Die politische Mitte ist fast überall

Wahlabend Die politische Mitte rückte wieder ein Stück nach rechts. Die Hauptmedien der Republik arbeiten daran

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Der Chefredakteur des ZDF, Peter Frey, setzte in seinem am Wahlabend gesendeten heute-Kommentar die politischen Leitplanken für die SPD: "Die Schulz-Euphorie verpufft. Damit der Zug nicht ganz entgleist, muss der Parteivorsitzende sofort inhaltlich Klarheit schaffen, rot-rot-grüne Phantasien beenden, sich zur Mitte bekennen."

Die politische Mitte ist eindeutig zu identifizieren: nämlich dort, wo der Neoliberalismus herrscht. Die christlichen Demokraten schwärmen für ihn, die Anhänger der Freien Demokraten sowieso. Die Grünen und die Sozialdemokraten haben ihm während ihrer gemeinsamen Koalition in dieser Republik unumkehrbar zum Durchbruch verholfen. Die Alternativen für Deutschland stülpen ihm einen Nationalismus über, der in seinen Ausformulierungen deshalb nicht hoffähig wird, weil die Globalisierung offene und zum Programm erkorene nationale Ausfälle schlecht verträgt.

Dieser politische Verschnitt, der den Tanz um die selbst definierte politische Mitte veranstaltet, darf nicht mal in Ansätzen in Frage gestellt werden. Ein Schielen auf Die Linke, wie von manchen Sozialdemokraten und Grünen ab und zu mal angedacht, soll schon im gedanklichen Ansatz desavouiert werden. Dafür sorgen Frey und andere Mainstream-Verfechter, der dem neuen französischen Präsidenten das Etikett sozialliberal verpasst, während seine Kollegen von der ARD den Ex-Banker auch schon mal einen Linksliberalen nennen.

In ihm wird die politische Mitte als Person manifest. Seltener hat man einem politischen Newcomer mehr gehuldigt. Keine Kritik weit und breit, wenn man die Kommentare der Mitte-Medien liest. Im Gegenteil. Seine neoliberalen Programmpunkte wurden als förderlich für die Weiterentwicklung der EU dargestellt. Dazu gehört sein Angriff auf den öffentlichen Dienst Frankreichs, aus dem er 120.000 Bedienstete entfernen will, oder die Senkung der Unternehmenssteuer von 33,3 auf 25 Prozent. Auch die Minderung der Arbeitnehmerrechte, damit das Hire and Fire leichter vollzogen werden kann, sowie die mögliche Abschaffung der 35-Stunden-Woche wurden keiner grundsätzlichen Kritik unterzogen.

Der Chefredakteur des ZDF, "er steht der SPD nah" (Focus), will seine favorisierte Partei, nicht in einer phantasierten politischen Schmuddelecke sehen, dort wo etwa Sahra Wagenknecht einen gewissen Einfluss hat. Kapitalismuskritik geht nicht. Sonst verließe man die sozial- oder wahlweise linksliberale Plattform. Und mit ihr die Mitte der Gesellschaft.

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Geschrieben von

Achtermann

Ich lass' mich belehren. Jedoch: Oft wehre ich mich dagegen.

Achtermann

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