Die Regierung hat sich blamiert

Polen Ein katarischer Investor sollte die Werften in Stettin und Gdingen retten. Jetzt droht ein Fiasko, denn der Investor zahlt nicht. Premier Tusk sucht einen Ausweg 


Katar hat in Polen während der vergangenen Wochen viele Kopfschmerzen verursacht. Investoren aus dem arabischen Land Katar waren angetreten, die Schiffbauer in Stettin und Gdingen zu retten, was noch im Mai als großer Erfolg der Regierung Tusk gefeiert wurde. Doch der in Aussicht stehende Investor hat sich in Luft aufgelöst und das polnische Kabinett in eine tiefe Krise gestürzt.

„Die Firma Stichting Particulier Fonds Greenrights hat das Geld für die beiden Betriebe nicht überwiesen“, hieß es Mitte der Woche aus dem Schatzministerium. Am 17. August um Mitternacht war die Frist für die Zahlung abgelaufen, bereits die zweite. Ursprünglich sollte der katarische Investor am 21. Juli 381 Millionen Zloty (90 Millionen Euro) für die beiden Werften zur Verfügung stellen. Deren Verkauf war unumgänglich geworden, weil die Schiffbauer hohe staatliche Subventionen – wie von der EU gefordert – nicht zurückzahlen konnten. Bei einer Schließung wären Tausende Arbeitsplätze verloren.

Der Investor hatte im Mai einen Produktionsplan präsentiert, der vorsah, die Mehrheit der Beschäftigten zu behalten, was in Warschau gern gehört wurde. Da machte es niemandem, auch nicht der polnischen Regierung, etwas aus, dass dieser Investor anonym blieb – bis heute. Mehrmals musste die Regierung Tusk Aussagen zu dessen Identität revidieren. Zuletzt geschehen Anfang Juli, als erklärt wurde, es handle sich um Qinvest, die größte Bank Katars. Später stellte sich heraus, dass diese Bank lediglich die Transaktion für den geheimen Kunden betreute. Sicher war lediglich, dass der Investor aus dem arabischen Öl-Land Katar stammte.

An der ersten Verzögerung bei der Überweisung des Geldes hätte der geheimnisvolle „Verein zum Schutz der Werft” schuld, erklärte Schatzminister Aleksander Grad zunächst. Ehemalige Mitarbeiter und Gewerkschafter der Stettiner Werft hatten sich in dere Tat dort zusammengetan und einen Brief an die Investorenbank in Katar gerichtet. Darin hieß sie, die Werft sei früher zur Geldwäsche genutzt worden. Religiöse Gründe müssten es den strengen Moslems verwehren, das Geschäft abzuwickeln. Für Schatzminister Grad war dieses Schreiben klare Sabotage, um das Geschäft zu verhindern. Bis zum 17. August hatte sich der Investor Bedenkzeit erbeten. Es seien noch zusätzliche rechtliche Überprüfungen nötig, hieß es. Was diese Kontrollen ergeben haben, ist unbekannt. Sicher ist nur – es kam kein Geld.


Inzwischen hat sich laut Regierung in Warschau ein neuer potenzieller Investor gemeldet – wieder aus Katar. „Der Botschafter hat uns einen offiziellen Vorschlag vorgelegt“, so Schatzminister Aleksander Grad vor der Presse. Angeblich soll der geheimnisvolle Investor Stichting Particulier Fonds Greenrights aus Katar durch einen anderen katarischen Fonds ersetzt werden: Qatar Investment Authority (QIA) ist gleichfalls mit der erwähnten Bank Qinvest verbunden, die bereits in bisher geplante Transaktionen mit der polnischen Regierung verwickelt war. Zuletzt kaufte QIA ein großes Aktienpaket von Porsche. Der Vorsitzende von QIA ist gleichzeitig Premierminister: Hamad bin Jassim bin Jabr Al Thani.

Damit solle, so heißt es in Warschau, gesichert werden, dass diesmal die Transaktion gelingt. Die Entscheidung werde in Katar bis zum 31. August fallen. Bis dahin hat Polen von der EU-Kommission Zeit eingeräumt bekommen, neue Investoren für die Werften zu finden. Ansonsten müssen die Unternehmen rechtswidrig erhaltene Subventionen zurückzahlen. „Wir sind überzeugt, dass die Sache bis dahin erledigt sein wird“, versicherte Minister Grad. Trotzdem werde im Ministerium ein alternativer Plan ausgearbeitet. Die Regierung würde dann auch eine Verlängerung des Termins bei der EU-Kommission beantragen und nach einem neuen Investor suchen.

An eine Lösung glauben die Gewerkschaften der beiden liquidierten Werften trotzdem nicht mehr. „Wir wurden die ganze Zeit belogen“, sagte Jan Guminski aus der Gewerkschaft der Seewirtschaftsangestellten. „Die Transaktion mit Katar sollte ein großer Erfolg der Regierung gewesen sein. Aber inzwischen ist unübersehbar, die Regierung hat sich blamiert.“ Der Solidarnosc-Vorsitzende der Werft in Gdingen, Dariusz Adamski, äußerte sich gegenüber einem regionalen Radiosender genauso skeptisch. Er glaube nicht, dass man innerhalb von zwei Wochen einen neuen Investor finde. „Wir sind verloren“, fasst Adamski die Stimmung in der Werft zusammen. „Und das, obwohl wir seit Wochen von der Regierung mit Erfolgsgeschichten gefüttert worden sind.“ Premier Tusk droht die größte Krise seit seinem Amtsantritt im November 2007.

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