"Wir. Dienen. Deutschland.", neuer unaufrichtiger Slogan des Militärs

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http://www.bundeswehr.de/resource/resource/MzEzNTM4MmUzMzMyMmUzMTM1MzMyZTM2MzEzMDMwMzAzMDMwMzAzMDY3NzA2YzMwNmEzMTM4N2EyMDIwMjAyMDIw/slogan_420.jpgDer Slogan zum Bundeswehr-Logo, Claim genannt, wurde mit Abschaffung der allgemeinenWehrpflicht geändert. Aus dem bisherigen Zusatz Karriere mit Zukunft wurde Wir. Dienen. Deutschland. Der nun ersetzte Claim hatte einen politischen Neutralitätscharakter. Jede Bank, jeder Lebensmitteldiscounter hätte mit ihm werben können. Der Aldi-Konzern bewirbt junge Leute derzeit so: Karriere ist eine Gerade. Inhaltlich nicht weit entfernt von dem, wie die Bundeswehr bisher ihr Selbstverständnis kommunizierte. Sie versprach eine Karriere, eine Laufbahn, so wie sie im gewöhnlichen Berufsalltag sich vollziehen kann, wenn man ein wenig Glück hat. Die hervorgerufene Assoziation des alten Claims war Teil ihres Selbstverständnisses: Nicht anders sein zu wollen als sonstige Institutionen, in denen Bürger ihr Geld verdienen, nur in Uniform eben.

Am 4. Juli nun stellte der Bundesminister der Verteidigung, Thomas de Maizière, die neue Botschaft der Bundeswehr vor: Wir dienen Deutschland. Diese Botschaft wurde zu einem Sound verarbeitet, jedes Wort wurde zum Satz, zumindest optisch: Wir. Dienen. Deutschland.

De Mazière bezeichnete diesen Claim als die neue Kernbotschaft der Bundeswehr. Das 'Wir' stehe für die ganze Gesellschaft. Es stehe aber auch für gelebte Kameradschaft, es schließe niemanden aus. 'Dienen' sei eine gute Sache. "Wir dienen treu auf der Grundlage unseres Grundgesetzes. Wir dienen freiwillig und selbstbewusst. Dieser Dienst fordert und erfüllt uns mit Stolz. Wir dienen mit unseren individuellen Stärken, ehrenvoll und – wenn es im äußersten Fall gefordert ist – unter Einsatz unseres Lebens.“, sagte de Maizière. Und 'Deutschland', meinte der Minister, sei unsere Heimat. Diese teilweise moralischen Ansprüche sollen die Freiwilligen also locken.

Die andere Seite ist diejenige, die der frühere erste Repräsentant dieses Deutschland in einem Interview kundgab und zum äußeren Anlass seines Rücktritts wurde: „Meine Einschätzung ist aber, […] dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege,[…]“. Diese einfache Wahrheit wurde zu einem etwas zu frühen Zeitpunkt ausgesprochen, von einer Persönlichkeit, die zu diesem Moment den allgemeinen Politikbetrieb mit verbalen Schmiermitteln nicht genügend versorgte.

Nur wenige Monate später gab das Verteidigungsministerium handlungspolitische Maximen heraus, die Köhlers Gedanken beinhalten: Offizielles Bundeswehr-Ziel ist nun "einen freien und ungehinderten Welthandel sowie den freien Zugang zur Hohen See und zu natürlichen Ressourcen zu ermöglichen." In den am 18. Mai dieses Jahres veröffentlichten Verteidigungspolitischen Richtlinien wird dieses Ziel nun amtlich:

"Freie Handelswege und eine gesicherte Rohstoffversorgung sind für die Zukunft Deutschlands und Europas von vitaler Bedeutung. Die Erschließung, Sicherung von und der Zugang zu Bodenschätzen, Vertriebswegen und Märkten werden weltweit neu geordnet. Verknappungen von Energieträgern und anderer für Hochtechnologie benötigter Rohstoffe bleiben nicht ohne Auswirkungen auf die Staatenwelt."

Man merkt, es geht nicht so sehr um die abstrakten Rechte der Demokratie, die im Grundgesetz niedergelegt sind. Das Sicherheitsinteresse liegt mehr im wirtschaftlichen Bereich. Die Menschenrechte international durchsetzen zu wollen, auch ein angebliches Aufgabenfeld des Militärs, hat wohl eher eine textliche Zierfunktion. Ob das Respektieren des Völkerrechts noch eine Rolle spielt, wenn die Einverleibung der Rohstoffe infrage gestellt sein sollte, bleibt offen. Der Auftrag der Bundeswehr ist nicht mehr die Landesverteidigung, das gesteht sie auch ein. Verteidigt werden sollen die Interessen der rohstoffverarbeitenden Industrien sowie deren Vertriebswege. Man ist eingebunden in die Nato, und jeder Staat, dessen Kapitaleigner wirtschaftliche Vorteile haben, hat seinen militärischen Anteil beizutragen.

Deshalb ist der Slogan Wir. Dienen. Deutschland. nicht aufrichtig. Zwischen einem zockenden und spekulierenden Investor und einem Hartz-IV-Empfänger besteht keine Wir-Beziehung. Letzterer wird eher an die militärische Front gelockt, um die Interessen des Ersteren zu wahren, und sei es mit dem Verlust seines Lebens.

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Geschrieben von

Achtermann

Ich lass' mich belehren. Jedoch: Oft wehre ich mich dagegen.

Achtermann

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