Nachdem in der Piratenpartei die ersten Rechtsextremen enttarnt wurden, denkt sie an eine Selbstauskunft. Wer Mitglied der Piraten werden will, soll sich zu seinen früheren Parteimitgliedschaften schriftlich bekennen. Überlegt wird, ob diese Angabe auf freiwilliger Basis erfolgen soll oder als Pflichtangabe der Beitrittserklärung beigefügt werden muss. Ist das jetzt schon der Beginn der Angleichung an die traditionellen Parteien?
Die Situation ähnelt der bei den Grünen in ihren Anfangsjahren. Auch dort sammelten sich tümelnde Blut- und Bodenverehrer, die dem Zauber der Ackerscholle erlegen das Deutschtum aufleben lassen wollten. Damals starben diese Typen aus oder zogen sich mit der Zeit zurück. Doch diesmal handelt es sich um Jungaktivisten, die sich auf ihre noch nicht gereifte politische Entwicklung berufen und von einem Fehltritt sprechen. Wir werden sehen, ob die Piraten ohne Blick auf das Wählerpotenzial sich mit dem Problem auseinandersetzen werden. Zumindest die Ertappten gaben sich professionell in der Verharmlosung ihrer ihnen jetzt angeblich peinlichen Vergangenheit. Doch diese ging erst vor kurzem zu Ende.
Kommentare 12
Das bunte Stimmengewirr bei den Piraten wird noch zu mancher Irritation sorgen. Rechtsaußen wird sich nicht lange halten können, dafür sind die Piraten zu stark eine moderne Strömung mit klarem Bekenntnis zur offenen Gesellschaft, für radikalen Transparenz, für Bürgerrechte...
Gruß BW
"Die Situation ähnelt der bei CDU/CSU in ihren Anfangsjahren."
Oh, hab' ich mich doch glatt verlesen, obwohl "damals" waren die Blut- und Bodenverehrer ebenfalls noch nicht wirklich alt, auf jeden Fall aber per Knopfdruck entnazifiziert. Und die 68er stellten dann wirklich "dumme" Fragen, die "Verehrer" nun wirklich alt.
Ansonsten weiter im substantiellen (Sub)Text:
Wohl noch nicht mal Quote...?
Das kann nicht "gut" gehen...
Zipfelmütze runter.
Wir bleiben Mitte, ja...!
Nicht ganz zu vergessen in Sachen Piraten ist auch deren ehemaliges Vorstandsmitglied Stefan 'Aaron' Koenig, der beim Freitag schon mal eine große Bühne für sein Minarett-Verbot-Anliegen und dem damit zusammen hängenden Lob der direkten Demokratie erhielt. Kurz zuvor hielt er es für ganz besonders piratig, extrem zweifelhafte Verlinkungen auf 'islamkritische' Seiten auf seinem eigenen Blog spurlos verschwinden zu lassen. Wer's nachlesen mag www.freitag.de/positionen/0952-direkte-demokratie-schweiz-minaretteblog.pantoffelpunk.de/brechmittel/geh-denken-stefan-koenig
Nach seinem Austritt aus den Piraten, mit dem er einem Rauswurf knapp zuvor kam, gründete er zusammen mit dem soeben bei der CDU rausgeflogenen René Stadtkewitz 'Die Freiheit'.
Liest man so manche Beiträge von Piraten der ersten Stunde, auch hier beim Freitag, gibt's diese Denke bei den Piraten nach wie vor. Das in Verbindung mit der Maskulisten-Abteilung macht sie für mich leider noch nicht wählbar.
Ich, als über 20jähriger, stimme der Inhaltlichkeit zu, aber nicht der wählbaren Finalisierung.
Piraten, haben so viele Schätze versenkt und versteckt.
btw.
Viele Piraten hatten, also ganz früher, doch einen Kaperbrief, oder?
Der Titel ist mißverständlich.
Ehemalig rechtsradikal. Also rechtsradikal oder nicht? Oder einmal rechtsradikal -- immer rechtsradikal...? Oder verdeckt in der Piratenpartei rechtsradikal? Ganz wichtige Frage, insbesondere im Hinblick auf die letzten zwei Sätze.
Ist ernst und respektvoll gemeint und eigentlich allgemeiner mal zu diskutieren...daher..vielleicht OT hier.
Aaron König wurde während seiner Piratenzeit durchaus von etlichen ParteifreundInnen u.a. für seinen damaligen Beitrag im Freitag kritisiert. Er erhielt allerdings auch viel pirateninterne Zustimmung, die erst dann abebbte, als er die Piraten verlassen und mit dem aus der CDU rausgeflogenen Stadtkewitz eine verdammt rechte Partei gegründet hatte, die alsbald den Niederländer Geert Wilders - ein selbstgefühlter Islamexperte - zu einem Vortrag nach Berlin einlud.
Einige Zeit nach Herrn König schwärmten auch von den Piraten bewegte Maskulisten in die FC, mit Stereotypien, die Brechreiz auslösten.
Mehr Behutsamkeit wünsche ich den Piraten bei ihren Suchbewegungen nach programmatischen Inhalten und bei der Auswahl eines geeigneten Personals in der Führung.
@ Tycho
Ich gebe Dir mit Deiner Anmerkung Recht. Die Überschrift ist zugunsten der Betroffenen formuliert, die sich von ihren politischen Zielen verbal, ich betone verbal, distanziert haben.
@ ebertus
Beim Schreiben ist mir beispielsweise Baldur Springmann in den Sinn gekommen, ein Gründungsmitglied der Grünen. Er war ein Rechtsesoteriker mit arisophischem Einschlag, der nicht nur den Wachstumswahn kritisierte, sondern auch vor der angeblich geplanten Abschaffung des deutschen Volkes warnte.
Oder etwa: August Haußleiter, der zu einem der drei Sprecher der Grünen im Jahre 1979 gewählt wurde. Haußleiter war Mitglied der DVP und später Anhänger der Nationalsozialisten. 1965 gründete er die AUD (Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher) und soll mit der NPD wegen eines Wahlbündnisses in Verhandlungen gestanden haben. Als die Grünen 1986 erstmals in den bayerischen Landtag einzogen, war er mit dabei. 1987 legte er sein Mandat aus gesundheitlichen Gründen nieder.
@ Bildungswirt
Das "bunte Stimmengewirr" ist eine schöne Umschreibung. Gerade deshalb ist mir rätselhaft, weshalb Wählerinnen und Wähler dieser Gruppe (Partei ist evtl. der falsche Begriff) ihre Stimme geschenkt haben oder zu schenken beabsichtigen. Man weiß noch gar nicht genau, was drin ist.
Bemerkenswert finde ich, dass diese Suche nach Programmatischem bei den Piraten mit Sympathie verfolgt wird, während der Partei Die Linke über Jahre vorgeworfen wurde, sie hätten kein Programm und seien deshalb nicht wählbar, weil nicht seriös.
Selbstverständlich ist die Linke wählbar, du brauchst dort nur dein Kreuz machen.
Die Piraten sind jedoch ein neuer politischer Funke in der Landschaft - ich meine, dass Sie sich zu einer altliberal-progressiven-postmodernen Partei entwickeln werden. (Dazu habe ich schon mehrfach im Freitag geschrieben) Rechtsradikale haben dort keinen Einfluss. Piraten sind selbstverständlich wählbar, du brauchst dort nur dein Kreuz zu machen, besser noch mitmachen, gestalten.
Gruß BW
Dass eine neue Partei von allerlei Freibeutern gekapert wird, verwundert nicht.
Wenn sie als Ein-Thema-Partei gestartet ist dann ist das besonders leicht.
Zum Vergleich mit den Grünen der frühen Phase: Ja, die "Völkischen" sind dort ausgestorben oder zumindest nicht mehr sichtbar. Geblieben aber ist die Wirkung der Synergie von Rechtsextremen, wirtschaftsliberalen Bioladengründern, die gute Ausbeutungbedingungen fürs Personal wollten und Karrieristen wie J. Fischer: Die Wirkung ihrer gemeinsamen Gegnerschaft zum "ökosozialen" Flügel.
So konnten die Grünen zur Agenda2010 werden.
Welche Synergien können wirken zwischen Rechtsextremen, Maskulisten und Nerds, die ausserhalb ihrer eindimensionalen Welt eh nichts wahrnehmen? Könnten damit politische Ziele, die bei den Piraten zwar AUCH möglich sind, marginalisiert werden?
Wer jetzt sagt: "Lass mal, die sind neu, das wird sich schon noch irgendwie zurechtruckeln" könnte wieder entäuscht sein, wenn Ergebnisse des "irgendwie Zurechtruckelns" wirksam werden. Möglicherweise sind das Dinge, die viele Mitglieder sich momentan nicht vorstellen können oder wollen. Auch die Mehrheit der grünen Basis von 1980 wäre entsetzt gewesen, wenn man ihnen die Ergebnisse der Regierungszeit von 1998-2005 hätte vorlegen können.
Ich stehe den "Piraten" weder feindlich noch besonders freundlich gegenüber, dafür sind sie wirklich noch zu diffus.
Aber kritische Betrachtung muss schliesslich auch unter Freunden möglich sein. Unkritisches "Fanclub"-Verhalten könnte kontraproduktiv sein.
Klare politische Orientierung bei den Piraten. Hier eine Illustration, jenseits von RECHTS
www.piratenpartei-frankfurt.de/content/pirateninitiative-freiheit-bildung-demokratie-ein-frankfurter-manifest
Gruß BW