Hohe Berge ziehen sich durch das Land der tausend Vulkane, an deren grünen Hängen Kaffeesträucher ideale Bedingungen finden“, beschreibt es das Etikett von Bio Kaffee Nicaragua PUR. Im Hochland von Jinotega steht Francisco Kühl in der Trockenmühle, eigentlich sein Lieblingsort, und macht sich Sorgen. Auf schwarzer Folie liegt sein Ertrag des vergangenen Jahres: nachhaltiger Arabica-Kaffee aus Schattenanbau, handgepflückt, sonst immer von höchster Qualität. Doch in diesem Jahr seien viele Kaffeepflanzen von einer Blattkrankheit befallen, klagt der Landwirt, streicht sich über die Stirn und spricht aus, was in Nicaragua schon eine Weile als die große Befürchtung kursiert: „Arabica-Kaffee wird sich in dieser Höhe nicht ha
Noch retten uns die Bäume
Nicaragua Der Klimawandel schadet dem wichtigsten Exportgut: Kaffee. Die Bauern halten nach neuen Sorten Ausschau
halten.“Kühl ist Manager der Kaffeeplantage Selva Negra. Die Kulturen hier wachsen in einer Höhe von bis zu 1.500 Metern, die oft als „Schwarzwald Nicaraguas“ bezeichnete Region war bislang ein ideales Anbaugebiet für Hochlandkaffee. Hier wuchs Kühl auf und hat erlebt, welchen Wandel die Kaffeekulturen durchliefen: vom konventionellen zum nachhaltigen, biozertifizierten Anbau und dessen Ende, als der „Kaffeerost“ 2010 fast den gesamten Baumbestand zerstörte. Kühl ist Experte für all das, was der Kaffeekonsument in Deutschland nur erahnen kann, wenn er das Etikett liest.Ausweichen in die HöheSeit den 1960er Jahren bilanziert das in Sydney beheimatete Institute for Climate Change in Mittelamerika einen Temperaturanstieg von einem Grad Celsius und einen Rückgang der Regenfälle um 15 Prozent. Temperaturschwankungen und Extremwetter seien die Ursache für Blattkrankheiten wie den Kaffeerost, lässt sich einer von Fairtrade initiierten Studie entnehmen, die schwierige Zeiten für Nicaraguas wichtigstes Exportgut prophezeit: In den nächsten 40 Jahren könnte ein Großteil der Anbaugebiete verloren gehen. Abdel García vom Humboldt-Zentrum in Managua sieht das differenzierter. Nicht der Kaffee an sich, aber die Qualitätssorten könnten bis 2025 starke Einbußen hinnehmen müssen. Gemeint ist der Hochlandkaffee Arabica, der zu rund 95 Prozent ins Ausland geht. Garcías schwarzer Marker quietscht auf dem Whiteboard, während er die Umrisse Nicaraguas skizziert. Nur hier – der Koordinator für den Bereich Klimawandel deutet auf die nördliche Hälfte Nicaraguas – in einer Höhe von über tausend Metern und bei Temperaturen von weniger als 25 Grad blieben die klimatischen Bedingungen für Arabica-Kaffee günstig. Durch den Temperaturanstieg müsse der Kaffeeanbau in die Höhe ausweichen, bis ein natürliches Limit erreicht sei. Die höchsten Gebiete in Nicaragua seien „Schutzzonen“, reserviert für die Wasserversorgung des Landes. Nur die wenigsten Kleinbauern hätten die Mittel, auf anderes Terrain auszuweichen. García: „Die Anpassung an den Klimawandel wird Jahrzehnte dauern.“„Noch retten uns die Bäume“, sagt Francisco Kühl auf dem Weg in sein „Labor“. Im Schatten der Bäume werde die Temperatur für empfindliche Kaffeesorten gedämpft. Da sei auch der Grund, weshalb die Plantage Selva Negra bislang mit Chili und Knoblauch als Schädlingsbekämpfungsmitteln auskomme. Seit Kurzem experimentiert Kühl damit, Arabica mit der neuen Kaffeesorte Robusta zu kreuzen. „Crafting“ nennt er das. Das Experiment bringt den Manager einer Kaffeeplantage, die seit Jahrzehnten für nachhaltigen Kaffeeanbau steht, in ein Dilemma: Robusta sei vielleicht widerstandsfähiger gegen den Klimawandel, so Kühl, käme aber nicht ohne Dünger, vor allem nicht ohne Chemikalien aus.Monokultur statt RegenwaldNoch bestimmt zwar die Sorte Arabica weltweit den Kaffeekonsum, aber gerade in Mittelamerika vollzieht sich eine Trendwende, weg vom Hochlandprodukt hin zum deutlich ertragreicheren Robusta-Kaffee. Diese Sorte hat doppelt so viel Koffein, sie kann im Tiefland und unter direkter Sonneneinstrahlung angebaut werden. Der Kaffeeexporteur Mercon Group Coffee wirbt mit Robusta als einer Alternative, die es gestatte, die ökonomischen und ökologischen Folgen des Klimawandels aufzufangen. Bis 2025 solle die Produktion um das Sechsfache gesteigert werden, sagt Luis Alberto Chamorro, Geschäftsführer von Mercon Group Coffee.Als einzige Gegend in Nicaragua, in der seit zehn Jahren die Folgen des Robusta-Anbaus sichtbar sind, gilt die Region Nueva Guinea. Im autonomen Osten des Landes ist die Luft tropisch feucht. Über 40 Jahre nun schon wird das frühere Regenwaldgebiet von der Monokultur geprägt. „Robusta, zwei Jahre alt“, sagt der Züchter Alvaro und nickt stolz in Richtung seiner Plantage. Sein Sohn erscheint mit einem Sack Nitratdünger und verteilt weiße Kügelchen im Unterholz. Morsche, abgeholzte Bäume liegen als Begrenzung entlang des Stacheldrahts. Vorher sei das Feld Teil eines Waldes gewesen, erklärt der ältere Landwirt, der seinen Nachnamen nicht nennen möchte, da er sich vor der Konkurrenz fürchtet. Robusta bedeute für ihn fast doppelt so viel Ertrag. Alvaro streicht über die makellosen Blätter. Durch Chemikalien stimuliert, reifen die Kaffeepflanzen hier mehrmals im Jahr. Während gut 400 Kilometer weiter gerade die Erntezeit beginnt, tragen Alvaros Pflanzen zu dieser Zeit weiße Blüten.In Nicaragua gilt Robusta als Kaffee der Armen. Café Presto, eine von Nestlé geführte Instant-Marke, bestimmt den Konsum im Land. Vor einem Jahr noch importierte man dafür Robusta aus Vietnam, nun aber hängen überall Werbeplakate mit dem Slogan „Ich bin Kaffee aus Nicaragua“.Überraschend lockerte die Regierung von Präsident Daniel Ortega 2017 ein vorheriges Robusta-Verbot. Zuvor durfte nur in Nueva Guinea Robusta in deutlicher Entfernung von Arabica angebaut werden. Im Nachbarland Costa Rica verzichtete die Regierung Mitte Februar ebenfalls auf das Robusta-Verbot. Wie in Nicaragua sollte eine Mischung der Sorten verhindert werden. Vor allem die Landwirte aus dem Hochland fürchteten um den Ruf des Arabica-Kaffees.„Es herrscht ein großer Wettbewerb“, beschreibt Abel Rivera die Situation, ein Farmer mit rauen Händen und sonnengegerbtem Gesicht, der in Nueva Guinea als Exot gilt. Er ist Manager der Bio-Kaffeefarm La Esperanzita, des einzigen Ortes, in dem Robusta und Nachhaltigkeit in keinem Widerspruch stehen. Nur eine Pflanzenart auf einem Feld, das ergebe in der Natur keinen Sinn, meint Rivera und fügt hinzu: „Die Bauern erhoffen sich durch die Entwicklung von Robusta einen großen Gewinn.“ Seit Jahren schon moniert Abel den konventionellen Anbau, der die Umwelt schädige. Die Flüsse würden verschmutzt, der Boden sei nach drei Jahren Robusta-Anbau ausgelaugt. Außerdem bekämen Arbeiter, die mit Pestiziden zu tun hätten, keine Schutzkleidung.Weniger als ein Prozent der Bauern im Land würde Robusta ökologisch und nachhaltig anbauen, obwohl das möglich wäre, ist Rivera überzeugt. In Gummistiefeln läuft er durch den Wald, der an das Tropenhaus eines botanischen Gartens erinnert. Hier wachsen Kaffeebäume neben Vanille, Kakaopflanzen und Ingwer im Unterholz. „Dieser Baum liefert zum Beispiel das Nitrat für den Kaffee.“ Rivera deutet mit seinem Stock auf einen Guayaba-Baum. 20 Meter weiter, angrenzend an sein Feld, wird stattdessen von anderen Kaffeebauern chemischer Dünger verwendet. Abel Riveras Strategie gegen die Folgen des Klimawandels nennt sich „biologische Agroforstwirtschaft“. Sie nutzt das Zusammenspiel von verschiedenen Pflanzen, um Dünger und Pestizide zu vermeiden.Ob sich der Biolandbau für die Sorte Robusta lohnt, ist eine der Forschungsfragen, denen Matthias Baumann nachgeht. Für ein gemeinsames Projekt mit der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL in der Nähe von Bern befragten er und sein Team rund 300 Kleinbauern in Nicaragua. Das Ergebnis: Die entscheidende Hürde sind die Kosten. Ein Bio-Zertifikat kostet in Nicaragua umgerechnet rund 4.000 Euro. In der Übergangsphase müsse ein Betrieb in den Bioanbau investieren, könne die Produkte jedoch nicht als Bioware verkaufen, erklärt Baumann im nicaraguanischen Granada. Vor allem mittellose Kleinbauern wären dadurch benachteiligt, aber denen seien nun mal 70 Prozent des Kaffees in diesem Land zu verdanken.In die gleiche Kategorie der Produzenten gehört auch Maritza Centeno, die in der 500-Einwohner-Gemeinde La Laguna, gelegen im Hochland, eine Frauenkooperative leitet. Seit einem halben Jahr kann sie ihre Angestellten und sich selbst nicht mehr bezahlen. Sie hat in der Schule des Ortes einen Saatguttausch organisiert und versucht sich damit an der natürlichen Alternative zur Kreuzung von Kaffeesorten, wie sie in Selva Negra nur wenige Kilometer weiter im Labor betrieben wird. In den Lagerräumen von Maritza Centenos Kooperative türmen sich Säcke von „Café D’Yasica“, für den sie keine Abnehmer findet. Auf ihrer Plantage, kaum größer als ein Fußballfeld, kultiviert die 45-Jährige den biologisch angebauten Kaffee nach Fairtrade-Regeln, nur steht das nirgendwo auf der Verpackung. Wofür es eine einfache Erklärung gibt: Centeno hat keinen Zugang zu Krediten, um sich ein Fairtrade- oder Bio-Siegel leisten zu können.Erst ab einer Größe von drei Hektar gilt ein Betrieb als kreditwürdig. Zwar versuchen Initiativen wie Fairtrade, diese Lücke zu schließen und auch für kleine Betriebe Kredite zu ermöglichen, aber diese Unterstützung hat ihren Preis. Eine zweijährige Mitgliedschaft bei Fairtrade kostet umgerechnet 2.300 Euro, räumt María Asunción Meza Rojas ein, Geschäftsführerin im Büro von Fairtrade Nicaragua. Keiner der 21 Produzenten, die zu ihrem Netzwerk gehören, würde die Sorte Robusta anbauen, „bislang zumindest nicht“. Für sie stehe der Robusta-Anbau in Nueva Guinea im Widerspruch zu den sozialen Standards, wie sie Fairtrade fordere, etwa eine angemessene Schutzkleidung. Dass es dazu Auflagen gäbe, erwarte sie weder von der Regierung Ortega noch der freien Wirtschaft. Im Übrigen würden die Fairtrade-Zertifikate weniger dem Kleinbauern als dem Abnehmer nutzen: „Wir machen nur transparent, woher der Kaffee kommt, am Ende ist der Konsument im Norden in der starken Rolle, selbst zu entscheiden.“Placeholder authorbio-1
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