„Anonyme im Netz Schuld an Schavans Sturz“

Pressekritik Die anonyme Netzgemeinde hätte die Ministerin Schavan aus ihrem Amt gehebelt, schreibt Spiegel-Online.

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„Die Ministerin wurde letztlich durch den anonymen Schwarm im Netz zu Fall gebracht. Ein einzelner Plagiatsjäger zeigte sich dabei besonders eifrig, ließ nicht locker und zwang so die Universität Düsseldorf zum Handeln. Würde es das Netz nicht geben, Schavan wäre wohl immer noch munter im Amt. Es ist eine Laune der Geschichte, Politiker-Pech, dass sie nun auf diese Weise von ihrer Vergangenheit eingeholt wird.

Das Netz kann gnadenlos sein. Es verändert die Politik, es übernimmt die Deutungshoheit, entscheidet über Wohl und Wehe von Ministern. Es löst Debatten aus und bringt Affären ins Rollen. Das mögen all jene bedauern, die bislang die Deutungshoheit über Politik innehatten. Das kann erschreckende Ausmaße annehmen. Das ermahnt jeden einzelnen von uns zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit Informationen im Netz.“

Da jammert einer. Einer, der Journalist ist und seine Felle davonschwimmen sieht. Weshalb macht sich ein Spiegel-Journalist des meistgelesenen Online-Portals in Deutschland so klein? Dabei ist die Leistung, die die Plagiatsjäger erbracht haben, zu bewundern. Ein Einzelner ließ nicht ab, obwohl seine Mitstreiter meinten, die gefundenen Verdachtsstellen reichten nicht aus. Er belegte:

Insgesamt gibt es 97 Seiten im Haupttext der Dissertation von S. 11 bis 335, auf denen Übernahmen aus 45 Quellen nicht oder nicht ausreichend kenntlich gemacht werden. Bei 63 von 131 einzelnen Fragmenten handelt es sich um Verschleierungen, d.h. die (wirkliche) Quelle der Ausführungen wird – im Gegensatz zu Bauernopfern – auch im Umfeld der Übernahme nicht genannt. Bedeutendste Plagiatsquelle ist die Habilitationsschrift des polnischen Franziskaners Antoni Jozafat Nowak mit 19 Fragmenten.

Als Muster lässt sich erkennen, dass die Verfasserin oft vorgibt, Primärquellen zu rezipieren, während sie tatsächlich mit leichten Abwandlungen aus der Sekundärliteratur abschreibt, ohne diese zu nennen; dies gilt insbesondere für in den Sekundärtexten enthaltene Interpretationen der Primärtexte. In vielen Fällen werden dabei auch Fehler bei Zitaten oder Literaturangaben mit übernommen bzw. – seltener – korrekte Literaturangaben fehlerhaft übertragen.“

Schavan hatte in der Presse ein hervorragendes Standing. Immer wieder wurde betont, wie gut sie ihre Arbeit mache. „Sie ist so, wie sich die meisten Bürger - zumindest in der Theorie - ihre Politiker wünschen.“, schreibt der Spiegelautor. Woher er das weiß, lässt er im Dunkeln. Sein Statement passt aber genau in die Argumentationslinie vieler seiner Berufskollegen. Er schreibt folglich auch nicht von bewusster Fälschung sondern von „Zitierfehlern“. Fehler, soll dem Leser suggeriert werden, unterlaufen jedem mal. So macht man Meinung. In der Tat, hätte die Presse die Oberhoheit und die Definitionsmacht alleine besessen, so wie vor dem Internetzeitalter, als man einmal im Jahr einen gekürzten Leserbrief im Printmedium unterbringen konnte, wäre Schavan heute noch Bildungs- und Forschungsministerin.

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Geschrieben von

Achtermann

Ich lass' mich belehren. Jedoch: Oft wehre ich mich dagegen.

Achtermann

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