Interview mit Beatrice Möller

Alles was wir wollen Die Regisseurin Beatrice Möller begleitete drei Frauen um die 30. Unabhängig und gut ausgebildet, haben sie zahlreiche Möglichkeiten ihr Leben zu gestalten. Zu viele?

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Interview mit Beatrice Möller

Aber welche Entscheidung ist die richtige und ist wie geht man mit dieser beinahe unbegrenzten Freiheit um? Schwierige Fragen, denen sich Beatrice Möller im Interview mit dem achtung berlin-Blog stellte.

Deine Protagonistinnen sprechen über Chancen, aber auch die Schwierigkeit deswegen Entscheidungen zu treffen. Geht es dir genau so, lässt du sie für dich sprechen?

Es ist auf jeden Fall ein Thema, das mich beschäftigt. Die Offenheit - vor allem im Vergleich zu unseren Müttern, die viele Möglichkeiten nicht hatten. Ich habe mit den Müttern gesprochen. Da gibt es teilweise Unverständnis, aber sie beneiden unsere Situation auch, weil wir diese Freiheit haben: ins Ausland zu gehen, ein Praktikum zu machen, einen Job zu haben, den Job zu wechseln, sich etwas Besseres zu suchen, nirgendwo stehen zu bleiben und nirgendwo wirklich anzukommen. Denn das, was hinter der nächsten Ecke wartet, könnte noch besser sein.
Beruflich finde ich mich jedoch nicht unbedingt in den drei Frauen wieder. In den vier Jahren, die der Dreh dauerte, habe ich mich beruflich stark gefestigt. Ich möchte als Filmemacher und Regisseurin arbeiten und schaue nicht nach links und rechts. Kommt es aber irgendwann zu dem Punkt, dass ich nicht mehr davon leben kann, dann muss ich mir schon Gedanken machen, ob ich mich wieder nach etwas Neuem umsehe.

Die Mütter erklären oft, dass es früher einfacher war, dass Frauen das eigene Leben und die eigenen Entscheidungen weniger hinterfragt haben. Sehnst du dich manchmal nach dieser „Einfachheit“?

Gute Frage. (überlegt lange) Nein, eigentlich nicht. Ich bin sehr dankbar, dass wir das machen können, was wir wollen. Ich bin mir aber noch nicht über den Weg sicher, wie wir mit dieser großen Freiheit glücklich werden. Denn mit dieser Freiheit verlieren viele Dinge ihre Bedeutung. Ich will nicht verallgemeinern, aber ich habe das Gefühl, dass unsere Eltern noch die Möglichkeit hatten, sich etwas zu erkämpfen. Das müssen wir heute nicht mehr. Dadurch fällt der Wert der Dinge. Heute können wir einfach zum Flughafen und nach Neuseeland fliegen, das hat vor 30 Jahren niemand gemacht. Es wäre eine unvergessliche Aktion gewesen. Trotzdem beneide ich die Situation unserer Eltern nicht.

Dein Film feierte zwar noch nicht Premiere, aber deine Freunde wissen sicher um was es geht. Kommen viele Menschen auf dich zu und sagen dir, dass ihnen das Thema aus dem Herzen spricht?

Ja, alle in meinem Alter. Auch Männer. Sie sehen den Film und sagen: „Das sind zwar alles Frauen, aber diese Dinge beschäftigen mich auch und ich erkenne mich darin wieder.“

Du sprichst die Männer an. Dein Film porträtiert drei Frauen. Unterscheidet sich die Situation der Männer um die 30 von der deiner Protagonistinnen?

Es ist grundsätzlich gleich. Außer, dass die biologische Uhr bei Männern nicht so stark tickt. Die Fragestellungen über Job, Familie und Beziehungen sind die gleichen. Trotzdem habe ich drei Frauen gewählt, denn zu Drehstart gab es ähnliche Projekte von und mit Männern. Mein Film ist keine Reaktion darauf, aber ein konzentrierter Blick auf die Frauen – denn das waren nun mal meine Fragen und meine Zweifel zu dieser Zeit.

Zurück zum Film. Wie hast du deine Protagonistinnen gefunden?

Anfangs habe ich in meinem direkten Umfeld gesucht. Zum Teil sind die Protagonistinnen meine Freundinnen. Nachdem ich mit dem Dreh begonnen hatte, habe ich im Laufe der Dreharbeiten meinen Blick weiter geöffnet. Ich habe dann mit vielen Frauen gesprochen, auch mit „externen“ Frauen. Ich suchte einfach bestimmte Konstellationen und Gegenstücke, um meine Geschichte erzählen zu können.

Warum hast du genau die drei ausgewählt?

Weil es ein Langzeit-Projekt war, wusste ich nicht was passiert. Deswegen musste ich mich weitgehend intuitiv entscheiden. Natürlich innerhalb eines Rahmens: Es musste zur Filmidee passen. Ich habe zum Beispiel versucht, nicht drei Frauen auszuwählen, die womöglich alle während des Drehs ein Kind bekommen. Ich wollte, dass nicht alle drei Frauen die gleiche Geschichte leben, dass verschiedene Biografien aufeinandertreffen. Dass der Film so gut funktioniert, war letztendlich natürlich auch Glück. Ich konnte nicht wissen, wie sich die drei entwickeln werden.

Bei deinen Protagonistinnen ändert sich teilweise doch einiges während der Dreharbeiten. Du hast von einem 4-jährigen Projekt gesprochen. Wie lange hast du sie begleitet?

Ich habe mit 28 Jahren angefangen und ungefähr zwei Mal im Jahr gedreht. Außerdem natürlich, wenn etwas passiert ist. Aber der Haupterzählstrang des Films ist nicht die vergehende Zeit, sondern die Reflexion. Der Zeitraum im Film ist tatsächlich 3-4 Jahre. Selbst als ich mit dem Schnitt angefangen hatte, habe ich noch weiter gedreht.

Wir kommen zum Ende und wagen einen Ausblick. Wie geht es bei dir weiter? An welchen Projekten arbeitest du?

Ich arbeite an verschiedenen Projekten. Vor allem möchte ich unbedingt wieder nach Südafrika (wo Beatrice Möller aufgewachsen ist, Anm. d. Red) Außerdem arbeite ich momentan für das Radio, wo ich dokumentarische Radiofeatures mache und werde in nächster Zeit mit dem Vertrieb von „Alles was wir wollen“ beschäftigt sein. Da ich den Film selbst bzw. durch Crowd-Funding finanziert habe, läuft auch der Vertrieb independent. Es müssen neue und alternative Wege gefunden werden den Film an sein Publikum zu bringen.

Alles was wir wollen von Beatrice Möller

Peter Correll
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Geschrieben von

achtung berlin

Der achtung berlin - new berlin film award ist ein Filmfestival, das sich mit Leib und Seele dem Hauptstadtkino verschrieben hat. 9.-16. April 2014

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