Nostalgie: Umbrüche, die in Kneipen enden

Rückblick auf die diesjährige Retrospektive „Berlin im Film der 90er Jahre“ anlässlich 10 Jahre „achtung berlin“, Teil 2

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Dana Lech
Dana Lech

Dana Lech

Wohin führt uns das Leben? Eine Frage; der Regisseur Frank Blasberg in „Dana Lech“ nachgeht. In dem Wendespielfilm von 1990 trifft die Sehnsucht nach der guten alten Heimat auf den aufregenden Reiz der Moderne.

Die Polin Dana ist erst seit kurzer Zeit im Berlin der Wendezeit. Probleme sich einzuleben hat sie aber keineswegs. Schnell kann sie Kontakte knüpfen und neue Freundschaften, ja sogar Liebschaften schließen. Mitten in diese fast schon idyllisch wirkende Atmosphäre platzt jedoch ein alter Bekannter. Danas Exfreund Jan aus Polen reist durch die offene Grenze nach Berlin und macht seine ehemalige Flamme ausfindig, das Feuer ist aus seiner Sicht noch nicht erloschen. Dana aber hat mit Roberto bereits einen neuen Mann in ihrem Leben, was unweigerlich zu einem ersten Konflikt führt.

Anfänglich reagiert Dana sehr zurückhaltend auf Jan, doch mit der Zeit kommen die Erinnerungen an die gute alte Zeit in Polen zurück. Spätestens auf einer Party, bei der die Polin auf viele ehemalige Freunde aus der Heimat trifft, kann sie ihre Gefühle nicht mehr zurückhalten. Sie gewehrt Jan wieder Einlass in ihr Leben, kann Roberto allerdings nie so ganz aufgeben. Dies bemerkt auch Jan, für den Berlin die Hölle ist. Er kam nur in die Großstadt; um seine Dana zurück nach Polen zu holen. Frustriert vom Scheitern seines Vorhabens eckt er immer mehr mit der Gesellschaft an, was körperliche Konsequenzen nach sich zieht. Der große Knall beim Aufeinandertreffen der verschiedenen Kulturen steht kurz bevor und leitet die Schlusssequenzen des Filmes ein.

Dana Lech ist ein Drama rund um die Probleme; die eine Öffnung der Grenzen damals mit sich brachte. Frank Blasberg schafft es; die Konflikte geschickt zu inszenieren und den Zuschauer zum Mitfühlen anzuregen. Bilder vom Brandenburger Tor kurz vor dem Fall der Mauer, wie auch großartige Kulissen von Checkpoint Charlie bis hin zu einem Polenmarkt weisen den Weg zurück in eine Zeit des Umbruchs. Ganz besonders Berliner, welche die damalige Zeit miterlebten, bekommen eine Zeitreise geboten, die sie so schnell nicht vergessen werden.


Alle Zeit der Welt

Manchmal lenken ganz zufällige Kontakte unser Leben in neue Bahnen. So auch in Matl Findels Werk „Alle Zeit der Welt“. Vier Personen und ein Hund treffen mit der Zeit aufeinander, teilen ihre Leiden und schaffen es - wenn auch teilweise nur kurz- glücklich zu werden.

Der australische Pilot Matthew fliegt gerade zurück nach Berlin. Er freut sich auf fünf freie Tage mit seiner Frau Evelyn. Als er zu Hause ankommt, muss er jedoch feststellen, dass sie ihn verlassen hat. Eine ebenfalls schlimme Nachricht ereilt den Eishockey-Torwart Anton, bei dem ein schmetterlingsförmiger Tumor entdeckt wurde, welcher ihm nicht mehr viel Zeit gewehrt. Ein englischer Touch wird dem Film durch die unter Flugangst leidende Londonerin Lilith verliehen, die dringend ein Visum für die Mongolei benötigt, um dort auf Braunbärenexpedition zu gehen. Die sympathische und vor allem sehr witzige Niederländerin Toost gibt dem Spielfilm eine humoristische Ebene. Komplettiert wird die Gruppe durch Matthews Hund, welcher entgegen dem typischen Verhalten der beliebten Vierbeiner handelt.

Ebenfalls in Berlin eingetroffen ist Lilith. Sie möchte in die Mongolei fliegen, obwohl sie panische Angst davor hat in ein Flugzeug zu steigen. Über dessen Hund lernt sie Matthew kennen, welcher ihr hilft, gegen die Flugangst vorzugehen und sich gleichzeitig um die bürokratischen Probleme kümmert. Anton, welcher nach seiner schlimmen Diagnose sein Leben ändern will, entdeckt durch Toost die Kunst für sich. In Matthews Café treffen die vier Hauptprotagonisten sowie der Hund zum ersten Mal aufeinander und erleben mit einer asiatischen Reisegruppe eine Nacht voller ausgelassener Feierstimmung, ehe sich der Film dem Ende neigt und noch die eine oder andere Überraschung bereithält.

Matl Findel gelang es in seinem Werk Humor und Drama miteinander zu verknüpfen. Die Rolle des Anton stellt hierbei sein Alter Ego dar. Durch die tolle Leistung der Schauspieler wirken die Protagonisten authentisch. Der Zuschauer versetzt sich in die Lage der Personen, fühlt mit, kann sich aber auch häufig ein Schmunzeln nicht verkneifen. Viele Nebenhandlungen, die zum Teil nur als Überbrückung im Hintergrund gedacht sind, sorgen zudem für Gelächter. Man taucht in die Atmosphäre des damaligen Berlins ein, in dem sich die verschiedensten Kulturen in einer Bar trafen um miteinander zu feiern.

Tobias Gürtler / im Rahmen des Studiengangs Journalistik an der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation – MHMK, Standort Berlin.
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achtung berlin

Der achtung berlin - new berlin film award ist ein Filmfestival, das sich mit Leib und Seele dem Hauptstadtkino verschrieben hat. 9.-16. April 2014

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