Interview mit Eva Stotz (Global Home)

Couchsurfing Als die Filmemacherin Eva Stotz vom Online-Netzwerk Couchsurfing erfährt, ist ihre Neugierde geweckt; sie packt ihre Kamera ein und macht sich auf die Reise.

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Interview mit Eva Stotz (Global Home)

In "Global Home" gewährt sie Einblicke in fremde Leben und erzählt von faszinierenden Menschen, die die Globalisierung und das Internet als Chance für mehr Miteinander begreifen. Der Film läuft beim achtung berlin im Wettbewerb Dokumentarfilm.

„Global Home“ ist als Abschlussarbeit im Rahmen deines Regiestudiums an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin entstanden. Wie bist du auf die Idee gekommen?

Als ich zum ersten Mal in Istanbul "couchsurfte" entstand die Idee für den Film. Ich hatte da was gefunden auf das ich schon lange gewartet hatte: Ein Tor in der digitalen Welt, das wieder zur echten Begegnung in der offline Realität führte.

Wie kann man sich die Umsetzung vorstellen? Wie lange war die Vorbereitungs- und anschließende Drehzeit?

Vorbereitet wurde der Film etwa ein Jahr, dann habe ich in jedem Land etwa 4 Wochen gedreht. Dazwischen kam ich immer kurz wieder nach Berlin, um das Material zu sortieren und die nächste Reise vorzubereiten.

Neben dem Gründer von CouchSurfing.org hast du vier weitere Menschen besucht. Wie hast du diese Persönlichkeiten ausgewählt und wie haben sie auf deine Anfrage zur Teilnahme an deinem Filmprojekt reagiert?

Ich suchte die Protagonisten nach ihren Themen aus, die sie in den Film bringen. Dafür arbeitete ich mich durch hunderte von Profilseiten und schrieb sehr viele Emails. Jeder der fünf Charaktere sollte eine eindeutige Aussage in den Film bringen, die sich zu einem spannenden Bild zusammensetzen, von einer Generation die "globale Verantwortung" übernimmt. Nach anfänglichem Zögern, reagierten alle positiv auf die Anfrage, und hatten Lust die Couchsurfing-Idee zu verbreiten.

Hast du die Aufenthaltsdauer je Station im Voraus festgelegt oder individuell davon abhängig gemacht, wie schnell du am alltäglichen Leben deiner Gastgeber teilhaben durftest?

Ich war überall etwa 4 Wochen - das gaben die Produktionsbedingungen vor. Die erste Woche drehten wir meist ganz wenig oder gar nicht, und verbrachten einfach nur viel Zeit mit dem Gastgeber. Dieses Zusammenleben unter einem Dach gibt einem sehr schnell das Gefühl, dass man sich schon viel länger kennt.

Wie viel von dem, was wir in deinem Film sehen, war im Voraus geplant, wie viel ist spontan entstanden?

Ich hatte ausführliche Skype-Interviews mit meinen Protagonisten geführt und sie hatten Fragebögen beantwortet, damit ich eine Vorstellung von ihrem Alltag bekomme. Das brauchte ich auch um das Drehbuch zu schreiben. Beim Drehen hatte ich natürlich ein paar Punkte im Kopf die ich unbedingt drehen musste, doch einiges durfte auch einfach spontan entstehen. Das sind beim Dokumentarfilm sowieso oft die stärksten Momente, wenn das Leben das Drehbuch schreibt.

Hast du während deiner Reise Stationen bzw. Menschen besucht, die später nicht im Film auftauchen?

Nein, alle die ich gedreht habe sind auch im Film.

Du hast Menschen in den USA, Mali, Japan, Palästina und der Türkei besucht. Wo hat es dir persönlich am besten gefallen und wieso?

Alle Reisen waren sehr intensiv und bereichernd. Am schwersten fiel mir die Abreise aus Mali. Ich bin fasziniert von Afrika und seine Menschen, mag vor allem den Humor und das Familienbewusstsein. Bei Reisen auf dem afrikanischen Kontinent habe ich immer das Gefühl mich in einer Mischung aus Abenteuer, Überforderung und Sinnlichkeit zu befinden, und dabei eine große Zugänglichkeit zu aufregendem Wissen zu haben.

Ob und inwiefern spiegelt Couchsurfing deiner Meinung nach die heutige Generation der 20-40-Jährigen wider? Siehst du in Couchsurfing die Zukunft des Reisens?

Ich denke es spiegelt vor allem eine Haltung des globalen Bewusstseins wider, mit dem diese Generation natürlich heranwächst. Die Welt ist zugänglich geworden, ein gewisses Gefühl von Wurzellosigkeit gehört auch dazu. Die persönlichen Kontakte weltweit spielen eine immer größere Rolle. Couchsurfing ist bestimmt ein Netzwerk, das viele Millionen Gleichgesinnte weltweit vereint, und erkenntlich macht. So werde ich es immer nutzen, wenn ich an einen Ort komme an dem ich niemanden kenne. Selbst wenn ich nicht immer zum eigentlichen Couchsurfen benutze, sondern auch einfach um Kontakte mit Einheimischen zu machen und andere Geschichten, als die aus dem Reiseführer zu hören.

Arbeitest du bereits an einem neuen Filmprojekt und kannst du uns schon etwas darüber verraten?

Kurz vor der Premiere von „Global Home“ komme ich aus Istanbul zurück. Dort werde ich gerade meine Tanzfilm "One Million Steps" abgedreht haben. Das ist ein Tanzfilm, der sich rhythmisch mit dem Ort auseinandersetzt an dem die verschiedenen Geschwindigkeiten von Tradition und Moderne aufeinander prallen.

Jona Armborst
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Geschrieben von

achtung berlin

Der achtung berlin - new berlin film award ist ein Filmfestival, das sich mit Leib und Seele dem Hauptstadtkino verschrieben hat. 9.-16. April 2014

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