Steinmeiers Wahl reine Formsache

Experte für Sozialabbau Es scheint unumstößlich: Steinmeier folgt auf Gauck. CDU/CSU haben niemanden gefunden, der sich gegen den amtierenden Außenminister hätte durchsetzen können

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Wobei: Das staatliche Organ, in dem Steinmeier sich durchzusetzen hat, ist die Bundesversammlung, die nur tagt, um die Nachfolge zu regeln. Von Wahl kann nur bedingt die Rede sein. Die Mehrheitsverhältnisse stehen fest. Die amtierende Koalition bringt rechnerisch über zwei Drittel der Delegierten zusammen. Die Wahl des Gauck-Nachfolgers ist somit Formsache. Dass die Linkspartei eine Gegenkandidatur angekündigte, wird an dem voraussichtlichen Ergebnis nichts ändern.

Steinmeier gilt als der Architekt des Sozialabbaus unter Bundeskanzler Schröder. Er war als Kanzleramtsminister 2001/2002 der Vorsitzende des nach ihm intern so benannten Arbeitskreises. Zusammen mit dem Staatssekretär des Bundesarbeitsministeriums Gerd Andres und der Bertelsmann-Stiftung waren sie die führenden Köpfe bei der Erarbeitung des neuen Konzepts, das die Unternehmen und die Sozialkassen auf Kosten der Arbeitnehmer entlasten sollte.

Die Professorin für Politik Anke Hassel, die sich mit dem geheimen Arbeitskreis im Nachhinein befasste, stellt fest: "Die politischen Parteien und Bundestagsabgeordnete waren im Arbeitskreis nicht vertreten. Nach der Einschätzung eines Beteiligten, hatte sich in den Parteien in dieser Frage niemand profiliert. Wesentliche Spielregel des Arbeitskreises war, dass alle Mitglieder nur als Person und nicht als Vertreter einer Institution auftraten. Eine Voraussetzung dafür war, dass keine Einzelheiten und Ergebnisse publik werden sollten." Die Bertelsmann-Stiftung finanzierte die Projektressourcen, stellte wissenschaftliche Expertisen bereit und organisierte Studienreisen.

Die 2002 gegründete Hartz-Kommission, die auch öffentlich in Erscheinung trat, hatte in Wirklichkeit keinen bedeutenden Einfluss mehr: "Wir haben das als Kuckucksei der Hartz-Kommission untergeschoben", sagte ein Mitarbeiter des Bundesministeriums für Arbeit der forschenden Professorin. Denn der wichtigste Punkt, die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, galt zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr als verhandelbar.

Der Sozialabbau wurde noch vor der Bundestagswahl 2002 festgezurrt, während die Öffentlichkeit davon noch keine Ahnung hatte bzw. mit Dementis Gewogenheit hervorgerufen wurde. Der dann von Schröder angeheuerte "Superminister" Clement (heute FDP und damals ein Botschafter der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft) soll alle angedachten minimalen Rechtspositionen für Arbeitslose aus den Entwürfen gestrichen und den vereinzelt auftretenden parlamentarischen Widerstand mit Hilfe der Opposition (CDU/CSU/FDP) ausmanövriert haben.

Damit schließt sich der Kreis um Steinmeier und hebt ihn in sein gewünschtes Amt. Der Experte für Sozialabbau ist Umfragen zufolge der beliebteste Politiker dieser Republik. Ja dann - kann nichts mehr schief gehen!

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Geschrieben von

Achtermann

Ich lass' mich belehren. Jedoch: Oft wehre ich mich dagegen.

Achtermann

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