Albtraum Artenvielfalt

Modell Amerika I Müssen die Deutschen bald in Reservaten leben wie die Indianer?

In Hessen herrscht Wildwest-Stimmung. Erst hatte FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher mit seiner "Tragödie vom Donner-Pass", der Wildwest-Story vom Verenden der einsamen Cowboys und dem Überleben der gesitteten Familie, die nationale Debatte über Wochen beherrscht, da legt der hessische Ministerpräsident Roland Koch in bewährter Wildwestmanier nach. Auf einem CDU-Landesparteitag in Wiesbaden betonte Koch, Deutschland sei kein Einwanderungsland wie Amerika, wo von der ursprünglichen Kultur der Indianer "nichts mehr übrig" sei. Demgegenüber sei die deutsche Identität unbedingt schützenswert. "Man könnte einfach sagen: Wir sind mehr als die Indianer", so der Ministerpräsident in bemerkenswerter Schlussfolgerung.

Gewiss könnte man diese erstaunliche Aussage mit leichter Belustigung ad acta legen, wenn sich das Argumentationsmuster nicht bereits in anderen Kreisen bewährt hätte. So heißt es im Parteiprogramm des sächsischen NPD-Landesverbandes: "Deutschland ist ebenso wenig Einwanderungsland wie der Freistaat Sachsen. ... Wir wissen: Die indianischen Völker konnten die Zuwanderer nicht stoppen. Jetzt leben sie in Reservaten. Weil wir unseren Kindern das ersparen wollen, wehren wir uns, bevor es zu spät ist."

Bei der letzten Landtagswahl war derartige Propaganda immerhin für neun Prozent der Stimmen gut. Und die Pointe des Kochschen Coups: Der hessische Ministerpräsident setzt rhetorisch noch einen drauf. Während die Sachsen-NPD in gewohnter Manier und fast mitleidsvoll-emphatisch die Opfer-Rolle der Indianer reklamiert, um dem eigenen Volk dergleichen zu ersparen, postuliert Koch den höheren Rang der deutschen Kulturnation. "Wir sind mehr als die Indianer" - ganz im Sinne des klassisch ethnischen Nationalismus ist damit nicht die schlichte Anzahl, sondern der spezifische historische Rang des eigenen Volkes gemeint. Konsequenterweise ist für Koch die Fußball-WM als nationales Großereignis der willkommene Anlass, um über "Stolz" und "deutsche Leitkultur" zu reden.

Wer bisher glaubte, die Merkel-Union mit ihren Vorzeige-Liberalen, der Migrationsbeauftragten Maria Böhmer und dem nordrhein-westfälischen Integrationsminister Armin Laschet, wäre tatsächlich auf dem Weg in Richtung Einwanderungsgesellschaft, dürfte sich noch manches Mal eines Schlechteren belehren lassen müssen. Vor allem die Innenpolitiker der Union wissen weiterhin ganz genau, wie mit Ängsten der Bevölkerung Politik zu machen ist. So warnte jüngst der CSU-Politiker Hans-Peter Uhl angesichts sich verändernder Mehrheitsverhältnisse in deutschen Großstädten: "Dann wird es mehr Migranten geben als Deutsche, dann kippen unsere Großstädte um." In der Uhlschen Denkweise bedeutet Vermischung der Ethnien den Untergang der eigenen Art. Hier ist das Stoibersche Schreckgespenst der "durchmischten und durchrassten Gesellschaft" nicht mehr weit. Derartige ethnisch-rassistische Angstrhetorik hatte und hat in Deutschland immer ihre Kundschaft. Hier liegt das eigentliche Motiv für den merkwürdigen Indianervergleich. Denn die Kochs, Stoibers und Uhls wissen eines ganz genau: Es kommt vor allem darauf an, die Angst im Lande am geschicktesten zu bewirtschaften.


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