sprach mit ihnen. Eine Frau mittleren Alters brach angesichts Alis schlechten Zustand in Tränen aus, als sie sich ihm näherte. Er beugte sich zu ihr, küsste ihre Wange und sagte: Sei nicht traurig, Gott hat mich gesegnet. Ich hatte ein gutes Leben; und es ist immer noch gut. Ich genieße es momentan. Die Frau ging danach lächelnd.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Abrahan Garcia

Angehender Orientalist

Abrahan Garcia

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden