Vergleiche in politischen Diskussionen

Unschärfe Vergleiche können treffend oder verfälschend sein. Sie werden oft als rethorisches Mittel eingesetzt. Die Unschärfe gerade politischer Begriffe zwingt zu Sorgfalt.

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Gerade in politischen Debatten, also möglicherweise auch in dieser Community, werden Vergleiche gezogen. Manche Dinge oder Vorgänge sind gleich, andere nicht. Damit sollen Urteile begründet werden: das ist gut, weil es so ist wie anerkannt gute Dinge, das ist schlecht, weil... .

Interessant werden diese Vergleiche, wenn gleiche oder ähnliche äußere Handlungen aufgrund der Zusammenhänge verschieden beurteilt werden sollen.

Bei den gesellschaftlichen Begriffen tritt eine gewisse Unschärfe auf, die jeden Vergleich erschwert. Worte wie Gerechtigkeit, Ideologie umfassen große Bereiche und sind aus Einzelphänomenen generiert, die selber meist schwer zu klären sind.

In der Philosophie gibt es zu solchen Begriffen oft mehrere unvereinbare Erklärungssysteme, was die Komplexität der Materie anzeigt.

Allerdings bleibt uns nichts übrig, als mit diesen Ungenauigkeiten zu arbeiten, da wir Urteile fällen müssen und keine anderen Mittel haben.

Es ist eine gute Übung, nach Grenzen für Begriffe zu suchen: welche Phänomene treffen noch zu, welche nicht mehr. Im Allgemeinen ist möchte man dies vermeiden, sondern schnell zu irgendwelchen Schlüssen und Urteilen gelangen.

Die Justiz liefert sehr schöne Beispiele für exakte Abgrenzungen. Etwa die Unterscheidung

fahrlässig:

Die Fahrlässigkeit grenzt sich vom Vorsatz dadurch ab, dass die Folge der Handlung nicht willensmäßig herbeigeführt worden ist. Damit Fahrlässigkeit überhaupt vorliegen kann, bedarf es der Vermeidbarkeit, der Voraussehbarkeit des rechts- beziehungsweise pflichtwidrigen Handelns und der sich daraus ergebenden Folge. Darüber hinaus muss ein alternatives Verhalten in der jeweiligen Situation zumutbar sein.

und grob fahrlässig: gesetzlich nicht definiert und wird angenommen, wenn die im rechtlichen Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt wurde oder wenn naheliegende Überlegungen nicht angestellt wurden.

Beim Vorsatz gibt es die Unterscheidung zwischen

dolus directus 1. Grades (Absicht): der Täter hält den Erfolgseintritt für sicher, zumindest aber für möglich (Wissen). Dem Täter kommt es auf den Erfolg an. Er hat ihn in sein Zielstreben aufgenommen, gleichgültig ob als Endziel oder als notwendiges Zwischenziel zur Erreichung des angestrebten Erfolges (Wille). Der Wille ist beim dolus directus 1. Grades das dominierende Element. und

dolus directus 2. Grades (Sicheres Wissen) der Täter hält den Erfolgseintritt für sicher. Ausreichend ist dabei ein sicheres Folgewissen desTäters, d.h. das Wissen um die höchstwahrscheinliche Folge des Handelns (Wissen). Der Täter ist mit dem Erfolg einverstanden, ohne ihn jedoch anzustreben. Der Erfolg kann ihm sogar unerwünscht sein (Wille). Das dominierende Element beim dolus directus 2. Grades ist das Wissen.

Ich muß aber zugeben, daß mir bei den letzten beiden Beispielen die Unterschiede nicht so klar sind. Aufgabe der Richter ist es nun, fest zu stellen, welche Tatbestände zutreffen.

Das waren Beispiele für übersichtliche Unterschiede an gut begrenzte Objekten.

Wolfram Heinrich macht Ideologie zum Thema in seinem Blog :

http://www.freitag.de/autoren/wolfram-heinrich/verdammte-ideologie

Er definiert eine Ideologie als „System von einzelnen Ideen, also Vorstellungen“.

Das ist eine Teildefinition von Wikipedia, dort wird es, im allgemeinen Sprachgebrauch, als System von Ideen, Vorstellungen, Werturteilen und Begriffen beschrieben, das synonym zu Weltanschauung verwendet werden kann.

Nehmen wir irgendeine Ideologie, im Sinne Wolframs oder allgemein, und listen die Ideen und Vorstellungen auf. Dann machen wir eine mathematische Operation: wir bilden das System aller Teilmengen dieser Sätze. Also erst alle Sätze einzeln, dann 2er-Kombinationen, bis alle Kombinationen, bei denen ein Satz fehlt und dann das ursprüngliche.

Das dauert natürlich viel zu lange. Es geht mir darum: welche dieser Teilideologien sind nun richtige Ideologien und bei welchen reicht es nicht ganz ? Welche sind etwa nur Vorurteile oder Teilansichten ?

Dann kann man die einzelnen Sätze abändern: nehmen wir etwa aus der Ku-Klux-Clan-Ideologie den Satz: alle Neger sind faul. Daraus machen wir: arbeiten ungern, nicht ganz gerne, fast so gut wie Weiße, dafür tanzen sie besser. Dann haben wir noch diffizilere Systeme, bei denen die Unterscheidung immer schwieriger wird.

Solche Konstruktionen, also Grenzübergänge kann man immer machen. Besonders komplexe Begriffe sind also kaum genau definiert, man kann sich auf einen Kernbereich einigen, bei der praktischen Anwendung besteht aber immer das Unschärfeproblem.

Vergleiche werden als rhetorisches Mittel benutzt, sie können zutreffend oder an den Haaren herbeigezogen werden. Bekannt sind die Nazi-Vergleiche, die manchmal gezogen werden, mehr und oft weniger zutreffend. Die Unschärfe der Begriffe versuchen die Redner für sich auszunutzen, indem sie Sachverhalte mit gerade noch passenden, positiven oder negativen, anderen Schemen gleichsetzen. Es ist sinnvoll, sich dieser Tatsache bewußt zu sein.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

alalue

In einer Demokratie darf jeder so blöd sein wie er kann

alalue

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