Der Aufstieg des Verhaltenskapitalismus

Verhaltenskapitalismus Die Moderne hat eine neue Form des Kapitalismus begünstigt: den Verhaltenskapitalismus. Ihn zu verstehen, erhöht die Chance, die Zukunft noch selbst bestimmen zu können.

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Der Verhaltenskapitalismus – Eine neue Spielart des Kapitalismus gewinnt Macht und Einfluss

  • Menschliches Verhalten ist ein nutzbarer Rohstoff
  • Dieser Rohstoff entwickelte sich durch den technologischen Fortschritt zu einem Produktionsfaktor
  • Besagter Produktionsfaktor hat zu neuen Geschäftsmodellen geführt, die inzwischen einen massiven Einfluss auf das wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Leben nehmen.
  • Es ist daher von einer neuen Spielart des Kapitalismus zu sprechen: dem Verhaltenskapitalismus
  • Diese neue Form des Kapitalismus wird noch nicht als eine solche begriffen, was die Gefahr mit sich bringt, dass sie Macht- und Marktverhältnisse schafft, die später kaum oder nur sehr schwer korrigiert werden können.

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Die Welt erlebt einen Zeitenwandel und eine Ära der Veränderung. Dynamisch, schnell und an welcher Stelle ist dies deutlicher zu erkennen, als am technologischen Fortschritt, der kraftvoll und mit einem unglaublichen Tempo das persönliche sowie das gemeinschaftliche Leben verändert und beinahe kein Feld, sei es Politik, Gesellschaft oder Wirtschaft, unberührt lässt. Im Rahmen dieses Prozesses haben sich Einflussverhältnisse verschoben sowie neue begründet. Das alles aber beinahe unmerklich, fast schleichend im Schatten stehend und doch am Ende so gut wie alles tangierend. Technologie bedeutet mehr denn je Macht und dieser spezielle Einfluss durch die smarte Welt, findet sich heute in der westlichen Welt bei einigen wenigen Unternehmen erstaunlich gebündelt, die naturgemäß wenig Interesse daran haben, die Risiken ihrer Tätigkeit allzu öffentlich darzulegen, da sie primär die ihres Tuns Chancen sehen und nicht die Gefahren. Wer will es ihnen verdenken? Wie viele verstehen überhaupt wirklich ihre Geschäftsmodelle? Kamen sie nicht scheinbar aus dem Nichts, diese milliardenschweren, heute nicht mehr wegzudenkenden Unternehmen?

Dieser neue Einfluss der großen Technologiekonzerne, die oft erst wenige Jahre existieren, verblüfft und erstaunt ebenso, wie die Entwicklung, dass deren Produkte mit rasender Geschwindigkeit ein unverzichtbarer Teil des Alltags vieler Menschen, sowie der Gesellschaft werden konnten. Eine lautlose Eroberung und doch handelt es sich um weitaus mehr als nur um geschickte Geschäftsmodelle, die sich problemlos in das Bestehende einfügen lassen. Diese Unternehmen sind nur Spieler auf einem Spielfeld, das ihre Existenz und ihr Wachstum erst ermöglicht hat. Eines, das bislang noch zu oft unterschätzt und nicht erkannt wird: der Verhaltenskapitalismus.

Mit diesem Begriff, das Kind selbst wurde vom Autor dieser Zeilen abgeleitet und getauft, bekommt das Gefühl für die Verschiebung von Machtverhältnissen einen ordnenden, fundierten Rahmen und wird begreiflich. Die Akkumulation von Macht kann sich nicht mehr hinter den Mechanismen des Neuen verstecken, sondern tritt klar erkennbar ins Licht. Eine Notwendigkeit, denn ein schrankenloser und ungezügelter Verhaltenskapitalismus ist noch gefährlicher als ein wütender Finanzkapitalismus, denn er benötigt nicht nur Kapital, sondern den Menschen als Ganzes zur Aberntung. Immer und jederzeit. Ja, das Phänomen war fühlbar. Jetzt findet es seine Analyse und Ordnung. Der Verhaltenskapitalismus muss daher identifiziert und gedeutet werden, um den Umgang mit ihm selbstbewusst und positiv gestalten zu können. Das wilde Pferd benötigt Dressur, sonst wird es am Ende durchgehen.

Vereinzelt, und das sei angemerkt, gibt es bereits weitere Versuche, der neuen Zeit eine verbalisierte Form zu verleihen, von denen im Besonderen Shoshana Zuboffs Konzept des Überwachungskapitalismus zu nennen ist, allerdings greift dieses, und man verzeihe mir dieses Worte, zu kurz, um die entsprechenden globalen Veränderungen ausreichend darzulegen und konzentriert sich zudem stark auf etwaig negativen Aspekte einer rasenden Entwicklung, die sowohl Segen, als auch Fluch, die Wahrheit liegt in der Regel in der Mitte, sein kann.

Das Modell des Verhaltenskapitalismus verfolgt daher einen anderen, einen neutralen, Ansatz und hat mit dem Überwachungskapitalismus wenig mehr gemein, als, dass sich beide dem gleichen Phänomen annähern möchten. Trotzdem sei eine Beschäftigung mit dieser Aufbereitung empfohlen. Da diese Seiten allerdings nur dazu dienen sollen, den Verhaltenskapitalismus knapp darzustellen, kann ein tiefere Auseinandersetzung mit anderen Konzepten nur separat erfolgen.

Beginnen wir daher mit dem eigentlichen Thema und sogleich mit einer Definition:

Unter Verhaltenskapitalismus versteht man eine Spielart des Kapitalismus, in der menschliches Verhalten zum zentralen Faktor für die Produktion und Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen wird.

Der Schlüssel zum Verständnis dieser neuen Form des Kapitalismus ist die Betrachtung von menschlichem Verhalten als nutzbaren Rohstoff. Aus diesem lassen sich, soweit er in ausreichendem Maße gewonnen werden kann, einerseits die Bedürfnisse der Menschen, andererseits aber auch Prognosen zum künftigen Agieren ableiten. Auf Basis dieses Rohstoffes, können daher Produkte und Dienstleistungen erzeugt werden, die den Bedürfnissen bzw. dem künftigen Verhalten entsprechen. Zudem ist es möglich, bereits die Daten an sich auf dem Markt zu handeln. Wie Verhalten definiert wird?

Unter Verhalten versteht man sowohl Handeln, dulden, als auch Nichthandeln. Die Vorgänge können bewusst oder unbewusst sein. Es wird durch Reize beeinflusst und erzeugt.

Das alles mag furchtbar abstrakt klingen, aber bei genauerer Betrachtung wurde das Verhalten in schon immer als Rohstoff genutzt, wenngleich auch nicht immer so betrachtet. Dabei wollen wir gar nicht auf den Ablasshandel im Mittelalter verweisen, dafür aber auf die Versicherungsbranche. Sie ist ein Musterbeispiel dafür, wie das Verhalten des Kunden, oft in der Person des Vertreters, erforscht, anschließend durch die Unternehmung, ausgewertet und am Ende zur Verbesserung der bisherigen Produkte, also der Versicherung, sowie der Schaffung neuer Leistungen benutzt wird. Nur so waren kreative Entwicklungen wie z.B. eine Absicherung des eigenen Sterbens denkbar. Da es sich hier um immaterielle, also nicht greifbare Güter handelt, ist das Verhalten der Interessenten und Kunden von herausragender Bedeutung.

Er war im Grunde genommen, zumindest in diesen Bereichen, schon immer ein Produktionsfaktor und mit genau diesem Gedanken wird es uns möglich, sich dieser neuen Form der Kapitalismus anzunähern, denn die Erkenntnis, dass Bedürfnisse und Verhalten potentieller Kunden eine wichtige Komponente ist, um Produkte und Dienstleistungen wirkungsvoll anbieten und veräußern zu können, ist weder originell, noch bedarf es hierfür tieferer Ausführungen.

Nun aber haben sich die Bedingungen geändert, denn die technologische Entwicklung hat zu neuen Geschäftsmodellen geführt, die einen solchen Einfluss gewonnen haben, dass sie die Frage aufwerfen, ob aus ihnen nicht längst eine eigenständige Form des Kapitalismus entstanden ist, der Verhaltenskapitalismus. Damit wären wir bei der zentralen These dieses Schriftstück angelangt, denn diese lautet, dass durch neue Möglichkeiten der Verhaltensabschöpfung der Rohstoff zu einem Produktionsfaktor und damit eine eigene Spielart des Kapitalismus begründet wurde.

Der zentrale Produktionsfaktor des Verhaltenskapitalismus ist menschliches Verhalten.

Nicht, dass man nicht schon immer möglichst viel wissen wollte, aber erst mit besagter technologischer Entwicklung löste sich das Problem der schwierigen Gewinnung von Verhaltensdaten innerhalb kürzester Zeit in Luft auf. Es wundert daher kaum, mit welcher Geschwindigkeit große Technologiekonzerne, wie z.B. Amazon, Facebook oder Google entstanden und begannen Daten zu sammeln, Verhalten nach kapitalistischen Methoden zu nutzen und den Menschen Stück für Stück einzubetten. Algorithmen und Automation machten das möglich, wozu Menschen gar nicht fähig gewesen wären.

So entstanden die großen Verhaltenskapitalisten. Nun analysieren sie den Homo stimulus und versuchen auf Basis seines Verhaltens Informationen bzw. Daten zu generieren oder Produkte und Dienstleistungen anzubieten bzw. zu vermitteln. Ganz auf das Individuum zugeschnitten. Der Rohstoff „Verhalten“ wurde zum Produktionsfaktor.

Dieser neue Produktionsfaktor ist inzwischen so wichtig, dass er auch für den klassischen und den Finanzkapitalismus unverzichtbar geworden ist, denn durch die Kenntnis des gegenwärtigen Verhaltens, das aus Unmengen von gewonnenen Daten zusammengesetzt wird, ist es in vielen Fällen möglich, künftiges Verhalten abzuschätzen oder zu beeinflussen.

Das Verhalten ist heute auch ein zentraler Produktionsfaktor für den klassischen und den Finanzkapitalismus und ergänzt Arbeit, Boden und Kapital.

Dieses Verhalten wird anschließend direkt als Handelsware genutzt oder aber in einem Produktionsprozess zu Befriedigungs- und/oder Prognoseprodukten weiterverarbeitet.

Ein Befriedigungsprodukt zielt darauf ab, menschliche Bedürfnisse zu befriedigen.

Ein Prognoseprodukt sagt künftiges menschliches Verhalten voraus.

Verhaltensdaten können auch ohne Weiterverarbeitung gehandelt werden.

Diese Aufgabe übernehmen normalerweise Algorithmen und mehr und mehr auch die künstliche Intelligenz. Vereinfachend fassen wir diesen dezentralen Prozess in der anschaulichen Metapher der Verhaltensfabrik zusammen.

Die Lagerung von Verhalten, sowie die Verarbeitung zu Befriedigungs- und Prognoseprodukten finden in der Verhaltensfabrik statt.

Soweit zu den grundsätzlichen Definitionen und zur Entwicklungsgeschichte. In der Folge soll die Funktionsweise bzw. der Wertschöpfungsprozess des Verhaltenskapitalismus näher beleuchtet werden.

Der Kreislauf des Verhaltenskapitalismus

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Abschöpfung von Verhaltensdaten

Der Verhaltenskapitalismus basiert auf den Rohstoff und Produktionsfaktor Verhalten, der durch Reaktion des Individuums auf Reize entsteht. Diesen muss er erst durch Abschöpfung gewinnen. Derartige Versuche gab es schon immer, allerdings ermöglichte erst der durch den Zeitenwandel getriebene technologische Fortschritt das automatisierte Abernten in großen Mengen. Der Abschöpfungsprozess kennt drei Varianten:

  • Offene Abschöpfung

In diesem Fall ist dem Individuum bewusst, dass seine Daten genutzt werden, um bestimmte entsprechende Prognose- und Befriedigungsprodukte zu erstellen.

Ein typisches Beispiel wäre hier die Eingabe in einer Suchmaschine. Sein persönliches Verhalten bzw. Interesse werden offen genutzt, um ihm das gewünschte Ergebnis zu präsentieren. In nur einer Minute erfolgten 2017 beispielsweise weltweit:

    • 3,8 Millionen Google-Suchanfragen
    • 41.000 Instagram-Foto-Uploads
    • 4,1 Millionen Youtube-Video-Klicks
    • 530.000 Snapchat-Fotos-Shares
    • 456.000 Twitter-Nachrichten-Absetzungen

Diese Zahlen belegen eindrucksvoll, dass viele das die Übertragung von Verhaltensdaten in vielen Fällen freiwillig geschieht, weil dadurch ein Mehrwert für den Nutzer entsteht.

  • Dialogische Abschöpfung

Bei der dialogischen Abschöpfung gehen Individuum und eine Maschine (Algorithmus, KI) einen Dialogprozess ein, der zur Bedürfnisfindung, aber auch zur Abschätzung künftigen Verhaltens dient. Dabei reagieren beide Seiten auf gesetzte Reize und es ist nun möglich auch Bedürfnisse offenzulegen, die dem User unter Umständen gar nicht bewusst waren. Die Interaktion kann dabei offen sein, oder auch versteckt. Wichtig ist nur, dass der Prozess über eine Aktion hinausgeht.

  • Versteckte Abschöpfung

Bei der verdeckten Abschöpfung wird das Verhalten, ohne Wissen des Nutzers abgeerntet und weiterverarbeitet bzw. weiterveräußert. Ein Beispiel wäre es, wenn Profildaten eines Individuums in einem sozialen Netzwerk genutzt werden, um kommerzielle Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, um diese für Verhaltensmanipulation- oder Steuerung einzusetzen. Als Musterfall wäre hier die Nutzung der 87 Millionen Facebook-User-Daten von Cambridge Analytica für den Wahlkampf von Donald Trump im Jahr 2017 zu nennen.

Die Grenzen zwischen den einzelnen Varianten sind natürlich fließend. Beispielsweise wird ein Großteil der Nutzer einer Suchmaschine inzwischen wohl wissen, dass zu den Ergebnissen u.a. Produktanzeigen aus dem gleichen Themenspektrum erscheinen. Genauso dürfte es Nutzern von sozialen Medien bewusst sein, dass ihre Daten zur Einbettung genutzt werden. Eine starre Trennung der Abschöpfungsarten macht daher wenig Sinn.

Umwandlung in der Verhaltensfabrik

Die gewonnenen Datenmengen werden nun in der Verhaltensfabrik – eine Metapher, um einen komplizierten und dezentralen Verarbeitungsprozess plastischer darzustellen – gelagert und in Teilen zu Produkten verarbeitet. Dabei werden sowohl Prognoseprodukte als auch Befriedigungsprodukte hergestellt.

Prognoseprodukte dienen dabei dazu, das künftige Verhalten eines Individuums abzuschätzen. Ein typisches Beispiel wäre ein Nutzer eines sozialen Netzwerkes, der sich für Wandern interessiert, entsprechende Fotos darbietet und die Teilnahme an entsprechenden Veranstaltungen dokumentiert. Der Algorithmus kann diese Daten nun auslesen, sie durch andere Angaben wie Alter, Wohnort, Markenneigungen, Stil usw. ergänzen. Gepaart mit der Auslesung des Browserverlaufes, der auch dann geschehen kann, wenn man gar nicht mehr in dem entsprechenden Netzwerk angemeldet ist, entsteht ein Prognoseprodukt, dessen Ergebnis es beispielsweise sein könnte, dass genau dieser User mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut im Sommer zu entsprechenden Touren aufbrechen wird. Es würde daher Sinn machen, ihn kurz zuvor mit passenden Dienstleistungen (z.B. Reiseangebote) oder Produkten (z.B. Wanderschuhe) virtuell zu konfrontieren. Das Prognoseprodukt öffnet für eine gezielte Ansprache damit die Tür.

Befriedigungsprodukte zielen dagegen ganz konkret auf die Befriedigung von erkannten Bedürfnissen ab. Nicht in der Zukunft, sondern zeitnah in der Gegenwart. Interessant dabei ist, dass ein Befriedigungsprodukt sich sowohl auf einen Bedarf beziehen kann, der dem Nutzer bewusst ist, als auch einen, den er noch nicht reflektiert hat, sich aber aus der Analyse des Verhaltens ergibt. Damit haben gerade Befriedigungsprodukte, aber auch Prognoseprodukte auch die Funktion der Offenlegung der inneren Bedürfnisse des Individuums und können damit ein wichtiges Element der Selbstverwirklichung sein.

Handeln auf dem Markt

Sowohl Prognose- und Befriedigungsprodukte als auch das Verhalten selbst können durch den Datensammler selbst genutzt oder veräußert werden. Hier entstehen massive Gewinne, die in der Regel wiederum reinvestiert werden. Nicht unbedingt nur in das bisherige Geschäftsmodell, sondern auch auf in andere Felder, die zur Vernetzung einladen. Für den Markt ergeben sich daher folgende Möglichkeiten:

  • Offerieren passender Angebote

Die Daten werden dazu genutzt, dem Individuum passende Angebote anzubieten. Diese kann aus eigenen Diensten und Produkten bestehen, kombiniert, werden diese aber in der Regel mit der Werbung für Dritte. Hier ist heute noch das Kern des Geschäftsmodells zu sehen.

Insgesamt geht man davon aus, dass inzwischen 25% der weltweiten Werbeumsätze durch Facebook und Google, zwei der Musterbeispiele für angewandten Verhaltenskapitalismus, generiert werden. 2016 waren es noch 20%. Tendenz steigend.

  • Neue Angebote

Das Verhalten macht es nötig, ganz neue Produkte zu konzipieren, um die daraus erkannten Bedürfnisse zu befriedigen. Die Idee aus der Marktbeobachtung notwendige Innovationen und Weiterentwicklungen abzuleiten ist so alt, wie das Wirtschaften selbst, aber dank der neuen Abschöpfungsmöglichkeiten eines zuvor schwer förderbaren Rohstoffes hat es sie eine völlig neue Dimension erreicht.

  • Optimierung der eigenen Angebote

Die eigenen Angebote werden durch Verhaltensprodukte und entsprechendes Feedback verbessert und angepasst. Dieses gilt sowohl für die Sammler der Daten als auch für deren Kunden. Im Besondern die lernende Maschine ist auf diese Reaktionen angewiesen, um sich stetig in ihren Funktionen zu verbessen.

  • Veräußerung auf dem Markt

Die Datenmengen werden Dritten roh oder bereits als verarbeitete Produkte zur eigenen Geschäftstätigkeit zur Verfügung gestellt.

  • Einbettungsoptimierung

Der kollektive Individualismus kennt die Einbettung des Menschen die Schaffung einer individuellen Realität. Dazu trägt der Verhaltenskapitalismus durch einen stetigen Kreislauf der Verhaltensabschöpfung bei.

Reizung des Individuums zur Reaktion

Im Idealfall reagiert das Individuum auf die angebotenen Reize und schafft so neues Verhalten, das wiederum abgeschöpft werden kann. Es entsteht ein Kreislauf der Einbettung, der am Ende in der Schaffung einer individuellen Wirklichkeit münden kann.

In einem vollständigen kollektiven Individualismus, der natürlich eine stetige technische Weiterentwicklung voraussetzt, würde der Abgeschöpfte nun Stück für Stück in einer individualisierten Realität versinken. Durch vorhandene Milieukämpfe ist dieser aber noch unvollständig. Parallel dazu akkumulieren sich der Rohstoff Verhalten und das Investitionskapital, dass die Möglichkeiten der Verhaltensfabrik und des Abschöpfens immer weiter verbessert. Es entsteht ein Kreislauf. Das Spiel, getrieben durch die Maschine, beginnt stetig von vorne. Damit bedingt er einerseits die Einbettung des Menschen, aber zugleich auch das weitere auseinanderdriften der gesellschaftlichen Milieus.

Bestandsaufnahme und Ausblick

Der Verhaltenskapitalismus ist eine Spielart des Kapitalismus, die analog dem Finanzkapitalismus, in seiner Wirkung nur schwierig identifiziert werden kann und daher in der öffentlichen Wahrnehmung und auf der politischen Agenda nur eine untergeordnete Rolle spielt. Dieses nutzt er geschickt, um sich weiterzuverbreiten und zu festigen, was sich im Kapitalismus häufig durch das Entstehen von Monopolen oder Oligopolen kennzeichnet. Die reale Lage der Technologiekonzerne und ihre Marktmacht belegt dies eindrucksvoll.

Der Verhaltenskapitalismus hat sich daher inzwischen fest etabliert, ohne jedoch als solcher wahrgenommen zu werden. Modernste Technik ermöglicht dabei eine nie gekannte Einbettung, die bis in die intimsten Bereiche des Individuums vordringen kann. Eine Entwicklung, die eine genauere Betrachtung vonnöten macht und sich nicht weiter im Schatten abspielen darf, denn ein entfesselter Verhaltenskapitalismus wäre eine noch stärkere Kraft, als es der Finanzkapitalismus jemals war. Er wäre ein Mittel zur Herrschaft.

Die Darstellung dieser Entwicklung erfolgte bewusst neutral, da sie sowohl Chancen als auch Risiken mit sich bringt. Die Einbettung des Individuums in einer eigenen Welt, die der eigenen Bedürfniserfüllung und Selbstverwirklichung dient, ist erst einmal nicht negativ, zumal dieses keinesfalls abgeschottet gestaltet sein muss. Auf der anderen Seite spielt es natürlich eine zentrale Rolle, wer die Reize sowie die Daten letztendlich kontrolliert und ob das Verhalten oder sogar die eigene Realität manipuliert werden. Dieses soll, wie das Modell des Verhaltenskapitalismus, nun zur Diskussion freigegeben werden.

Eingebetteter Medieninhalt

Dieser Beitrag von Andreas Herteux wurde zuerst auf der offiziellen Präsenz der Erich von Werner Gesellschaft veröffentlicht. Er findet sich auch unter den DOI: 10.13140/RG.2.2.18058.62402 (deutsch) und 10.13140/RG.2.2.32319.25768 (englisch) in den bekannten Wissenschaftsportalen. Weitere Veröffentlichungen in internationalen Medien sind noch geplant und werden in den nächsten Wochen erfolgen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

EvW

Andreas Herteux ist der Leiter der Erich von Werner Gesellschaft, einer unabhängigen Einrichtung, die sich mit den Themen der Zeit beschäftigt.

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