Der Kanzlermacher der SPD

Bundestagswahlkampf Kurz bevor Steinbrück inoffizieller Kanzlerkandidat wurde, hat der SPD-Vorsitzende eine Dienstleistung eingekauft. Sie dreht sich um die Frage: Wie verkaufe ich die SPD?

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Für diese Aufgabe engagiert hat er den Mann, der nach eigener Aussage Heineken-Pils als Szenebier auf dem deutschen Markt positioniert hat. Auch die Milchschnitte und Nutella, beide von dem Food-Konzern Ferrero vertrieben, sollen sich mit Hilfe von Hubertus von Lobenstein bestens verkaufen. Bevor er seine eigene Agentur Aimaq von Lobenstein gründete, war er u.a. Deutschlandchef des Werbeagenturnetzwerks TBWA, das in mehr als 100 Ländern aktiv ist, etwa für adidas, Henkel, Nissan oder Apple. Der 44-Jährige ist ein erfahrener Werbestratege, der sich auch gerne grundsätzlich äußert:

https://encrypted-tbn0.gstatic.com/images?q=tbn:ANd9GcQydHd9bQcokRdGFA4SJ4hZsQ_1p19hHOD-LrmmgB0i1nbczN_e"Markenversprechen sind eine ernste Angelegenheit und sollten nicht leichtfertig formuliert werden. Sie wecken ganz konkrete Erwartungen. Wer Treffer verspricht, muss Treffer liefern. In digitalen Zeiten, in denen nichts verborgen bleibt, ist ein nicht erfülltes Produktversprechen der sichere Weg in den Markentod."

Diese Erkenntnis ist berechtigt. Sie zeigt auf, dass eine Partei eben kaum anderes ist als eine Marke. In diesem Fall läuft sie unter dem Label SPD. Versprechungen, die gegeben werden, sollten gehalten, Erwartungen, die geweckt, erfüllt werden. Ganz übertragen auf die Neukundin SPD lässt sich das nicht. Denn die Gewählten müssen sich nicht täglich dem Marktgeschehen stellen. Üblicherweise haben sie eine vierjährige Erholungszeit. In diesem Zeitraum kann so manches Produktversprechen relativiert oder auf den Bremser Koalitionspartner geschoben werden. So gesehen haben es die Parteien leichter, Zusagen nicht zwingend einhalten zu müssen.

Leichter auch deshalb, weil sie nur sehr indirekt und auch nur in Teilen die Werbemaßnahmen zu finanzieren haben. Ihnen stehen üppige Geldmengen zu, die sie sich gesetzlich selbst abgesichert haben. Die jährlichen Mittel, die den Parteien ausgezahlt werden, müssen ab dem kommenden Jahr nicht mehr alle zwölf Monate neu beschlossen werden. Um diese unangenehme Situation zu umgehen, wurde bei der Neufassung des Parteiengesetzes ein automatisiertes Wachstum unterstellt, das sich aus dem Preisindex und der Lohnentwicklung zusammensetzt. Dieses Jahr liegt die Obergrenze für die Auszahlung an alle Parteien bei 150,8 Millionen Euro, rund neun Millionen mehr als 2011. Bei Landtags- oder Bundestagswahlen erhalten die Parteien 0,70 Euro für jede für die Liste abgegebene gültige Stimme. Ein erfolgreicher Wahlkampf bringt nicht nur Posten und Einfluss, er hilft auch die Bankkonten der Parteien zu füllen.

Die Verpflichtung der aufstrebenden Werbekoryphäe von Lobenstein hat deshalb nicht zwingend Mehrausgaben für die Partei zur Folge. Je mehr Stimmen die Agentur akquirieren kann, desto mehr Steuergelder fließen den Sozialdemokraten zu, die sie als Durchlaufposten auf das Konto des Produktvermarkters transferieren können.

Hubertus von Lobenstein wird nun ein Briefing für die Sozialdemokraten unter besonderer Berücksichtigung des Kanzlerkandidaten erstellen. Darin wird die Aufgabenstellung formuliert, Ziele erarbeitet und die Konkurrenz ins Visier genommen. Dazu von Lobenstein:

"In Briefings steht viel über die Zielgruppe, deren Herzen und Köpfe mit dem Produkt erobert werden sollen. In schlechten Briefings wird versucht, möglichst elegant zu formulieren, dass man ja eigentlich alle erreichen will. Einschränkungen werden eher widerwillig vorgenommen. In vermeintlich guten Briefings wird dagegen eine glasklare Zielgruppe definiert, ihre psychologischen Befindlichkeiten und die daraus resultierenden Insights für eine Kampagne analysiert, ihr Medienverhalten beschrieben."

Hubertus von Lobenstein wird nun in den kommenden Monaten in unsere Herzen und Köpfe schauen. Er wird die Zielgruppe, die es zu erreichen gilt, eingrenzen und versuchen, der Konkurrenz Terrain abzujagen. In der Politikersprache heißt das: In der Mitte werden die Wahlen gewonnen.

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Geschrieben von

Achtermann

Ich lass' mich belehren. Jedoch: Oft wehre ich mich dagegen.

Achtermann

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