Wenn das ZDF informiert

Olympiabewerbung Noch am Tag der Abstimmung über die Hamburger Olympiabewerbung publizierte das ZDF das vermeintliche Ergebnis: 56 Prozent dafür, 44 dagegen.

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Verlassen hat sich das Zweite Deutsche Fernsehen auf die Mannheimer "Forschungsgruppe Wahlen", die nach eigener Aussage am Tag der Entscheidung eine Umfrage bei "3.800 zufällig ausgewählte(n) Abstimmungsberechtigte(n)" durchführte. Dabei betonte das Meinungsforschungsinstitut, dass die Fehlerquote bei einer 50-prozentigen Beteiligung bei "rund +/- zwei Prozentpunkte(n)" liege. Wenige Stunden später wussten wir: Dieses Resultat ist falsch, denn die Hamburger entschieden sich gegen den Sportkommerz.

Die "Forschungsgruppe Wahlen" und das diese Aussage veröffentlichende ZDF nahmen den vermeintlichen Wahlausgang so vorweg: "Dieses Abstimmungsergebnis kam zustande, obwohl kaum jemand den Kostenprognosen für die Spiele geglaubt hat...".

Die Umfrage-Veröffentlichung zeigt auf, wie sicher die beiden Dauerpartner sich in ihrer Zusammenarbeit wähnen. Aber auch auf welch unsicherer Basis diese Prognosen zustande kommen. Schon in der Vergangenheit haben sich die Meinungsinstitute immer wieder mal Niederlagen einhandeln müssen. Einer der gefürchtetsten Kritiker der Institute, der Schweizer Statistikprofessor Fritz Ulmer, sagt: "Wahlprognosen sind keine Orientierungshilfe für den Wähler, sondern Täuschung, denn sie werden systematisch gefälscht." Er stellt die Repräsentativität der Umfragen generell in Frage. Diese könne es weder bei 500, bei 1.000 noch bei 10.000 Personen geben. Die Umfrageergebnisse würden nicht etwa eins zu eins kommuniziert, sie würden, und das sei das eigentliche Geschäft der Prognostizierer, manipuliert. Ergebnisse, die bei der Sonntagsumfrage nicht plausibel seien, würden "zurechtgebogen". Noelle-Neumann, die ehemalige Leiterin Instituts für Demoskopie Allensbach, hätte nach eigener Aussage die Ergebnisse um bis zu zehn Prozent abgeändert, bevor sie veröffentlicht worden seien. Im Insiderjargon nenne man dies "politische Gewichtungskunst".

Die "Forschungsgruppe Wahlen" hat offensichtlich versagt. Sie hat falsch gewichtet. Allerdings konnten wir dies nur feststellen, weil das reale Ergebnis am späteren Abend veröffentlicht wurde. Bei sonstigen Umfragen, die nicht verifiziert werden können, wenn etwa das "ZDF-Politbarometer" allmonatlich auf der Mattscheibe präsentiert wird, sind wir der Gewichtungskunst der Meinungsmacher ausgeliefert. Aber: Wir sind und bleiben misstrauisch.

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Geschrieben von

Achtermann

Ich lass' mich belehren. Jedoch: Oft wehre ich mich dagegen.

Achtermann

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