Maischberger will Ditfurth aus Sendung werfen

Medien Man kann sich streiten, ob Talkshows politische Themen seriös an die Zuschauer herantragen können. Die Moderatorin sollte eigentlich moderieren: mäßigen, steuern, lenken

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Wer raus geht ...
Wer raus geht ...

Quelle: WDR

Die Sendung Maischberger (ARD), in der die prominentesten Politiker auftreten, gilt gemeinhin als journalistisches Format. Zur jüngsten Sendung Gewalt in Hamburg: Warum versagt der Staat? waren eingeladen der Stern-Journalist Hans-Ulrich Jörges, der Politiker der Linken Jan van Aken, der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, die Publizistin Jutta Ditfurth, der Hamburger CDU-Bürgerschaftsabgeordnete und Polizeifunktionär Joachim Lenders und die SPD-Familienministerin Katarina Barley.

Es kommt selten vor, dass ein Gast einer Talkshow die Runde verlässt, einfach geht. Die Mikrofonverkabelung aus dem Jackett nestelt und nicht mehr zu halten ist. Wolfgang Bosbach (CDU) hat sich diese Freiheit genommen. Er konnte die Mitdiskutantin Jutta Ditfurth nicht mehr ertragen. Er hatte die Schnauze voll: "Frau Ditfurth hat zum dritten oder vierten Mal Herr Lenders in geradezu unverschämter Weise angegangen. (...) Frau Ditfurth ist persönlich und von ihrem Verhalten - in Anführungszeichen - Argumentation unerträglich." Kurz zuvor hatte der Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete und Polizeifunktionär Joachim Lenders (CDU) zu den Ausführungen Ditfurths, diverse Medien hätten darüber berichtet, dass Journalisten von der Polizei verprügelt worden seien, mit äußerster Erregung kommentiert: "Sie haben ja sowieso keine Ahnung! Es ist doch einfach Gesabbel, was Sie da machen! Einfach dummes Gesabbel!" (ab Minute 58)

Es ist wohl noch nie vorgekommen, dass die Gastgeberin einer Talkshow einen Gast rausschmeißen will. Maischberger an Ditfurth gerichtet: "Jetzt muss ich Sie tatsächlich auch bitten, die Sendung zu verlassen, dann haben wir wieder eine Parität hier." Also: Weil Wolfgang Bosbach aus freien Stücken die Talkrunde verlassen hat, soll Jutta Ditfurth durch einen zu erzwingenden Abgang Parität wieder herstellen. Man fragt sich: Welche Parität? Seit wann werden Talkrunden nach diesem Kriterium besetzt?

Erst kürzlich hat Marco Bülow (SPD-Bundestagsabgeordneter) eine Studie veröffentlicht, die sich mit der Besetzung und den Themen von Talkrunden im öffentlich-rechtlichen Rundfunk beschäftigt. Die Themenauswahl sei einseitig: "Wenn man die Bereiche Extremismus, Populismus, Terrorismus und Flüchtlinge zusammennimmt, hat dieser Komplex fast jede zweite Sendung bestimmt. Soziale Gerechtigkeit und Umweltthemen kamen dagegen so gut wie gar nicht vor - und das, obwohl in Paris erst ein Klimagipfel tagte." Dass in den Talkrunden meistens die selben Leute auftauchten, erklärte er damit, dass die Sender die Experten der Parteien ablehnten: "Wenn der Spitzenpolitiker absagt, den die Talkshow haben will, dann wird die Partei gar nicht berücksichtigt."

Das Paritätsargument Maischbergers ist getrost nicht allzu ernst zu nehmen, zumal Jutta Ditfurths Beiträge an der Sache orientiert waren. Der Moderatorin ist vermutlich bewusst geworden, dass in öffentlich-rechtlichen Fernsehdiskussionen, die christdemokratischen Teilnehmer nicht mit dezidiert linken Argumenten belästigt werden dürfen. Auch wenn sie gar nichts mit Gesabbel zu tun haben. Ditfurth ließ sich nicht rauswerfen. Maischberger stellte trotzdem ihre Parität her. Ditfurth kam einfach nicht mehr dran.

Da Jutta Ditfurth und Jan van Aken eine Woche lang in Hamburg mitten im Geschehen waren, sind ihre Argumente weitere Mosaiksteine der Aufklärung. In ihre Filterblase völlig eingeschlossen sind Wolfgang Bosbach und Joachim Lenders.

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Geschrieben von

Achtermann

Ich lass' mich belehren. Jedoch: Oft wehre ich mich dagegen.

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