Im ersten Vergabeverfahren hatte er einen Platz im Gericht ergattert. Er war schnell genug. Nach dem Verfahren 'Wer zuerst kommt, mahlt zuerst' wurde ihm ein Journalistenplatz vom Gericht zugestanden. Jetzt, im zweiten Verfahren 'Wer zwingt das Glück?', hatte er Pech. Er musste seinen Platz wieder abtreten.
Dieses Mal hat das Gericht ausdrücklich gestattet, dass der gewonnene Sitzplatz an einen anderen Medienvertreter teilweise oder gänzlich abgetreten werden kann. Dazu führt Lejeune in seiner Beschwerde an:
"Diese Konstruktion leistet in unverantwortlicher Weise einer schrankenlosen Kommerzialisierung Vorschub. Denn das liegt auf der Hand: Sollte ein deutsches Leitmedium bei der … Tombola nicht zum Zuge kommen, wird es — mit nahezu grenzenlosen Finanzmitteln ausgestattet und auch sonst für Sensationsnachrichten zweistellige Dollar-Millionenbeträge auszuschütten bereit — einen Platz via die 'nachträgliche Poolbildung' von einem glückhaften, aber minderbemittelten oder gar existenzbedrohten Medium kaufen."
Dankenswerterweise lenkt Lejeune den Fokus auf Scheckbuch-Journalismus, den der Stern schon vor 30 Jahren für die vermeintlichen Hitler-Tagebücher angewendet hat. 9,3 Millionen D-Mark hat der Verlag damals locker gemacht, um in deren Besitz zu kommen. Nichts ist naheliegender als die Überlegung Lejeunes, klamme Medien oder solche mit geringer Reichweite hätten sich um einen Platz im Gericht nur deshalb beworben, um nach dem Losglück das große Geld machen zu können. Denn zweistellige Dollar-Millionenbeträge sind kein Pappenstiel, nicht mal für einen Vorstandsvorsitzenden eines deutschen Fußball-Unternehmens. Und die Chancen, ans Geld zu kommen, sind nicht gering: 50 zu 324, also rund 1 zu 6.
Damit spiegelt das Vergabeverfahren unser wirtschaftliches System wider, wonach Angebot und Nachfrage den Preis regulieren. Da die Nachfrage das Angebot deutlich übersteigt, liegt viel Geld in der Luft. Damit bekommt der "Jahrhundertprozess", wie er schon genannt wurde, eine neue Dimension, nämlich eine zutiefst kommerzielle. Dass ausgerechnet das deutsche Gerichtswesen, das die Unabhängigkeit Tag und Nacht als Monstranz vor sich herträgt, Auslöser und Antreiber dieser kapitalistischen Variante der Prozessberichterstattung ist, muss man mit einem Anflug von Sarkasmus zur Kenntnis nehmen.
Vermutlich hätten sich keine 324 Medienvertreter eingefunden, wenn das Gericht den Prozess in einen weiteren Raum per Video hätte übertragen lassen. Wahrscheinlich wäre die elektronische Bildübermittlung innerhalb weniger Wochen überflüssig geworden, weil das Interesse an jedem Verfahren deutlich nachlässt. Stattdessen produzieren die Richter eine Fragwürdigkeit nach der anderen.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.