Bargeldzahlungen beschränken, warum nicht?

5000-Euro-Grenze Die Mehrheit der Linken sieht den Überwachungsstaat auf der Zielgeraden, wenn Bargeldzahlungen oberhalb von 5.000 Euro abgeschafft werden. Sie blendet die Vorteile aus.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

"Die Bundesregierung möchte das Geld abschaffen…". So beginnt Sascha Lobo seine Kolumne auf Spiegel-Online. Er meint das Bargeld, nicht das Zahlungsmittel als solches. Erst im zweiten Satz korrigiert er sich, denn die Bargeldtransfers sollen auf 5.000 Euro beschränkt werden. Tenor seines Textes: Wir nähern uns dem Überwachungsstaat. Nur wer einen lückenlos dokumentierten elektronisch überwachten Zahlungsverkehr vorzeigen könne, sei künftig in der Lage, sich gegenüber dem Staat als Nicht-Terrorist zu beweisen. Dafür erntet er viel Zustimmung, insbesondere unter den eher staatskritischen Menschen.

Merkwürdig ist jedoch: Transparency International ist die 5.000-Euro-Grenze zu lasch. Tausend Euro seien die Höchstgrenze, mit der bar bezahlt werden dürfe. Genauso wie in unserem Nachbarland Frankreich. Die Organisation, die sich zur Aufgabe gemacht hat, die Korruption zu bekämpfen, findet derzeit nur mäßig Unterstützung innerhalb der Linken. Transparency sieht in einer eng gefassten Obergrenze einen sinnvollen Beitrag, die Schattenwirtschaft zu bekämpfen. Ein durchaus wichtiges Ziel, das den Kapitalismuskritikern sympathisch sein müsste, fällt jedem doch sofort eine Reihe von Beispielen ein. Wie etwa der Siemens-Konzern, dem die Fahnder 4.300 dubiose Zahlungen nachgewiesen haben. Insgesamt 330 Projekte wurden mit 1,3 Milliarden Euro Bestechungsgeldern auf den Weg gebracht, seien es Kraftwerke in Israel, fälschungssichere Ausweise in Argentinien oder diverse öffentliche Aufträge in Griechenland.

http://previews.123rf.com/images/weyo/weyo1503/weyo150300003/37312863-Mehrere-Hundert-Euro-Banknoten-von-Wert-gestapelt-Euro-Geld-Konzept-Lizenzfreie-Bilder.jpgNatürlich werden diese Riesensummen nicht in bar bezahlt. Da werden schon Banken und eventuell auch Staaten benötigt, diese Transaktionen zu verschleiern. Die jetzt geforderte Bargeldzahlungsgrenze bezieht sich auf den Alltag des Durchschnitts- oder Besserverdieners. Blicke ich in das eigene Erleben der letzten Monate, fallen mir einige Vorgänge ein, die es sinnvoll erscheinen lassen, eine rote Bargeldlinie zu ziehen:

Vor wenigen Tagen machte mir ein Handwerker ein Angebot: Die Fassade des Hauses zu streichen würde 7.000 Euro kosten. Da käme noch die Steuer drauf. Aber, fügte er hinzu, wir können das auch ohne Steuern machen. Das liegt ganz an Ihnen, sagte er. Ich sagte weder zu noch ab, ich müsse noch überlegen, ob ich die Fassade überhaupt streichen lassen wolle. Mit Steuern wären die Kosten auf 8.330 Euro gestiegen. Ein Jahr später hätte ich den Steueranteil der Handwerker-Arbeitszeit beim Finanzamt geltend machen können. Aber eine Rückzahlung von 1.330 Euro wäre es bei Weitem nicht geworden.

Im Dezember, als ich Möbel kaufte, die allerdings erst acht Wochen später geliefert werden, fragte ich bei Vertragsunterzeichnung nach der Anzahlung. Denn Anzahlungen sind üblich, dachte ich. Der Verkäufer sagte: Nein, das brauchen Sie nicht. Wir vertrauen unseren Kunden und haben bisher immer gute Erfahrungen gemacht. Darüber fanden wir ins Gespräch. Der Laden ist nicht besonders groß. Er liegt im inneren Bereich einer 50.000-Einwohner-Stadt. Es werden nicht nur Möbel verkauft. Wer möchte, bekommt auch Einrichtungspläne gezeichnet und anderen Service rund ums Wohnen.

Wissen Sie, meinte der Verkäufer, wir haben viele Kunden, die wollen bar bezahlen. Das sind die Selbstständigen, insbesondere Handwerker und Landwirte. Die haben zu Hause oft eine Menge Bargeld angesammelt und wollen es loswerden. Wir stellen natürlich eine Rechnung aus, ganz korrekt. Allerdings: Manche Kunden wollen nicht mit ihrem richtigen Namen aufgeführt werden.

Dann gibt es noch diese alltäglichen Merkwürdigkeiten: Immer wenn ich sommers in der Eisdiele zahle, holt die Bedienung einen kleinen, schmalen Notizblock heraus und schreibt mit Kuli die Zahlen untereinander, um die Endsumme addieren zu können. Beim Bäcker krieg ich nie einen Beleg. Die Verkäuferin rechnet im Kopf. Brot und Brötchen werden bezahlt. Wird in diesen Fällen so abgerechnet, dass die notwendigen Belege gegenüber dem Finanzamt erzeugt werden? Oder werden Bargeldmengen angesammelt, damit größere Anschaffungen mit dem Geld aus der Tiefkühltruhe bezahlt werden können? Und somit wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückkehren, ohne dass das Finanzamt davon Kenntnis hat? - Ich bin skeptisch geworden.

Derzeitige Praxis ist: Je weniger finanzielle Mittel ein Bürger zur Verfügung hat, desto stärker wird er vom Staat kontrolliert. Ein Hartz-IV-Empfänger muss jeden Cent, den er besitzt, auf den Tisch legen. Ein Lohnabhängiger kommt gar nicht in die Lage, mit seinen Steuern jonglieren zu können, denn er kriegt sie nicht auf sein Konto überwiesen. Und der Jahressteuerausgleich ist so kompliziert, dass dem Staat eine ganze Menge Geld überlassen bleibt, das ihm gar nicht zusteht. Einzig die unternehmerisch Tätigen oder die Freiberufler, wie Ärzte oder Rechtsanwälte, die darüber hinaus von der Gewerbesteuer befreit sind, haben steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten, die sie nutzbringend für sich umsetzen können.

Deshalb zielt die Obergrenze der Bargeldzahlungen viel weniger auf die Arbeitnehmer als vielmehr auf diejenigen, die Jahreswagen und andere größere Konsumgüter bar bezahlen, weil sie sich von ihren Scheinen trennen wollen. Schließlich kann ein Unternehmer bei einem Wohnungseinbruch seine gelagerten Bargeldreserven schlecht gegenüber der Versicherung und der Polizei als geklaut geltend machen.

Die Beispiele zeigen: Sascha Lobo und die 5.000-Euro-Kritiker sollten sich einer Güterabwägung zwischen der behaupteten Totalüberwachung des Staates und der Eindämmung der Schwarzgeldgeschäfte nähern.

Bildquelle: 123RF, lizenzfreie Bilder u. Videos

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Achtermann

Ich lass' mich belehren. Jedoch: Oft wehre ich mich dagegen.

Achtermann

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden