Ende einer Dienstwagenaffäre?

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Vom Umgang der Medien mit dem Autoklau

Ist sie nun zu Ende die vermeintliche Dienstwagenaffäre um Ulla Schmidt, oder wird sie weiterschwelen wie CDU, FDP, einschlägige Funktionäre und Medien das wollen? Die potenziellen Verfechter der neuen Berliner Koalition haben auch nach dem Freispuch Ulla Schmidts durch den Bundesrechnungshof nochmals im Feuer geschürt, um der Glut zu mehr Sauerstoff zu verhelfen.

Begonnen hatte die Skandalisierung durch Bild am Sonntag und BZ am Sonntag, die mit ausgesuchten Leuten eine Interviewserie starteten. Einen Tag, nachdem die Nachricht via Focus an die Öffentlichkeit gelangte, begann die Kampagne. Otto Fricke (FDP), der Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Bundestag, erhielt Gelegenheit, sich im Springerblatt zu äußern. Außerdem konnte der Verbandsgeschäftsführer des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, in derselben Ausgabe seinen vermeintlichen Empörungen und Vermutungen freien Lauf lassen: „Nur für den Fahrtkomfort einer Ministerin dürfen keine Steuergelder verschwendet werden.“ Am selben Tag ließ die Berliner Boulevardzeitung BZ am Sonntag (Springer-Verlag) den Verbandsvorsitzenden des Bundes der Steuerzahler, Karl-Heinz Däke, mit emotionalen Äußerungen Wort kommen („Eine unglaubliche Sache!“), ohne auf die bestehenden Richtlinien zur Dienstwagennutzung einzugehen. Ein vierter im Bunde, der Präsident der Freien Ärzteschaft, Martin Grauduszus, ein politischer Intimfeind Schmidts, wurde ebenfalls die Gelegenheit geboten, Stellungnahmen in der Presse gegen Ulla Schmidt abzugeben: „Eine Ministerin, die nicht müde wird auf angeblich korrupte Ärzte hinzuweisen, kann es sich keinesfalls erlauben, auch nur einen Hauch des Verdachtes auf Missbrauch von Steuergeldern auf sich zu ziehen.“

Es wird nicht zu ermitteln sein, wer die treibende Kraft war, die oben genannten Medien oder die Sachexperten, die den Drang verspürten, den Vorgang zum Anlass zu nehmen, der ungeliebten Ministerin eins auszuwischen und um damit den politischen Gegner zu treffen. Am wahrscheinlichsten ist, dass eine informelle Übereinkunft der Kooperation existiert, weil beide Seiten, die einschlägigen Medien als auch die Interessenvertreter, gemeinsame politische Ziele verfolgen.

Tags darauf wurden die Äußerungen der oben genannten Herren unter Hinweis auf die beiden Boulevard-Zeitungen von fast allen Medien übernommen und daraus mehr oder weniger unterschiedliche Artikel, aber alle im gleichen Tenor in Richtung Skandal verfasst. (Sehr ausführlich und gleich mehrfach in Spiegel-Online.) Der Autoklau wurde so mit diebischer Freude auf die Ebene eines vermeintlichen Skandals gehoben. Erst im Laufe des Tages wurde bei weiteren Artikeln in den Online-Angeboten der Medien – eher beiläufig - erwähnt, dass Ulla Schmidt wahrscheinlich formal korrekt gehandelt hätte.

Aber auch die Presse, die sich journalistische Befähigung beimisst und in der Selbstdarstellung gerne von „Qualitätsjournalismus“, den man betreibe, schreibt, steht den Berufskollegen des Boulevards nur wenig nach. Am Tag, als der Bundesrechnungshof Ulla Schmidt rehabilitierte und der SPD-Kanzlerkandidat die Ministerin nachträglich in sein Wahlkampfteam aufnahm, erschien in der gedruckten Ausgabe Frankfurter Rundschau ein Artikel unter Berufung auf inoffizielle sozialdemokratische Quellen, aus denen hervorgehe, dass die Gesundheitsministerin keine Chance mehr hätte, in Steinmeiers Team aufgenommen zu werden. Die Zeitung spekulierte bar jeglicher handfester Belege, nicht etwa in einem Kommentar über Schmidts innerparteiliches Ende, sondern in einem Beitrag („Ulla Schmidt fährt neben der Spur“), der der Information der Leser dienen sollte. Die in diesen Fällen unrühmlichen Formulierungen wie „…nach Informationen der Zeitung…“ oder „...Beobachter erwarten, dass...“ sind gut dafür geeignet, seriösen Journalismus nur vorzutäuschen. Sie lassen nicht zwingend darauf schließen, dass hier aufrichtig gearbeitet wurde.

Eine der uns Lesern immer wieder nahegebrachten Standardweisheiten der politischen Berufsbeobachter, man müsse vertrauliche Informationen der Volksvertreter diskret behandeln, um diese weiter als Quelle für Hintergrundinformationen benutzen zu können, hat der Schreiber der Frankfurter Rundschau wieder mal ad absurdum geführt. Entweder er hat gar keine „parteiinterne Kreise“, auf die er sich beziehen kann oder seine Quellenlage ist derart miserabel, dass er damit nicht hätte an die Öffentlichkeit treten dürfen.

Egal, ob Boulevard oder Qualitätsjournalismus: Der Seriösität scheint immer weniger Platz eingeräumt zu werden. An der vermeintlichen Dienstwagenaffäre ist dies gut zu studieren.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Achtermann

Ich lass' mich belehren. Jedoch: Oft wehre ich mich dagegen.

Achtermann

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