Arbeit an der Spaßmarke

FDP Die Liberalen besinnen sich auf ihren Koalitionspartner und Westerwelle übt sich im Aussitzen des Möllemann-Problems

Was für eine Farce! Gerade hatte das gute Abschneiden bei den beiden Landtagswahlen dem leidgewöhnten Guido Westerwelle eine Atempause verschafft, da sprang sein schwarzes Alter ego aus alten Spaßwahlkampfzeiten, Jürgen W. Möllemann, wieder aus der Kiste und machte ihm mit seinem hauchdünnen Sieg in der NRW-Landtagsfraktion einen Strich durch die Rechnung - nur um einen Tag später seinen bereits angekündigten Rückzug aus der Bundestagsfraktion zu revidieren. Und wieder stellt sich die Frage: Wird der ein ums andere Mal vorgeführte einstige Kanzlerkandidat Guido Westerwelle mit Blick auf die Vorstandswahlen Anfang Mai seine Rolle als FDP-Parteiführer behaupten können?

Ein Spaßimage in ernsten Tagen ist ein Problem. Das musste Westerwelle schon im Wahlkampf schmerzlich erleben. Im Guidomobil mit knalliger 18 erschien er eher wie ein Wiedergänger der überdrehten neunziger Jahre denn als adäquate Antwort auf die Probleme von Flut und Arbeitslosigkeit. In Zeiten jedoch, in denen sich die ahnungslosen Nachgeborenen andächtig von Peter Scholl-Latour die kommenden Kriege erklären lassen, wird der Spaßmakel endgültig zur Hypothek auf die Zukunft. Bei genauerer Analyse entpuppen sich denn auch die jüngsten Wahlerfolge keineswegs als Sieg der Funpartei FDP, im Gegenteil: Mit Ruth Wagner und Walther Hirche reüssierten zwei Anti-Westerwelles in Reinkultur. Solide bis zur Biederkeit und stets treu an der Seite der CDU.

Westerwelle steht insofern in nächster Zeit vor zwei entscheidenden Aufgaben. Erstens muss er seine Spaßpartei FDP auf neuen Ernstkurs bringen, um dadurch, was schwieriger sein dürfte, vor allem auch die Spaßmarke Westerwelle zu korrigieren und vom unschönen Populismusmakel zu reinigen. Zum zweiten wird Westerwelle versuchen, die FDP von der freischwebenden Unabhängigkeit zurück in den sicheren Hafen an der Seite einer erstarkten CDU zu führen. Die jüngsten heftigen Attacken gegen den »Amateurstatus« der Bundesregierung sprechen Bände. Eines dürfte jetzt schon feststehen: beim Umschalten von Spaß- auf Funktionspartei kommt die inhaltlich gehaltvolle Neudefinition liberaler Politik mit Sicherheit unter die Räder.

Und dennoch: Westerwelle kann beruhigt dem Parteitag und seiner Wiederwahl als Parteichef entgegensehen. In absehbarer Zeit droht ihm keine Konkurrenz, zu alternativlos ist er in den eigenen Reihen, zu verbraucht sind seine Konkurrenten, egal ob sie Brüderle, Gerhardt oder Rexrodt heißen. Am deutlichsten wurde dies in der Zeit der größten Schwäche Westerwelles, direkt nach der Bundestagswahl: Keiner aus der Altherrenriege machte ernsthafte Anstalten, den Vorsitz zu übernehmen. Den richtigen Zeitpunkt für einen Putsch haben seine innerparteilichen Widersacher alle verstreichen lassen. Und ein Parteitagscoup à la Lafontaine ist den Gerhardts ohnehin nicht zuzutrauen - insofern ging paradoxerweise letztlich der Parteichef gestärkt aus der Wahlschlappe hervor.

Der treueste Verbündete Westerwelles ist ohnehin die verrinnende Zeit - und sein Altersvorteil. Angesichts einer immer wahrscheinlicher werdenden schwarz-gelben Koalition müsste die Absetzung Westerwelles wie eine Rolle rückwärts erscheinen - und stünde in völligem Kontrast zum in der CDU längst auf breiter Front vollzogenen Generationswechsel. Mehr noch: Bis in die Diktion ähneln sich die Charaktere. Wenn Friedrich Merz den Gewerkschaften einen »kalten Wind« androht, die Westerwelle ohnehin für eine »Plage für unser Land« hält, wird deutlich: Die Falken unter den Nach-Achtundsechzigern sprechen dieselbe Sprache im Überbietungswettbewerb um die Vorherrschaft im Deregulierungsdiskurs. Stärker denn je sucht der einstige Spaßkandidat jetzt den Schulterschluss mit seinen Generationsgenossen in der CDU, nicht zuletzt um seine FDP angesichts zunehmender schwarz-grüner Spekulationen als den traditionell verlässlichen Partner zu empfehlen.

Und so dürfte dem einstigen Einzug Westerwelles ins erste Bundeskabinett der Nach-Achtundsechziger trotz aller schwarz-grüner Experimente wohl wenig entgegenstehen. Was die eigenen rechts-populistischen Eskapaden samt versuchter Umformung der FDP zur Protest- und Krawallpartei anbelangt, wird sich Westerwelle auf die erprobte Vergesslichkeit der Öffentlichkeit verlassen können. Zunehmendes Desinteresse dürfte auch einem sich über Jahre hinziehenden Parteiausschlussverfahren seines einstigen Spezis Jürgen W. gewiss sein. Insofern gilt für Westerwelle in Sachen Möllemann vor allem die Fischersche Parole: cool down.

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